Christian Bock
Zeitenfülle

Herausgegeben von
Gisbert Greshake, Medard Kehl
und Werner Löser

Christian Bock

Zeitenfülle

Annäherungen an das paradoxe Verhältnis von Vergänglichkeit und Vollendung

echter

VORWORT

Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 2015 von der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom als Dissertation unter dem Titel »Die theo-logische Struktur der Zeit. Christlicher Äon als Perichorese von Chronos, Kairos und Pleroma« angenommen worden. Neben der Umformulierung des Titels wurde sie für die Veröffentlichung geringfügig überarbeitet.

Die Frage nach der Zeit und dem Umgang mit ihr begleitet mich seit langem auf unterschiedlichste Weise: als existentielle Anfrage und biographische Erfahrung, als denkerische Herausforderung durch ein vielschichtiges Phänomen und Einladung zum interdisziplinären Dialog, endlich als Aufgabe einer lebensdienlichen Theologie.

Vor diesem Hintergrund sei allen gedankt, die mir auf diesem Weg ihre Zeit geschenkt haben.

Zuerst gilt dieser Dank P. Elmar Salmann OSB, der das Entstehen dieser Untersuchung kenntnisreich und inspirierend begleitet hat. Sein geduldiges Interesse am Entstehungsprozess der Arbeit zeigte sich besonders darin, dass er sich für rasche Rückmeldungen, hilfreiche kritische Hinweise und anregende Gespräche stets großzügig Zeit nahm. Ebenso danke ich P. Felix Körner SJ für die Erstellung des Zweitgutachtens. Bei Herrn Prof. Dr. Gisbert Greshake bedanke ich mich für die Initiative zur Aufnahme der Untersuchung in die »Studien zur systematischen und spirituellen Theologie« des Echter-Verlages. Auch den Mitherausgebern, P. Medard Kehl SJ und P. Werner Löser SJ, sei an dieser Stelle gedankt.

Mein besonderer Dank gilt darüber hinaus jenen, die mir dieses Dissertationsprojekt ermöglicht haben: allen voran dem Erfurter Altbischof Dr. Joachim Wanke, der mir am Beginn des Projektes eine zweijährige Freistellung ermöglichte, sowie Weihbischof Dr. Reinhard Hauke, der Sorge dafür getragen hat, dass das Projekt auch danach noch fertiggestellt werden konnte, schließlich dem Bistum Erfurt für die großzügige finanzielle Unterstützung. Nicht zuletzt sei ausdrücklich den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern der Pfarrei St. Franziskus in Sömmerda gedankt, ohne deren entlastende Unterstützung und begleitendes Gebet in den vergangenen fünf Jahren eine Fertigstellung der Arbeit sicher nicht möglich gewesen wäre.

Am Ende sei ein herzlicher Dank an alle gerichtet, mit denen ich den vergangenen Jahren in besonderer Weise verbunden gewesen bin. Stellvertretend für viele seien genannt: die Gemeinschaft des Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom, P. Klaus Peter SJ für das geistliche Geleit, Franziska Eberhardt für sorgfältiges Korrekturlesen, Hubertus Iffland und Claudia Wanierke für manche Ermunterung zum Durchhalten sowie Sascha Jaeck für die Erstellung des Layouts.

Gewidmet sei diese Arbeit schließlich meinen Eltern Dagmar und Hubertus Bock sowie meinem Onkel Domkapitular Bernhard Bock, die mich von Anfang an gelehrt haben, dass die bisweilen so eng erscheinende Zeit tatsächlich ins Weite führt.

Sömmerda, Juni 2016

Christian Bock

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

ERSTER TEIL

Phänomenologische Hinführung

I. Thematische Vorbemerkung: Die theo-logische Relevanz der Frage nach der Zeit

II. Methodische Vorbemerkung

1. Perichorese als Thema, Reflexionsbegriff und Methode …10

2. Chronos, Kairos und Pleroma als phänomenologische Schlüsselbegriffe

3. Äon als theologischer Schlüsselbegriff

4. Grenzen der Untersuchung

III. Die begleitende Frage: Die mögliche Gestalt einer Wirklichkeit nach dem Tod

IV. Das geleitende Interesse: Die zeitliche Gestalt der durch den Tod begrenzten Wirklichkeit

1. Das lebensdienliche Interesse am Kairos: Gegenwart als kairologische Gestalt heutiger Zeiterfahrung

a) Kairologischer Zeitumgang

b) Die Vergegenwärtigungstendenz im Kontext heutiger Zeiterfahrung

c) Das Urphänomen Gegenwart als kairologische Mitte perichoretischen Zeitverständnisses

2. Das philosophische Interesse am Chronos: Gegenwart als chronologische Gestalt der Zeit

a) Zeit als Erfahrung von Vergänglichkeit

b) Die Chronologisierung der Zeit

c) Die philosophische Interpretation der Gegenwart aus chronologischer Perspektive

(1) M. Heidegger: Gegenwart als Dynamik der Zeit aus der Zukunft

(2) H. Rombach: Gegenwart als Dynamik der Zeit aus der Gegenwart

(3) P. Ricœur: Gegenwart als Dynamik der Zeit aus der Vergangenheit

(4) M. Cacciari: Gegenwart als Dynamik der Zeit ohne Chronos

3. Das theologische Interesse am Pleroma: Gegenwart als pleromatische Gestalt der Ewigkeit

a) Das Missverhältnis von Chronos, Kairos und Pleroma

b) Das Missverhältnis von Zeit und Ewigkeit

c) Das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit als perichoretisches Ineinander von Gegenwart und Pleroma

d) Die theologische Interpretation der Gegenwart aus pleromatischer Perspektive

(1) K. Rahner: Heranreifende Gegenwart

(2) K. Barth: Umfasste Gegenwart

(3) H. U. v. Balthasar: Durchbrochene Gegenwart

(4) W. Pannenberg: Dauernde Gegenwart

(5) J. Moltmann: Kommende Gegenwart

V. Die resultierende These: Christlicher Äon als Perichorese von Chronos, Kairos und Pleroma

VI. Zum Begriff der Perichorese

1. Zur Geschichte des Begriffs der Perichorese

a) Die ursprüngliche Bedeutung

b) Der Eingang in die Theologie: Christologische und trinitarische Perichorese

c) Die anschließende Rezeption des Begriffs

d) Die umstrittene Aktualität des Perichoresebegriffs

(1) Universalität der Perichorese: C. Sorč

(2) Unzulänglichkeit der Perichorese: M. Mühling

e) Fazit

2. Zeit und Perichorese: Denkanstöße

a) Zeit perichoretisch gedacht: Der Vorschlag K. Barths

b) Perichorese zeitlich gedacht: Der Entwurf P. Hünermanns

3. Zusammenfassung: Perichorese als Reflexionsbegriff und Theologumen

VII. Der doppelte Gang der Untersuchung

1. Formale Ausrichtung: Perichorese als Reflexionsbegriff

2. Materiale Ausrichtung: Perichorese als Theologoumenon

3. Die perichoretische Einheit von formaler und materialer Ausarbeitung

VIII. Exkurs: Alternative Einheitsmodelle von Zeit

1. Die morphologische Einheit der Zeit

a) Der Ansatz K. Gloys

b) Würdigung und Anfrage

2. Die tripolare Einheit der Zeit

a) Der Ansatz W. Achtners, S. Kunzes und T. Walters

b) Würdigung und Anfrage

IX. Die perichoretische Einheit der Zeit

ZWEITER TEIL

Philosophische Durchführung: Gegenwart aus der subjektiven Perspektive des Nunc

I. Formale Analyse: Gegenwart als perichoretisches Ineinander von Chronos, Kairos und Pleroma

1. Gegenwart als Chronos

a) Die Notwendigkeit der Kritik eines einseitig chronologisierten Zeitverständnisses

b) M. Heidegger: Die vulgäre Zeit

c) H. Rombach: Die fließende Zeit

d) P. Ricœur: Die aporetische Zeit

e) M. Cacciari: Die allverschlingende Zeit

f) Fazit: Der entmachtete Chronos

g) Ausblick: Die chronologische Dynamik der Gegenwart

2. Gegenwart als Kairos

a) Die gegenwärtige Brisanz kairologisch überformter Zeit

b) M. Heidegger: Die ursprüngliche Zeit als Augenblick

c) H. Rombach: Die konkrete Zeit als Situation

d) R Ricœur: Die konfigurierte Zeit als Erzählung

e) M. Cacciari: Die oszillierende Zeit als Äon

f) Fazit: Der gehobene Kairos

g) Ausblick: Der kairologische Zustand der Gegenwart

3. Gegenwart als Pleroma

a) Die prekäre Frage nach dem Ganzen der Zeit

b) M. Heidegger: Das Ganze der Zeit im Augenblick

c) H. Rombach: Das Ganze der Zeit in der Situation

d) P. Ricœur: Das Ganze der Zeit in der Erzählung

e) M. Cacciari: Das Ganze der Zeit im Äon

f) Fazit: Das gegenwärtige Pleroma

g) Ausblick: Die pleromatische Ganzheit der Gegenwart

H. Materiale Analyse: Die Zeitsignatur menschlicher Existenz

1. M. Heidegger: Existentieller Selbstbezug und zukünftige Zeit – Sorge

2. H. Rombach: Existentieller Weltbezug und gegenwärtige Zeit – Konkreativität

3. P. Ricœur: Existentieller Gemeinschaftsbezug und vergangene Zeit – narrative Identität

4. M. Cacciari: Existentieller Gottesbezug und äonische Zeit – Rekreation

5. Fazit: Die temporale Gestalt der Gegenwart aus der Perspektive menschlicher Existenz

6. Ausblick: Gegenwart als das Geheimnis menschlicher Existenz

a) Die Unabweisbarkeit des Geheimnisses

(1) M. Heidegger: Gegenwärtige Endlichkeit

(2) H. Rombach: Gegenwärtiger Zu-Fall

(3) P. Ricœur: Gegenwärtige Vermittlung

(4) M. Cacciari: Gegenwärtige Neuschöpfung

b) Die unabweisbare Gottesfrage

(1) M. Heidegger: Der letzte Gott als Theo-Logisierung der Endlichkeit

(2) H. Rombach: Der kommende Gott als Theo-Logisierung des Zu-Falls

(3) R Ricœur: Der biblische Gott als Theo-Logisierung der Vermittlung

(4) M. Cacciari: Der christliche Gott als Theo-Logisierung der Neuschöpfung

7. Geheimnis und Gottesfrage als Einladung zum Perspektivwechsel

8. Die philosophische Neuausrichtung der begleitenden Frage

DRITTER TEIL

Theologische Durchführung: Gegenwart aus der göttlichen Perspektive der Sempernitas

I. Vorbemerkung: Die prekäre Bestimmung des Verhältnisses von Zeit und Ewigkeit

1. K. Rahner: Ewigkeit als Frucht der Zeit

2. K. Barth: Ewigkeit als die die verlaufende Zeit umfassende Zeit

3. H. U. v. Balthasar: Vertikale Durchkreuzung der Zeit durch die Ewigkeit

4. W. Pannenberg: Dauer als zeitliches Abbild der Ewigkeit

5. J. Moltmann: Perichorese von Zeit und Ewigkeit

6. Fazit: Abschied vom klassischen Zeit-Ewigkeitsschema

II. Formale Analyse: Gegenwart als perichoretisches Ineinander von Altem und Neuem Äon

1. Das Schema von Altem und Neuen Äon

a) Exkurs: Der Verständnishorizont des Äonenbegriffes

(1) Etymologische Bestimmung des Äonenbegriffes….

(2) Der Äonenbegriff im biblischen Kontext

Altes Testament

Neues Testament

(3) Die weitere Rezeption des Äonenbegriffes

b) K. Rahner: Gleichzeitigkeit mit divergierenden Richtungskoeffizienten

c) K. Barth: Ungleichzeitige Gleichzeitigkeit

d) H. U. v. Balthasar: Reziprozität von Weltsituation und Weltziel

e) W. Pannenberg: Selbstbezogenes Jetzt und antizipierender Augenblick

f) J. Moltmann: Äonische Phasenverschiebung

g) Fazit: Das Äonenschema als theologischer Verständnisschlüssel eines perichoretischen Zeitverständnisses

2. Alter Äon

a) K. Rahner: Zeit der Freiheit

b) K. Barth: Zeit als Geschenk Gottes

c) H. U. v. Balthasar: Zeit der Liebe

d) W. Pannenberg: Zeit als endliche Dauer

e) J. Moltmann: Zeit der Schöpfung

f) Fazit: Die befristete Zeit des Alten Äon

3. Neuer Äon

a) K. Rahner: Ewigkeit als endgültige Auszeitigung der Freiheit

b) K. Barth: Ewigkeit als Treue Gottes

c) H. U. v. Balthasar: Ewigkeit als trinitarische Zeit Gottes

d) W. Pannenberg: Ewigkeit als zeit überbrückende Dauer

e) J. Moltmann: Ewigkeit der Neuschöpfung

f) Fazit: Die unbefristete Ewigkeit des Neuen Äon

4. Christlicher Äon als theologische Struktur der Zeit

a) K. Rahner: Gegenwart als Ereignis

b) K. Barth: Gegenwart als »Ver-Kehr« zwischen Gott und Mensch

c) H. U. v. Balthasar: Gegenwart als dramatische Gestalt der Liebe Gottes

d) W. Pannenberg: Gegenwart als Feld

e) J. Moltmann: Gegenwart als Perichorese

f) Fazit: Zeit als Perichorese von Gegenwart und Ewigkeit

g) Philosophische Rückvergewisserung

(1) M. Heidegger: Christlicher Äon als Ereignis

(2) H. Rombach: Christlicher Äon als Kokarde

(3) P. Ricœur: Christlicher Äon als Erzählung

(4) M. Cacciari: Christlicher Äon als rekreierende Unterbrechung

(5) Fazit: Wirklichkeit als Gegenwart des Christlichen Äon

III. Materiale Analyse: Die Zeitsignatur christlicher Existenz

1. Die temporale Gestalt des Christlichen Äon

a) K. Rahner: Die Fülle der Zeiten im absoluten Heilsbringer

b) K. Barth: Perichoretisches Heilsgeschehen in Christus

c) H. U. v. Balthasar: Universale Concretum

d) W. Pannenberg: Proleptische Antizipation des Eschatons in Christus

e) J. Moltmann: Geistesgegenwart

f) Fazit: Mensch und Schöpfung in Christi Gegenwart

2. Die temporale Gestalt christlicher Existenz

a) K. Rahner: Freiheit

b) K. Barth: Zuversicht

c) H. U. v. Balthasar: Darbietung

d) W. Pannenberg: Selbstständigkeit

e) J. Moltmann: Hoffnung

f) Fazit: Christliche Existenz als perichoretische Gegenwärtigkeit

3. Die theologische Neuausrichtung der begleitenden Frage

VIERTER TEIL

Perichoretische Zusammenführung

I. Schlussbetrachtung: Perichorese als Thema, Methode und Reflexionsbegriff

1. Perichorese als Thema: Das perichoretische Ineinander der Perspektiven von Sempernit as und Nunc

2. Perichorese als Methode: Das perichoretische Ineinander der philosophischen und theologischen Perspektiven

3. Perichorese als Reflexionsbegriff: Die theo-logische Struktur der Zeit als Perichorese von Chronos, Kairos und Pleroma

II. Die Lebensdienlichkeit perichoretisch gedeuteter Zeit

III. Perichoretischer Ausblick: Anstöße zum theologischen Weiterdenken

1. Protologisch-eschatologische Perspektive

2. Anthropologische Perspektive

3. Christologische Perspektive

4. Trinitarische Perspektive

5. Ekklesiologische Perspektive

6. Sakramental-liturgische Perspektive

7. Soteriologische Perspektive

8. Fazit: Die perichoretische Christusförmigkeit der Zeit

IV. Metaphorischer Schluss

V. Die perichoretische Neuausrichtung der begleitenden Frage

Literaturverzeichnis

I. Hilfsmittel

II. Primärliteratur

Hans Urs v. Balthasar

Karl Barth

Massimo Cacciari

Martin Heidegger

Jürgen Moltmann

Wolfhart Pannenberg

Karl Rahner

Paul Ricœur

Heinrich Rombach

III. Weitere Literatur

Zuversicht

Wenn alles rings befleckt ist

vom Schatten Blut des Lichts

die Helle zugedeckt ist

Verloren Sag das nicht

Verknüpfe verknote mit Worten

was immer die Erde mag

find Freude allerorten

Hoffnung jeden Tag

Einen sichren Anfang baust du

schweigend sprich nur nicht gleich

des Seins Brennpunkt schaust du

eine Herbstzeitlose bleich

František Halas1

1 Nachdichtung durch Franz Fühmann, in: F. FÜHMANN, Gedichte und Nachdichtungen, Rostock 1978, 93.