Thorsten Kapperer

Leidenschaft und Fußball

Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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Herausgegeben von Erich Garhammer und Hans Hobelsberger in Verbindung mit Martina Blasberg-Kuhnke und Johann Pock

Thorsten Kapperer

Leidenschaft und Fußball

Ein pastoral-theologisches Lernfeld

echter

Danksagung

Die vorliegende Veröffentlichung wurde im Sommersemester 2016 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Ich bedanke mich bei Herrn Prof. Dr. Konrad Baumgartner und bei Herrn Prof. Dr. Erich Garhammer für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge“, die im Echter Verlag erscheint.

Ich danke Herrn Prof. Dr. Erich Garhammer für die fachliche Begleitung. Er hat mich stets ermutigt, die Leidenschaft des Fußballs mit dem Evangelium in ein produktives Spannungsverhältnis zu bringen.

Ich danke Herrn JProf. Dr. Bernhard Spielberg für sein Zweitgutachten und für die zahlreichen wertvollen Hinweise bei der Erstellung dieser Arbeit.

Besonders dankbar bin ich meiner Frau Nadja und unseren beiden Kindern Lara und Fabian, ohne deren wohlwollende Begleitung diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre.

Dem Bistum Würzburg danke ich für die finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung dieses Buches.

Langenleiten im November 2016

Thorsten Kapperer

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.  Fußball - Phänomen der Massen und Leidenschaft des Einzelnen

2.  Die Zielsetzung dieser Arbeit

3.  Hermeneutische Paradigmen

3.1  Persönliche Motivation

3.2  Den Eigenwert von Religion bzw. Pastoral und Fußball respektieren

3.3  An bisherigem Engagement anknüpfen

3.4  Frauenfußball

4.  Der Aufbau der Arbeit

I.  Sehen - Fußball als Realitätsmodell

1.  Grundlagen der Leidenschaft des Fußballs

1.1  Die Geschichte des Fußballs – eine Geschichte der Leidenschaft

1.1.1  Erste Vorläufer im alten Rom

1.1.2  Zur Etymologie des Begriffs „Fußball“

1.1.3  Gebrochene Schienbeine und Schädelbrüche

1.1.4  Das Fußballspiel in besten Kreisen

1.1.5  Das italienische Calcio-Spiel

1.1.6  Puritanische Fußball-Kritik

1.1.7  Die Zeit des wilden Straßenfußballs

1.1.8  Fußball in den Public Schools

1.1.9  Die Gründung der englischen Football Association (FA)

1.1.10  Endgültige gesellschaftliche Etablierung des Fußballs in England

1.1.11  Einführung der Schiedsrichter

1.1.12  Alle gesellschaftlichen Kreise werden von der Fußball-Leidenschaft ergriffen

1.1.13  Weitere Entwicklungen

1.1.14  Wie der Fußball nach Deutschland kam

1.1.15  Immer weiter

1.1.16  Erkenntnisse aus der Geschichte des Fußballs für den Fortgang dieser Arbeit

1.2  Die Grundlagen der Leidenschaft sind bereits im Wesen des Fußballspiels angelegt

1.2.1  Das Leidenschaftspotential der immanenten Wesensmerkmale des Fußballsports

1.2.1.1  Die Unkompliziertheit der Regeln ermöglicht einen leichten Zugang zum Fußballspiel

1.2.1.2  Der Ball ist rund

1.2.1.3  Von der Schwierigkeit, den Ball richtig mit dem Fuß zu treffen

1.2.1.4  Der ganze Körper ist gefordert

1.2.1.5  Elf Freunde müsst ihr sein

1.2.1.6  105 auf 70 Meter wollen ideal genutzt werden

1.2.1.7  Tempo, Tempo

1.2.1.8  „Mach’ ihn! Mach’ ihn! Er macht ihn!“

1.2.1.9  Fußball als ästhetischer Genuss

1.2.1.10  „Weil se nich wissen, wer gewinnt“ - über die Spannung beim Fußball

1.2.1.11  Ambivalenz von Unberechenbarkeit und Zweckrationalität

1.2.2  Fußball als Ventil archaisch-emotionaler Kräfte

1.2.2.1  Perspektive aus philosophischer Sicht (Norbert Bolz)

1.2.2.2  Die soziologische Perspektive (Ansgar Kreutzer)

1.2.2.3  Zusammenfassung der philosophischen und der soziologischen Perspektive

1.3  Zusammenfassender Ausblick

2.  Signaturen der Leidenschaft des Fußballs

2.1  Die emanzipatorische Kraft des Fußballs…

2.1.1  … am Beispiel dreier literarischer Werke

2.1.1.1  Friedrich Christian Delius: Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde

2.1.1.2  Nick Hornby: Fever Pitch

2.1.1.3  Klaus Theweleit: Tor zur Welt

2.1.2  … anhand beispielhafter Explorationen deutscher Fankultur

2.2  Die anti-emanzipatorische Kraft des Fußballs

2.2.1  Kommerzialisierung

2.2.2  Gewalt

2.2.3  Leistungsdruck

II.  Urteilen: Die Leidenschaft des Fußballs – ein höchst bedeutsamer theologischer Analysegegenstand

1.  Post-Säkularität

1.1  Paradigmenwechsel: von der Säkularität zur Post-Säkularität

1.2  Drei Kennzeichen der Post-Säkularitäts-These

1.2.1  Religion ist nicht verschwunden

1.2.2  Moderne Gesellschaften sollen sensibel bleiben für religiöse Gehalte

1.2.3  Religion muss ihre Gehalte in die säkulare Sprache übersetzen

1.3  Was bleibt für die Theologie zu tun?

2.  Dispersion von Religion

2.1  Die Grenzen der Moderne, die Chancen der Religion und das Verhältnis von säkularem und religiösem Denken

2.2  Post-religiös und post-säkular

2.3  Die Theorie religiöser Dispersion

2.3.1  Erscheinungsformen des Religiösen im Säkularen (Was heißt Dispersion?)

2.3.1.1  Dispersion als Dekonstruktion

2.3.1.2  Dispersion als Deformatierung religiöser Symbole und Motive

2.3.1.3  Dispersion als Inversion transzendenzorientierter Weltdeutungen

2.3.1.4  Dispersion als Diffusion

2.3.1.5  Dispersion als mediale Adaption religiöser Motive und Stoffe

2.3.1.6  Weitere Spuren von Religion in der Populärkultur

2.3.2  Formate disperser Religiosität (Wie äußert sich Dispersion?)

2.3.3  Impuls aus der Dispersionstheorie für die Weiterarbeit

2.4  Der Fußballplatz als ein Ort der Populärtheologie

3.  Kennzeichen des Heiligen beim Fußball

3.1  „VfB Stuttgart ist meine Religion“ - worum es hier nicht gehen soll

3.1.1  Fußball ist keine Religion

3.1.2  Die Rede vom Fußballgott

3.1.3  „Jesus liebt dich“ - wenn Fußballer sich öffentlich zu Gott bekennen

3.1.4  Der Fußballplatz als Ort spiritueller Erfahrungen?

3.1.5  Worum es hier gehen soll: Kennzeichen des Heiligen beim Fußball

3.2  Exemplarische Kennzeichen des Heiligen beim Fußball

3.2.1  Zwischen purem Entsetzen und grenzenlosem Jubel

3.2.2  Fußball als Spiel der Überschreitungen

3.2.3  „Wer nicht hüpft, der isch koi Schwabe“

3.2.4  Die Dichotomie der Fußballwelt

3.2.4.1  Heilige Räume und heilige Handlungen

3.2.4.2  Heilige Zeiten

3.2.4.3  Heilige Zeichen

3.2.5  Fazit

III.  Handeln: Die Leidenschaft des Fußballs als Lern-Ort pastoral-theologischer Sprachfähigkeit und die sich daraus ergebenden Haltungs- bzw. Handlungs-Impulse

1.  Gaudium et spes 44: ein programmatischer Text

1.1  Haltung: „Die Hilfe, welche die Kirche von der heutigen Welt erfährt“

1.2  Handlung: Der Pfarrgemeinderat im Fußballstadion

2.  Eine Kirche, die sich im Außen neu entdeckt

2.1  Haltung: Wider den theologischen Narzissmus - Draußen zuhause

2.2  Handlung: Das Konzept des Udo Bassemir (FC Bayern München)

2.2.1  Die Biografie von Udo Bassemir

2.2.2  Fußball-Workshop für Jugendliche in Langenleiten (Dekanat Bad Neustadt)

2.2.3  Das Jugendhaus des FC Bayern München

3.  Gaudium et spes 4 unter fußballerischem Blickwinkel

3.1  Haltung: Die Suche nach den Zeichen der Zeit als bleibende Herausforderung und Pflicht

3.2  Handlung: Den Fußball als Zeichen der Zeit erkennen 348

4.  „Wir verzichten nicht darauf, eine Kirche für alle zu sein“

4.1  Haltung: Das Fußballfeld als pastoralen Lern-Ort qualifizieren

4.2  Handlung: Drei Beispiele pastoraler Mitarbeiter, die das Fußballfeld für sich als pastoralen Lern-Ort qualifiziert haben

4.2.1  Susanne Haensel (Evangelische Pfarrerin und Vorsitzende des Fan-Projektes von Borussia Dortmund)

4.2.2  „Clubpfarrer“ Thomas Eschenbacher

4.2.3  Die diözesane Fußball-Mannschaft des Bistums Würzburg

5.  Der Fußball als Teil der Populärkultur

5.1  Haltung: Das Fußballfeld als pastoralen Lern-Ort der Populärkultur anerkennen

5.2  Handlung: Zwei Beispiele populärkulturellen Lernens vom Fußball

5.2.1  Fußball-Wallfahrt mit Jugendlichen im Ruhrgebiet

5.2.2  Sportler-Gottesdienste

6.  Auf gemeinsamen Grundlagen aufbauen

6.1  Haltung: Fußball und Kirche verbindet Wesentliches

6.2  Handlung: Den ersten Schritt tun

7.  Die Wichtigkeit der ästhetischen Dimension

7.1  Haltung: „Tatsächlich - Hagebuttentee!“

7.2  Handlung: Die Kapelle in der Arena Auf Schalke

7.2.1  Die Arenakapelle als vierfacher Ort

7.2.1.1  Ein anderer Ort

7.2.1.2  Ein Ort der Kunst

7.2.1.3  Ein heiliger Ort

7.2.1.4  Ein pastoraler Ort

7.2.2  Fazit

8.  Plädoyer für eine leidenschaftliche Seelsorge

8.1  Haltung: Eine Theologie der Adjektive

8.2  Handlung: Neues wagen!

9.  Abschlussbemerkung

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Literaturverzeichnis

EINLEITUNG

1. Fußball – Phänomen der Massen und Leidenschaft des Einzelnen

Laut einer statistischen Erhebung des Weltfußballverbandes FIFA spielten im Jahre 2006 über 265 Millionen Menschen in über 200 Ländern Fußball. Davon sind über 38 Millionen in weltweit mehr als 325.000 Vereinen organisiert.1 Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat eigenen Angaben zufolge so viele Mitglieder wie nie zuvor. In den 21 Landesverbänden des DFB sind aktuell 6.889.115 Menschen gemeldet. Die Zahl der erfassten Vereine ist trotz des demografischen Wandels stabil. Aktuell sind 25.324 Klubs gemeldet, die insgesamt 161.727 Mannschaften stellen. Allein bei den Junioren zwischen 15 und 18 sind derzeit 515.364 Fußballer gemeldet und bei den Mädchen bis 16 Jahren 336.464.2 Hinzu kommen noch ungefähr vier Millionen Menschen, die als so genannte Hobbykicker in ihrer Freizeit in Hobby-, Betriebs- oder Thekenmannschaften regelmäßig Fußball spielen.3

Darüber hinaus sind noch diejenigen zu erwähnen, die nicht aktiv Fußball spielen, sondern sich als Zuschauer bzw. Fans mit Fußball beschäftigen, auch wenn es dabei sicherlich Überschneidungen mit den aktiven Fußballern gibt. So besuchten 13.323.031 Personen die Spiele der Ersten Fußball-Bundesliga in der Saison 2014/20154 und 34,65 Millionen Menschen sahen das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 zwischen Argentinien und Deutschland live in der ARD.5 Diese Liste der Superlative ließe sich noch in vielen weiteren Bereichen fortführen. „Hinter all diesen eben genannten Zahlen stecken Menschen jeden Alters, jedes Bildungsgrades, jeder Herkunft, jeder Religion, jeder sozialen Gruppe. Es sind Menschen, die sich Woche für Woche, teils Tag für Tag mit dem Fußball beschäftigen – lokal, regional, national und international. Das sind diejenigen, die am Wochenende zuerst die Bundesligaspiele verfolgen und ihren Verein anfeuern um dann am Sonntag in der B-Klasse oder in höheren Klassen am Samstag selbst gegen den Ball zu treten. Das sind diejenigen, die Woche für Woche die Stadien der Fußball-Bundesliga in ganz Deutschland besuchen, um ihren Verein hundertprozentig zu unterstützen und unter der Woche sämtliche Neuigkeiten der Bundesligavereine und des internationalen Fußballs diskutieren. Das sind auch diejenigen, die Wochenende für Wochenende in den unteren Ligen viel Zeit auf den regionalen Sportplätzen verbringen, indem sie ‘ihre Erste Mannschaft’ zu den Spielen begleiten und darüber hinaus viel Herzblut und Zeit investieren, ihren örtlichen Heimatverein am Leben zu erhalten.“6

Fußball bedeutet für diese Menschen Leidenschaft pur, Emotion pur, Leben pur – mit all dem, was Leben ansonsten auch ausmacht: von der enttäuschenden und bitteren Niederlage bis zum euphorisch gefeierten Sieg ist hier alles an Emotionen vertreten, was das menschliche Zusammenleben zu bieten hat.7 Dazu formulierte der Autor Ror Wolf: „Die Welt ist zwar kein Fußball, aber im Fußball, das ist kein Geheimnis, findet sich eine ganze Menge Welt. Es ist eine zuweilen bizarre Welt, in der unablässig Gefühlsschübe aufeinanderprallen; Emotionen, die jederzeit in ihr Gegenteil umschlagen können: Entzücken in Entsetzen, Begeisterung in Wut, Verzweiflung wieder in Entzücken.“8 Auch der ehemalige schottische Fußballspieler und -trainer Bill Shankly brachte es bereits 1981, sicher mit einer Portion Ironie, auf den Punkt: „Some people think football is a matter of life and death. I don’t like that attitude. I can assure them it is much more serious than that.“9

Das heißt, es gibt „unzählige Menschen, die Fußball nicht nur spielen, sondern ihn leben. Menschen, die mit ihrem Verein – ob aktiv als Spieler oder passiv als Zuschauer – wirklich leiden, wenn ein Spiel verloren wurde. Es geht hier nicht um ein ‚Schade, dass das Spiel verloren ging‘; es geht hier darum, dass der Fußball vielen Menschen tatsächlich an die Substanz geht und eine Niederlage oder ein schlechtes Spiel einige unruhige Nächte nach sich ziehen kann. An Sieg oder Niederlage machen nicht wenige Fußballer einen nicht geringen Teil ihres Lebensglücks fest. Konnte ein Spiel gewonnen werden, ist das Leben derzeit in vielen beruflichen wie privaten Zusammenhängen in Ordnung. Ging ein Spiel verloren, drückt das die gesamte Stimmung in einigen Lebensbereichen. Nicht zu vergessen ist auch die allwöchentliche Anspannung in Bezug auf den Verlauf und den Ausgang des nächsten Spiels, die teilweise sogar zur Angst werden kann.“10 Aber natürlich auch die unbändige Freude, wenn ein Spiel gewonnen wurde.

Aufgrund all dieser Emotionen ist Fußball in Deutschland auch ein umfassendes Gesprächsthema in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen: „Über das beim Spiel Erlebte wird an den Arbeitsplätzen und Schulen, in den Wirtshäusern und Familien berichtet und gestritten. So liefert es unendlich viel Erzählstoff, wirkt bedeutungsvoll in den Alltag der Menschen hinein, bleibt sinnstiftend haften im Bewußtsein der Fans, wird zum Inhalt einer die Generationen übergreifenden Erinnerung, ist dann nicht mehr nur ein Bestandteil individuellen Angedenkens, sondern setzt sich bedeutungsvoll im ‚kollektiven Gedächtnis‘ (z.B. der Vereine) fest (…) oder sogar im ‚kulturellen Gedächtnis‘ ganzer Nationen.“11

Kurzum: Gewiss soll der Fußball nicht verklärend überhöht werden. Dennoch bleibt zu konstatieren, dass der Fußball in Deutschland eine omnipräsente Realität ist, die zahlreiche Menschen emotional und zeitlich stark beansprucht. Das Fußballfeld ist ein Ort, an dem sich Leben pur abspielt.12

 

2. Die Zielsetzung dieser Arbeit

Ein zentraler und viel zitierter Absatz des Zweiten Vatikanischen Konzils sind die Eröffnungsverse der Pastoralkonstitution Gaudium et spes: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi“ (GS 1). Wie oben angedeutet ist das Fußballfeld ein Ort bzw. ein Realitätsmodell13, an dem sehr viel Freude, sehr viel Hoffnung, aber auch Trauer bis hin zu Angst spürbar werden. Daher ist es laut dem Zweiten Vatikanum schlicht geboten, sich als kirchliche Pastoral mit dem Fußball auseinanderzusetzen. Denn was so viele Menschen in Deutschland heute bewegt bzw. emotionalisiert, was die Realität so vieler Menschen nachhaltig beeinflusst, darf die Pastoral nicht außer Acht lassen. Sich kirchlicher- und theologischerseits dem Fußball zu nähern wird dadurch zu einer wesentlichen Aufgabe der Pastoraltheologie.

Die vorliegende Dissertation soll einen Beitrag zur ansatzweisen Erfüllung dieser Aufgabe leisten. Die entscheidende Perspektive, unter der dies geschieht, ist eine lernende. Das heißt: Das Fußballfeld soll als pastoraler Lernort qualifiziert und beschrieben werden. Es geht konkreter darum, das Lernpotential des Fußballs für die Pastoral herauszuarbeiten.

An dieser Stelle bedarf es bereits einer ersten Differenzierung. Denn der Fußball ist heute ein unglaublich vielschichtiges Phänomen geworden. Man kann dabei beispielsweise denken an …….

Wenn hier also von dem Fußball gelernt werden soll, muss die Perspektive definiert werden, mit der der Fußball konkret in den Blick genommen wird. Und diese Perspektive ist die Leidenschaft der Menschen beim Fußball. Sie wurde einleitend andeutungsweise beschrieben und stellt ein Querschnittsthema dar, das sich durch sämtliche Bereiche des Fußballs zieht. Das heißt, dass die Menschen mit ihrer Leidenschaft zum Fußball das Subjekt der Arbeit sind und nicht der Fußball an sich als Phänomen.

Daraus ergibt sich ein spezieller Arbeitsauftrag für diese Arbeit: Es soll die Leidenschaft beim Fußball als pastoraler Lernort qualifiziert und beschrieben werden. Und es geht näherhin darum, das Lernpotential der Leidenschaft des Fußballs für die Pastoral herauszuarbeiten.

Was genau kann die Pastoral von der Leidenschaft des Fußballs lernen?

Der Inhalt des von der Pastoral zu Lernenden ist im Wesentlichen als Impuls zur Verbesserung der Sprachfähigkeit der Pastoraltheologie zu verstehen. Eine zentrale Aufgabe kirchlicher Pastoral ist es, die Botschaft Jesu unter den Bedingungen heutigen Lebens mit den Menschen gemeinsam zu entdecken. Dazu ist eine Sprache nötig, die die Menschen von heute verstehen. Die Pastoral hat dabei bereits viele Wege und Möglichkeiten gefunden sich verständlich auszudrücken. Diese Arbeit versteht sich als Anknüpfung daran und will im Hinblick auf die Leidenschaft des Fußballs einen weiteren Beitrag zur Bereicherung pastoral-theologischer Sprachfähigkeit leisten.

Denn auch der Fußball hat seine eigene Sprache, um sich zu artikulieren. Es ist eine Sprache, die offensichtlich weltweit von unzähligen Menschen verstanden wird. Ein Blick darauf aus pastoraler Lern-Perspektive ist also sinnvoll.

Aus dieser Zielsetzung heraus erklärt sich auch der Titel dieser Dissertation: „Leidenschaft und Fußball. Ein pastoral-theologisches Lernfeld.“

3. Hermeneutische Paradigmen

Beim Prozess des Erreichens dieses Ziels sind einige hermeneutische Paradigmen zu beachten, die für die gesamte Arbeit Geltung besitzen und stets mitgedacht werden müssen.

3.1 Persönliche Motivation

Die Verbindung der beiden Bereiche Fußball und Kirche ist dem Autor dieser Arbeit ein wichtiges Anliegen. Denn in dessen Biografie liegen das hauptberufliche Engagement als Pastoralreferent im Bistum Würzburg und das ehrenamtliche Engagement im Fußball (als Spieler, Trainer, Fan, Vorstandsmitglied) eng beieinander. So erklärt sich etwa das Zurückgreifen auf den VfB Stuttgart oder die SV-DJK Langenleiten an der ein oder anderen Stelle dieser Dissertation. Bei aller Begeisterung soll dabei die nötige Distanz zum Phänomen „Fußball“ nicht zu kurz kommen.

3.2 Den Eigenwert von Religion bzw. Pastoral und Fußball respektieren

Fußball und Religion (im zweiten Hauptteil) bzw. später (im dritten Hauptteil) Fußball und Pastoral werden in dieser Dissertationsschrift in eine Verbindung gebracht. Dabei besteht die Gefahr, diese Bereiche oberflächlich, vorschnell und sachlich unzulässig zu vermischen, wenn man etwa liturgische Gesänge in der Kirche mit Fangesängen im Stadion vergleicht. Deshalb muss differenziert werden: Fußball ist und bleibt Fußball, Religion ist und bleibt Religion, Pastoral ist und bleibt Pastoral. All diese drei Bereiche sind in ihrem Eigenwert zu schätzen und zu respektieren.

Im dritten Hauptteil soll aufgezeigt werden, inwiefern die Pastoral von der Leidenschaft beim Fußball lernen kann. Eine unsachgemäße Vermischung der beiden Felder ist nicht angebracht. Auch nicht zielführend ist die Anbiederung der Pastoral an den Fußball bzw. des Fußballs an die Pastoral. Nur wenn der Eigenwert beider Bereiche anerkannt wird, können Pastoral und Fußball in ihrer je eigenen Souveränität und in Offenheit aufeinanderzugehen, und nur so kann sich die Pastoral lernend vom Fußball bereichern lassen.

Völlig unangebracht und unredlich ist es weiterhin, den Fußballern pastoralreligiöse Einstellungen oder Verhaltensweisen zu unterstellen, gemäß dem Motto: „Ihr seid ja eigentlich alle religiös und wisst es gar nicht!“ Es darf also weder der Fußball im Sinne der Pastoral noch umgekehrt die Pastoral im Sinne des Fußballs zweckentfremdet werden. Gleichermaßen kann und will Fußball keine Religion sein, wie später darzulegen sein wird.

3.3 An bisherigem Engagement anknüpfen

Diese Arbeit stellt nicht die erste Veröffentlichung und Ausführung dar, die zum Thema Fußball und Pastoral gemacht wurde. Ein Blick ins Literaturverzeichnis dieser Dissertation macht dies schnell deutlich.

Sie stellt auch nicht die einzige pastorale Initiative und Bemühung der gesamten Kirche bzw. von einzelnen pastoralen MitarbeiterInnen vor Ort dar, die Themen Pastoral und Fußball in eine sinnvolle Verbindung zu bringen. Im Folgenden seien daher einige beispielhafte Initiativen und Projekte genannt, ohne näher darauf eingehen zu können und ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

So fand am 21. September 2005 ein Fußball-Kleinfeldturnier für Kinder auf dem Petersplatz statt, das vom Vatikan und dem italienischen Fußballverband organisiert wurde, um auf ein gemeinsames Sozialprojekt zugunsten von Kindern in sechzehn osteuropäischen Staaten aufmerksam zu machen.14 Der damalige Papst Benedikt äußerte sich zudem sehr positiv über den Fußball: „Fußball ist das Heraustreten aus dem versklavten Ernst des Alltags in den freien Ernst dessen, was nicht sein muss und deshalb so schön ist.“15

In diesem Zusammenhang können auch die Auswahlmannschaft des Vatikan, die Vatikanliga und die vatikanischen Pokalwettbewerbe erwähnt werden. Die Auswahlmannschaft besteht hauptsächlich aus Einwohnern Roms und bestreitet nur selten Länderspiele gegen Auswahlteams anderer Länder, wenn dann meist gegen andere Kleinstaaten wie San Marino oder Monaco. Die Mannschaft ist allerdings weder Mitglied bei der UEFA noch bei der FIFA, da sie unter anderem keinen Fußballplatz vorweisen kann, der den FIFA-Normen entspricht.

1972 gründete Sergio Valcio die vatikanische Fußballiga „Attività Calcistica dei Dipendenti Vaticani“ um etwas für das Gemeinschaftsgefühl der VatikanMitarbeiter und etwas für deren körperliche Fitness zu tun. Die 16 Teams der Liga rekrutieren sich aus den Verwaltungsabteilungen des Vatikans (z.B. Museum, Post, Radio) und die Spiele finden im römischen Außenbezirk Primavalle statt, da im Vatikan kein Platz für einen Sportplatz ist. Gespielt wird auf einem Kleinfeld mit nur vier Feldspielern und einem Torwart, da die einzelnen Mannschaften sonst nicht genügend Spieler zusammen bekommen würden. Die Liga findet nicht jedes Jahr statt und der Meister ist nicht für internationale Wettbewerbe qualifiziert.

Der als Fußballfan bekannte ehemalige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone initiierte den Clericus Cup, der 2007 das erste Mal ausgetragen wurde. Dabei spielen internationale katholische Teams von allen Kontinenten gegeneinander. Die offiziellen Fußballregeln wurden dazu leicht abgeändert. So gibt es beispielsweise keine roten Karten, sondern blaue, bei denen der betroffene Spieler fünf Minuten aussetzen muss.16

Auch der mittlerweile heiliggesprochene Papst Johannes Paul II. war für seine Affinität zum Sport bekannt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass er um die Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen herum die Abteilung „Kirche und Sport“ im Vatikan errichtete. Damit war der Grundstein gelegt, den christlichen Auftrag im Bereich des Sports auch auf weltkirchlicher Ebene anzugehen und wahrzunehmen. Die Abteilung wurde dem Päpstlichen Rat für die Laien zugeordnet und hielt 2005 einen weltweit beachteten Kongress in Rom zum Thema „Der christliche Auftrag auf dem Feld des Sports heute“ ab17, aus dem folgende Schlussempfehlungen hervorgingen:

Im Laufe der Jahre folgten weitere Kongresse und ähnliche Veranstaltungen. Grundsätzlich bestimmen folgende Hauptaufgaben das Handeln dieser Abteilung:

Zudem ist hier der Heilige Aloisius „Luigi“ Scrosoppi zu nennen. Der von 1804 bis 1884 lebende italienische Heilige, dessen Gedenktag der 3. April ist, wurde am 22. August 2010 von Bischof Alois Schwarz im Rahmen eines Gottesdienstes in der Pfarre Pörtschach am Wörther See in Abstimmung mit den römischen Stellen zum Schutzheiligen für alle FußballerInnen ernannt. Einen solchen hatte es zuvor nicht gegeben. Die Idee dazu stammte im Rahmen der Wörthersee-Zukunftsinitiative vom Fußballfan Manfred Pesek. Aloisius Scrosoppi hatte sich in besonderer Weise um die Jugend verdient gemacht und stand für Werte, die auch im Sport eine wichtige Rolle spielen, wie Fairness, Ausdauer und Zielstrebigkeit ein.20

Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass einige Fußballclubs in Europa von Geistlichen gegründet wurden. Zum Beispiel Celtic Glasgow in Schottland. Hier wollten die Gründungsväter mit den Eintrittsgeldern die Armenspeisung der Kirchengemeinde finanzieren. Oder Borussia Dortmund, dessen Gründung ebenso auf eine Kirchengemeinde zurückgeht, deren Kaplan die männlichen Jugendlichen mittels des Fußballs an die Kirche binden wollte.21

Das Miteinander von Fußball und Kirche war allerdings nicht immer so. Markwart Herzog wies etwa daraufhin, dass die Geschichte des Fußballspiels in den meisten Ländern von Generationenkonflikten durchzogen war. So gab es bereits in der Zeit des deutschen Kaiserreichs viele Geschichten von jungen Kickern, deren Fußballbegeisterung mit der „Sonntagspflicht“ kollidierte. Schon in den ersten Jahrbüchern des Deutschen Fußball-Bundes wurden solche Kulturkonflikte thematisiert.22 Unvergessen seien laut Herzog weiterhin Geschichten von Fußballern, die heute zu den sogenannten „Alten Herren“ gehören und die fünfzehn Minuten vor dem Abpfiff das Feld verlassen mussten, um rechtzeitig in der Kirche den Ministrantendienst versehen zu können. Oder die umgekehrt das Fußballtrikot unter dem bürgerlichen Habit trugen um unmittelbar nach dem Ende des Gottesdienstes, oder heimlich schon einige Minuten früher, die Kirche verließen, um beim Jugendspiel ihrer Mannschaft mitmachen zu können. Diese Geschichten zogen sich durch mehrere Jahrzehnte. In den 1950er Jahren kam es manchmal fast zu Krisen, die sich deswegen in bundesdeutschen Familien abspielten.23

Anekdotenhaft und deshalb nicht mehr genau zu terminieren, berichtet Hermann Queckenstedt in seinem Referat „Sonntagskick statt Sonntagspflicht – Das spannungsreiche Verhältnis zwischen Fußballvereinen und christlichen Kirchen“, das er im März 2014 auf der 7. Sporthistorischen Konferenz im Kloster Irsee hielt, von einem gewissen Ulrich „Uli“ Hoeneß, der im Alter von acht Jahren von einem Ministrantenzeltlager ausbüchste, woran er seitens seiner Eltern teilnehmen musste, 50 Kilometer mit seinem Fahrrad zu einem Fußallspiel seiner Mannschaft fuhr, beim Stand von 0:4 eingewechselt wurde und mit fünf Toren den 5:4-Endstand herstellte. Oder Josef „Sepp“ Maier, dessen Eltern seinen Messbesuch oft damit kontrollierten, indem sie ihn danach fragten, welchen Kragen der Pfarrer im Gottesdienst getragen hatte. Maier wusste sich zu helfen. Er ging kurz in die Kirche, merkte sich den Kragen des Pfarrers um dann rasch zum Fußballspielen zu gehen.

Doch seit den 1980er Jahren24 lernte die Kirche zu akzeptieren, dass „sie als gelebte Religion nicht in Konkurrenz- oder Führungskämpfen mit anderen Kulturphänomenen steht, sondern daß sie gerade im Dialog mit solchen Kulturphänomenen wie Fußball an gleichnishafter Sprache gewinnen kann“25. Auch Andreas Merkt konstatiert, dass die antike Arena und das Christentum noch Gegensätze bildeten und der wilde Urfußball ebenso mit der christlichen Lehre unvereinbar gewesen sei. Im heutigen, modernen Fußball sei aber eine grundsätzlich mit dem Christentum versöhnte Form von Arenakultur und Ballspiel entstanden, sowie eine Spielkultur, die in besonderer Weise dem christlichen Menschenbild entspricht.26

Deshalb könnten hier ergänzend zu den genannten Initiativen zahlreiche weitere Projekte und Ausführungen erwähnt werden, die pastorale MitarbeiterInnen vor Ort oder Wissenschaftler initiiert haben. Diese Dissertationsschrift versteht sich deshalb dezidiert als Anknüpfung an das bisherige Engagement in diesem Bereich bzw. an das bisherige Zugehen der Kirche auf den Fußball. Einige weitere Bemühungen werden daher im Laufe dieser Arbeit aufgegriffen, wie zum Beispiel die Herausarbeitung des Heiligen beim Fußball (Matthias Sellmann), die Skizzierung der Gemeinsamkeiten von Sport und Kirche (Sport und christliches Ethos: Schreiben der beiden christlichen Kirche aus dem Jahr 1990) oder die Vorstellung der Stadionkapelle in der Arena Auf Schalke.

Trotz der bereits bestehenden, positiven und vielfältigen Initiativen in diesem Bereich wird hier von der Überzeugung ausgegangen, dass eine stärkere Verbindung von Fußball und Pastoral, wie sie in dieser Arbeit gefordert wird, das bisherige Engagement noch ergänzen und bereichern kann.

3.4 Frauenfußball

Die Begeisterung, die dieser Sport auslöst, ist prinzipiell und wesentlich nicht an ein Geschlecht gebunden. Der Lauf der Geschichte des Sports und die heutige Erscheinungsform zeigen jedoch, dass der Fußball hauptsächlich mit Männern in Verbindung gebracht wird, was diese Arbeit ebenfalls berücksichtigt. Trotzdem wird die Verbindung von Frauen und Fußball immer wieder thematisiert, zum Beispiel bei der Darstellung der emanzipatorischen Kraft des Fußballs. Auch die Haltungs-Impulse des dritten Hauptteils und einige Handlungs-Impulse wenden sich gleichermaßen an Frauen wie an Männer. Denn gerade die Erfolge der Frauen-Nationalmannschaft sowie einiger Teams der Damen-Bundesliga, aber auch die Leidenschaft so vieler Mädchen und junger Frauen, die in den Jugend- und Amateurmannschaften spielen, haben den Frauen-Fußball in Deutschland im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem gesellschaftlich akzeptierten und erfolgreichen Sport gemacht.27

4. Der Aufbau der Arbeit

Unter Bezugnahme auf die bisherigen Ausführungen dieser Einleitung soll mit der Gliederung das Ziel dieser Arbeit, wie es unter 2. beschrieben wurde, erreicht werden. Die ganze Arbeit folgt dem bewährten inhaltlichen Gliederungsschema „Sehen – Urteilen – Handeln“.

Der erste Hauptteil des „Sehens“ nimmt die Fußballwelt unter der Perspektive der Leidenschaft exemplarisch in den Blick. Dabei werden zunächst die Grundlagen der Leidenschaft dargestellt (1.). Zuerst wird die Geschichte des Fußballs als Geschichte der Leidenschaft beschrieben (1.1) und dann wird erläutert, warum die Grundlagen dieser Leidenschaft bereits im Wesen des Spiels selbst angelegt sind (1.2).

Nach der Vergewisserung über die Grundlagen werden Signaturen dieser Leidenschaft exemplarisch erörtert (2.), indem die emanzipatorische (2.1) und die anti-emanzipatorische Kraft des Fußballs (2.2) skizziert werden. Die emanzipatorische, positive Kraft des Fußballs wird einerseits anhand einer literarischen Erzählung (2.1.1.1 Christian Friedrich Delius: Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde) sowie anhand zweier autobiografischer Werke (2.1.1.2 Nick Hornby: Fever Pitch / 2.1.1.3 Klaus Theweleit: Tor zur Welt) verdeutlicht und andererseits anhand beispielhafter Berichte, wie Fans ihre Fußballleidenschaft auf unterschiedlichste Weise leben (2.1.2). Die antiemanzipatorische, negative Kraft des Fußballs soll nicht verschwiegen werden (2.2).

Der zweite Hauptteil des „Urteilens“ verortet die im ersten Hauptteil exemplarisch beschriebene Leidenschaft des Fußballs im Verhältnis von Gesellschaft und Religion bzw. Theologie. Ausgangspunkt dabei ist die These von Jürgen Habermas, Religion müsse ihre Inhalte so übersetzen, dass sie von der heutigen post-säkularen Gesellschaft verstanden werden. Die Suche nach einer pastoral-theologischen Sprachfähigkeit ist damit eröffnet. Das handlungsleitende Interesse bei der Suche nach Antwortmöglichkeiten auf diese Frage wird durch folgende Kernthese bestimmt: Der Theologie und der Kirche ist zu raten, sich umzusehen, wo und wie Spuren von Religiösität in der säkularen Welt außerhalb verfasster Kirchlichkeit bzw. außerhalb unserer pastoralen Bemühungen zu finden sind und hier in säkularer Sprache zum Ausdruck gebracht werden können, sodass es post-säkular geprägte Menschen, auch solche, die nicht religiös-sozialisiert sind, gut verstehen und daraus bereichernde Sinnkonstrukte für ihr Leben ableiten können (1.).

Als Hilfe bei dieser Suche wird zunächst die Theorie religiöser Dispersion herangezogen, die besagt, dass Religion heute in vielfachen Erscheinungsformen auftritt, oft auch außerhalb verfasster Kirchlichkeit. Nach der Diskussion einiger dieser Erscheinungsformen des Religiösen wird auf den Fußballplatz verwiesen, bei dem Spuren des Religiösen zu finden sind (2.).

Da der Fußball den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet, werden die Spuren des Religiösen bei ihm unter 3. ausführlich erarbeitet, indem vier Kennzeichen des Heiligen beim Fußball exemplarisch nachgewiesen werden. Die Leidenschaft spielt bei jedem dieser Kennzeichen eine zentrale Rolle. Anhand der Leidenschaft des Fußballs kann man sehr gut nachvollziehen, wie religiöse Spuren ausgedrückt werden, dass sie von Millionen von Menschen heute verstanden werden. Deshalb eignet sich der Fußball hervorragend dazu, die unter 1. geforderte pastoral-theologische Sprachfähigkeit einzuüben.

Der dritte Hauptteil des „Handelns“ zieht die pastoral-theologischen Konsequenzen aus den ersten beiden Hauptteilen. Dies geschieht anhand von acht Beispielen, die deutlich machen sollen, wie die pastoraltheologische Sprachfähigkeit mittels der Leidenschaft des Fußballs konkret gelernt werden kann. Diese acht Beispiele verstehen sich als Antwortversuche auf die unter 1. skizzierte Habermas’sche Forderung. Sie bestehen jeweils aus einem Impuls, der eine Haltung der Lernbereitschaft seitens der Pastoraltheologie in Bezug auf die beim Fußball zu erlernende pastoraltheologische Sprachfähigkeit beschreibt und einem Handlungs-Impuls, der konkrete pastoral-theologische Sprachversuche vorstellt, die aus dem jeweiligen Haltungs-Impuls erfolgen.

Ein Schlusswort mit perspektivischen Überlegungen unter dem Motto von Josef Herberger „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ rundet die Arbeit ab.

Vgl. Seite „Fußball“, in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 15. Juli 2016, 13:13 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Fu%C3%9Fball&oldid=156164876 (Abgerufen:17. August 2016, 07:50 UTC).

Vgl. Deutscher Fußball Bund, Mitgliederstatistik, in: http://www.dfb.de/verbandsstruktur/mitglieder/ [24.10.2015].

Vgl. Seite „Fußball“ in Wikipedia.

Vgl. Seite „Fußball-Bundesliga 2014/15“, in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 13. August 2016, 16:33 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Fu%C3%9FballBundesliga_2014/15&oldid=154961043 (Abgerufen: 17. August 2016, 08:01 UTC).

Vgl. Seite „Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 2014“, in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 19. Juni 2016, 09:01 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Finale_der_Fu%C3%9Fball-Weltmeisterschaft_2014&oldid=155434012 (Abgerufen: 17. August 2016, 08:07 UTC).

Kapperer, Thorsten, Das Fußballfeld. Ein pastoraler Ort. Zulassungsarbeit im Rahmen der Zweiten Dienstprüfung im Bistum Würzburg (Eingereicht am 6. Januar 2011 am Lehrstuhl für Pastoraltheologie der Universität Würzburg. Betreuer der Arbeit war Dr. Bernhard Spielberg), Würzburg 2011, 5.

Vgl. ebd., 4.

Wolf, Ror, Das nächste Spiel ist immer das schwerste. Frankfurt am Main 2008, 295.

Seite „Bill Shankly“, in: Wikiquote, Die freie Zitatsammlung. Bearbeitungsstand: 9. April 2014, 09:44 UTC. URL: https://de.wikiquote.org/w/index.php?title=Bill_Shankly&oldid=476408 (Abgerufen: 17. August 2016, 08:11 UTC - zitiert nach: Sunday Times vom 4. Oktober 1981).

10 Kapperer, Das Fußballfeld 5-6.

11 Herzog, Markwart, Von der ‚Fußlümmelei‘ zur ‚Kunst am Ball‘. Über die kulturgeschichtliche Karriere des Fußballsports, in: Herzog, Markwart (Hrsg.), Fußball als Kulturphänomen. Kunst - Kult - Kommerz, Stuttgart 2002, 11-43, hier 17-18.

12 All dies könnte man auch für viele weitere Länder dieser Erde behaupten. Der Fokus dieser Arbeit liegt jedoch auf Deutschland.

13 Vgl. den Untertitel von Klaus Theweleits Buch „Tor zur Welt : Fußball als Realitätsmodell“. Vgl. Theweleit, Klaus, Tor zur Welt. Fußball als Realitätsmodell, Köln 2004.

14 Vgl. Merkt, Andreas, Die Arena. Warum Fußball eigentlich ein recht zivilisiertes Spiel ist, in: Merkt, Andreas (Hrsg.), Fußballgott. Elf Einwürfe, Köln 2006, 17-50, hier 50.

15 Ebd., 50.

16 Vgl. Seite „Fußball im Vatikan“, in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 29. Juli 2016, 16:49UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Fu%C3%9Fball_in_der_Vatikanstadt&oldid=156563991 (Abgerufen: 17. August 2016, 08:52 UTC).

17 Vgl. Schaub, Fritz / Grün, Karl, Gott erfahren - Christus bekennen. Kirche begegnet Sport, Würzburg 2009, 10.

18 Sport-Uni Mainz, Erstes Vatikanisches Sportseminar mit deutscher Beteiligung, in: http://www.sport.unimainz.de/mueller/Texte/VatikanSportseminarPresseXI05.pdf [22.12.2015].

19 Schaub, Fritz / Grün, Karl, Gott erfahren 10.

20 Vgl. Seite „Aloisius Scrosoppi“, in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 27. Februar 2016, 20:56 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Aloisius_Scrosoppi&oldid=151979461 (Abgerufen: 17. August 2016, 08:59 UTC).

21 Vgl. Chatzoudis, Georgios, Sonntagspflicht: Kirchgang, Altardienst oder Fußball?. Interview mit Dr. Markwart Herzog über Fußball und Religion, in: http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/content.php?nav_id=4844 [20.03.2014], 3.

22 Vgl. ebd., 2.

23 Vgl. ebd., 3.

24 Vgl. Scheuchenpflug, Peter, Die Fangemeinde. Was die Kirche vom Fußball lernen kann, in: Merkt, Andreas (Hrsg.), Fußballgott. Elf Einwürfe, Köln 2006, 51-65, hier 59-60.

25 Ulrichs, Hans-Georg, Wie der Fußball zur Kirche und die Kirche zum Fußball kam, in: Möller, Christian / Ulrichs, Hans Georg (Hrsg.), Fußball und Kirche - wunderliche Wechselwirkungen [Band 45] (Transparent), Göttingen 1997, 14-18, hier 18.

26 Vgl. Merkt, Die Arena 50 bzw. der gesamte Artikel „Die Arena. Warum Fußball eigentlich ein recht zivilisiertes Spiel ist“, Seite 17-50. Vgl. dazu auch die Ausführungen zur Geschichte des Fußballs in dieser Dissertation.

27 Eine kurzer geschichtlicher Abriss über den Frauenfußball findet sich bei: Bausenwein, Christoph, Geheimnis Fußball. Auf den Spuren eines Phänomens, Göttingen 2006, 323-328. Gleichermaßen ist in den männlichen Formulierungen dieser Arbeit zwecks besserer Lesbarkeit die weibliche Form stets mitgedacht.