Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz
Lebensbilder aus dem Bistum Mainz
Erster Band

LEBENSBILDER AUS DEM BISTUM MAINZ

Band I: Elf Porträts

herausgegeben von
Claus Arnold und Christoph Nebgen

Mit Beiträgen von

Claus Arnold, Thomas Berger, Helmut Hinkel, Burkard Keilmann, Michael Kläger, Christoph Nebgen, Martina Rommel, Uwe Scharfenecker, Francesco Tacchi und Peter Walter

Publikationen Bistum Mainz in Kooperation mit dem Echter Verlag

Mainz · Würzburg 2016

Inhalt

Claus Arnold, Christoph Nebgen

Vorwort

Uwe Scharfenecker

Johann Baptist Lüft (1801–1870)

Bedeutender Gießener Theologe und prägende Gestalt des Darmstädter Katholizismus

Thomas Berger

Adam Franz Lennig (1803–1866)

Ein moderner Organisator einer konservativ ausgerichteten Kirche

Thomas Berger

Kaspar Riffel (1807–1856)

Ein streitbarer Kirchenhistoriker und engagierter Vertreter der katholischen Bewegung in Mainz

Peter Walter

Johann Baptist Heinrich (1816–1891)

Ultramontaner Theologe und Kirchenführer

Helmut Hinkel

Ida Gräfin Hahn-Hahn (1805–1880)

Schriftstellerin, Konvertitin, Klostergründerin

Burkard Keilmann

Nikolaus Reuß (1809–1890)

Pfarrer an St. Martin in Worms - Brückenbauer zwischen Kirche und Kommune

Claus Arnold

Dr. Friedrich Elz (1848–1915)

Germaniker, Gründer des KKV und Dekan in Darmstadt

Francesco Tacchi

Carl Forschner (1853–1918)

Pfarrer zu Sankt Quintin, Diözesanpräses des Verbandes der Männer- und Arbeitervereine

Michael Kläger

Wilhelm Kastell (1879–1958)

Generalvikar und Domdekan

Martina Rommel

Br. Raphael Tijhuis (1913–1981)

Karmelit und Bekenner

Christoph Nebgen

Rektor Ernst Plum (1915–1963)

Priester und Pädagoge

Thomas Berger

Chronologie der Mainzer Bistumsgeschichte im 19. Jahrhundert

Nachweis der Abbildungen

Personenregister

Die Autoren

Vorwort

Die Geschichte eines Bistums ist gewiss auch die Geschichte seiner Bischöfe. Doch erschöpft sie sich natürlich nicht darin. Die neue Reihe der „Lebensbilder aus dem Bistum Mainz“ will nach und nach die Weite und Tiefe christlichen Lebens im Bistum Mainz erschließen, indem sie bewusst auf die Gestalten „in der zweiten Reihe“ blickt, die das Bistum im 19. und 20. Jahrhundert mitgeprägt haben und mit ihren Namen exemplarisch für wichtige Themen stehen. In diesem ersten Band überwiegen dabei deutlich die Theologen und Priester, dazwischen ist mit der Schriftstellerin und Klostergründerin Ida Gräfin Hahn-Hahn wenigstens eine Frau „eingeschmuggelt“. In den folgenden Bänden der Reihe sollen ihr noch viele andere folgen, so etwa die Zentrumspolikerin Elisabeth Hattemer, die Ordensfrau und Lehrerin Hedwig Fritzen CJ oder die Laientheologin Anita Röper. Doch haben ja auch die Theologen und Priester ihr Recht, zumal in einem Band, der Karl Kardinal Lehmann, dem Theologen auf dem Mainzer Bischofsstuhl, zu seinem 80. Geburtstag gewidmet ist. Der Band ist Zeichen des Dankes für seinen Dienst für das Bistum und insbesondere für seine stete Förderung der Erschließung der Diözesangeschichte. Zu dieser hat er ja auch selbst in zahlreichen Veröffentlichungen, Predigten und Nachrufen einen kaum zu überschätzenden Beitrag geleistet.

Da das Bistum Mainz als einzige Gebietskörperschaft bis heute noch die Grenzen des Großherzogtums Hessen(-Darmstadt) nachbildet, sind die Lebensbilder quasi automatisch ein Beitrag zum Rheinhessen-Jubiläum, bei dem es ja neben dem guten Wein auch um die interessante Geschichte dieser Landschaft geht, die 1816 staatlich „hessisch“ und in der Folge auch kirchlich „mainzisch“ Teil des neuen hessendarmstädtischen Landesbistums Mainz wurde. Geographisch erfasst der vorliegende Band entsprechend neben dem unvermeidlichen Mainzer Schwerpunkt auch Worms, Gießen und nicht zuletzt Darmstadt.

Was bietet der Band thematisch? Nichts weniger als einen biographisch-exemplarischen Durchgang durch die Bistumsgeschichte vor allem des langen 19. Jahrhunderts (zu dem Thomas Berger dankenswerterweise auch die Chronologie im Anhang beigesteuert hat), verbunden mit interessanten Schlaglichtern auf das 20. Jahrhundert: Dem früheren Theologieprofessor Karl Lehmann begegnen in diesem Band zunächst drei interessante Kollegen, die für den kirchlich-theologischen Mentalitätswandel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert stehen: zunächst der Liturgiewissenschaftler Johann Baptist Lüft, der noch eher dem irenischen Geist der katholischen Aufklärung verbunden war, dann der Kirchenhistoriker Kaspar Riffel, ein ultramontaner „Heißsporn“, und schließlich der Dogmatiker Johann Baptist Heinrich, der wesentlich zur neuscholastischen Prägung der Mainzer Theologie beigetragen hat. Zusammen mit Domdekan Adam Franz Lennig stehen Riffel und Heinrich auch programmatisch für die strengkirchliche Mobilisierung des Bistums Mainz nach der Revolution von 1848. Sie gehörten zu dem Kreis um Bischof Ketteler, der auch die Konvertitin Ida Gräfin Hahn-Hahn nach Mainz zog. Diese schrieb nicht nur ungemein erfolgreiche Romane für das sich bildende katholische Milieu, sondern steht durch ihre Klostergründung auch stellvertretend für die weiblichen Kongregationen, die seit dem 19. Jahrhundert im sozial-karitativen und erzieherischen Bereich Großes für die Menschen im Bistum geleistet und einen regelrechten „Catholicisme au féminin“ (Claude Langlois) ausgebildet haben.

Die drei folgenden Lebensbilder führen hinein in die pastorale „Mikrohistorie“ der Zeit unter und vor allem nach Bischof Ketteler, die von der Forschung bisher weniger wahrgenommen worden ist. Der Fall des Wormser Pfarrers Nikolaus Reuß zeigt unter anderem, welch prekärer Ausgleich hier konkret vor Ort unter den Bedingungen konfessionell-gesellschaftlicher Polarisierung jeweils neu zu suchen war. Die Pfarrer Friedrich Elz und Carl Forschner sind Musterbeispiele für den Aufbau eines „katholischen Milieus“, der sich während und nach dem Kulturkampf verstärkt vollzog. Elz stand dabei an der Wiege eines katholischen Verbandes von reichsweiter Bedeutung (des KKV), trug aber auch entscheidend zum Ausbau des Darmstädter Katholizismus in neuen katholischen Vereinen, in neuen Pfarreien und nicht zuletzt in dessen römisch-liturgischer Durchformung bei. Carl Forschner benutzte ebenfalls vor allem das Mittel des Vereins zur Intensivierung der Pfarrseelsorge in Mainz, aber auch zum weltanschaulichen Kampf gegen die in seinen Augen atheistische Sozialdemokratie im ganzen Bistum. In diesen drei Lebensbildern entsteht damit eine interessante Binnensicht auf den pastoralen Ausbau des Bistums bis hin zum Ersten Weltkrieg.

Der Schwerpunkt dieses Bandes liegt damit auf dem 19. Jahrhundert, doch auch das 20. Jahrhundert bis hin zum II. Vaticanum wird mit drei Schlaglichtern ausgeleuchtet: Mit dem Lebensbild von Wilhelm Kastell wird zum einen die Geschichte des Darmstädter Katholizismus exemplarisch für die Weimarer Republik und die Zeit des Nationalsozialismus weitergeführt, zum anderen hatte Kastell ab 1945 als Generalvikar von Bischof Stohr besonderen Anteil am mühsamen Wiederaufbau im Bistum. Mit Br. Raphael Tijhuis Ocarm ist ein Ordensmann aus den Niederlanden im Band vertreten, der in Mainz wirkte und sich als Glaubenszeuge in der Zeit der Gewaltherrschaft bewährt hat. Mit dem Priester und Pädagogen Ernst Plum tritt abschließend eine Gestalt vor Augen, die sich in besonderer Weise der Bildungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg angenommen hat.

Die „Lebensbilder aus dem Bistum Mainz“ wollen nicht nur christliche Persönlichkeiten würdigen und die innere Vielfalt der Bistumsgeschichte verdeutlichen, sondern auch übergreifende Themen identifizieren, welche die Einzelbiographien durchziehen und sich für die weitere Forschung anbieten. Neben dem schon angesprochenen Thema der katholischen Mobilisierung und Milieubildung führt hier eine besonders lohnenswerte Fährte nach Frankreich. Die inneren Zusammenhänge und Abhängigkeiten von Entwicklungen im französischen Katholizismus und dem Denken und Agieren prägender Gestalten der Mainzer Bistumsgeschichte ergaben sich nicht nur aus dem Erbe Bischof Colmars und der Ausbildungstätigkeit elsässischer Geistlicher am Mainzer Priesterseminar zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Diesen bestimmenden Einfluss französischer Reformtheologie kann man etwa aus dem Lebensbild Kaspar Riffels deutlich herauslesen. Auch Adam Franz Lennigs Studienaufenthalt in Paris 1824/27 und sein in dieser Zeit geknüpfter unmittelbarer Kontakt zu Hugo Félicité Robert de Lamennais und dem Grafen Charles René Montalembert stehen für derartige innere theologische Zusammenhänge. Darüber hinaus zeigt ein Blick in die vorgestellten Lebensbilder, dass in der Folgezeit weitere französische Initiativen zeitnahe „Übersetzung“ in Mainz fanden, welche beispielsweise die Organisationsform des Katholizismus betrafen: So orientierte sich Ida Hahn-Hahns Mainzer Klostergründung am Beispiel der hl. Maria Euphrasia Pelletier und eines im französischen Kontext entstandenen neuen Ordenscharismas, das strenge weibliche Klausur mit „karitativer Öffnung zur Welt“ (H. Hinkel) kombinierte. Johann Baptist Heinrich übertrug nicht nur die Werke französischsprachiger Autoren wie Victor Auguste Dechamps und Prosper Guéranger ins Deutsche, er „reimportierte“ im Auftrag Bischof Kettelers auch die Ideen zu einem kommunitär gestalteten Leben der Weltpriester, die Bartholomäus Holzhauser Mitte des 16. Jahrhunderts entwickelt hatte und die in Frankreich mittels einer Lebensbeschreibung Holzhausers durch den Generalvikar von Orléans, Jean Pierre Laurent Gaduel, eine Renaissance erlebt hatten. Das „Praktikum“, das Ernst Plum schließlich 1958 in Lyon absolvierte, stand unter ähnlichen Vorzeichen: Inwieweit konnten in Frankreich entwickelte Modelle von an den gesellschaftlichen Wandel angepasster Pastoral und priesterlicher Lebensform (konkret das Phänomen der Arbeiterpriester und die Priestergemeinschaft des Prado) zukünftig gewinnbringend in die Mainzer Verhältnisse überführt werden? Diese theologischen, kulturellen und pastoral-praktischen transnationalen Beziehungen, die sich am Mainzer Beispiel so eindrücklich zeigen, verdienten sicherlich eine eingehendere Betrachtung.

Dass ein Buchprojekt wie die „Lebensbilder“ relativ rasch realisiert werden konnte, ist in erster Linie der prinzipiellen Bereitschaft, dem nimmermüden Engagement und der großen Geduld der beteiligten Autoren geschuldet. Sie stellten ihre Expertise und vor allem ihre Zeit zur Verfügung, um jeweils ein möglichst quellennahes und detailreiches Portait vorzustellen. Ihnen soll in erster Linie der Dank der Herausgeber gelten. Engagiert und interessiert beteiligt waren aber noch zahlreiche weitere Personen: Der für die meisten der in diesem Band vereinigten Aufsätze nötige Einblick in das vorhandene Quellenmaterial wurde durch die Verantwortlichen – genannt seien vor allem der Direktor des Dom- und Diözesanarchivs Dr. Hermann-Josef Braun und seine Mitarbeiter sowie der Generalvikar des Bistums Mainz, Prälat Dietmar Giebelmann – völlig unkompliziert und mit tatkräftiger Unterstützung gewährt. Namentlich ungenannt müssen viele weitere Personen bleiben, die auf die unterschiedlichste Art und Weise dabei halfen, quellenmäßige Hinweise und teilweise noch erhebbare persönliche Erinnerungen an die vorgestellten Menschen zu sammeln. Auch diese Vernetzung ist ein positiver (Neben-)Effekt der „Lebensbilder“. Ute Blankenheim M.A. hat den Band mit großer Akribie Korrektur gelesen. Dass der Leser nunmehr auch ein buchhandwerklich gut gearbeitetes Exemplar in Händen halten darf, ist der aufmerksamen und erfahrenen Arbeit von Dr. Barbara Nichtweiß und Gabriela Hart zu verdanken. Aus dem gelieferten Rohmaterial aus Texten und Bildern ließen sie ein „richtiges Buch“ werden. Der Kooperation mit der Abteilung „Publikationen Bistum Mainz“ ist es auch zu verdanken, dass der erste Band der „Lebensbilder“ zugleich als „Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz“ erscheinen kann.

Ein herzliches Vergelt’s Gott ihnen allen.

Mainz, im Februar 2016

Claus Arnold und Christoph Nebgen

Institut für Mainzer Kirchengeschichte