Lea Herberg

Sebastian Holzbrecher

Herausgeber

Theologie im Kontext
des Ersten Weltkriegs

erfurter theologische schriften

im Auftrag

der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt

herausgegeben

von Josef Römelt und Josef Pilvousek

band 49

Lea Herberg
Sebastian Holzbrecher
Herausgeber

Theologie im Kontext des Ersten Weltkriegs

Aufbrüche und Gefährdungen

echter

Inhalt

DIE KATHOLIKEN UND DER ERSTE WELTKRIEG.

Legitimationen – Argumente – Rechtfertigungen

Dominik Burkard

1914 UND 1917/18. EVANGELISCHE KIRCHE UND THEOLO-GIE IM ERSTEN WELTKRIEG.

Zwischen Rausch und Realität

Peter Cornehl

ERSTER WELTKRIEG UND ORTHODOXE THEOLOGIE.

Renaissance und Neuorientierung im Pariser Exil

Sebastian Rimestad

KRIEG GEGEN DIE GLAUBENSBRÜDER.

Die Nationalisierung der Religion im Spiegel der Theologie

Thomas Ruster

HINGABE UND HELDENTUM.

Liturgische Frömmigkeit und der Erste Weltkrieg bei Odo Casel

Lea Herberg

DER GROSSE KRIEG UND DIE VON LÉON G. DEHON
GEGRÜNDETE KONGREGATION DER
HERZ-JESU-PRIESTER

David Neuhold

KIRCHE AUS DER KRISE.

Die Ekklesiologie Karl Adams als prekäres Modernisierungsphänomen

Christian Stoll

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Vorwort der Herausgeber

Der Bedeutung des Ersten Weltkrieges für die christliche Theologie und ihrem Anteil an der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ widmete sich das Theologische Forschungskolleg der Universität Erfurt im Rahmen einer wissenschaftlichen Tagung 2014 anlässlich des Kriegsbeginns vor 100 Jahren. Selbstvergewisserung, Integrationswille und die Auseinandersetzung wie auch Zugehörigkeit zu einer sich modernisierenden Gesellschaft prägen zahlreiche herausragende Beiträge der Zwischenkriegszeit zur Theologie des 20. Jahrhunderts. In welchem Zusammenhang stehen sie mit dem Ersten Weltkrieg? Wie trugen Theologien und Kirchen zu den kulturellen, die entstehende Demokratie belastenden Begleiterscheinungen des Krieges bei?

Die ersten drei Beiträge des Tagungsbandes eröffnen ein Panorama auf die katholische, evangelische und orthodoxe Theologie im Ersten Weltkrieg. Vier weitere Aufsätze fokussieren darauf, wie sich der Erste Weltkrieg in der katholischen Theologie niederschlug und welche Prämissen die überwiegende Rechtfertigung, ja religiöse Stilisierung des Krieges bedingten. Dabei wird deutlich, wie nah der weiterführende Ertrag einer theologischen Selbstvergewisserung angesichts der Erschütterungen durch den Zusammenbruch der Monarchie und durch den Weltkrieg einerseits und die ideologische Gefährdung der Theologie andererseits bei einander liegen.

Dominik Burkard fragt nach der Haltung der deutschen Katholiken zum Ersten Weltkrieg. Er fokussiert vor allem auf Faktoren katholischer Kriegsbejahung und kann so innerhalb des Katholizismus eine Pluralität von Haltungen zum Ersten Weltkrieg darstellen. – Peter Cornehl nimmt die Zäsur 1917 in ihrer Bedeutung für die evangelische Kirche und Theologie in den Blick. Eine Gruppe aus dem liberalen Lager und aus dem Kreis der Religiösen Sozialisten reagierte auf die im Kriegsverlauf inzwischen eingetretene Ernüchterung durch Einsatz für einen „Verständigungsfrieden“, u.a. in den verbreiteten und für das liberale Spektrum meinungsbildenden Zeitschriften Die Christliche Welt sowie Evangelische Freiheit. – Sebastian Rimestad wendet sich den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die orthodoxe Theologie zu. Hier hatte die Abdankung des Zaren theologische Reformströmungen zunächst ermutigt, bis die russische Revolution schon bald zahlreiche Intellektuelle in die Diaspora trieb. In Paris kam es zur Wiederbelebung einer freien orthodoxen theologischen Tradition, deren verschiedene Facetten Rimestad beleuchtet. – Thomas Ruster fragt, wie die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils über den sensus fidei der Gesamtheit der Gläubigen (LG 12) angesichts des historischen Bestands zu verstehen ist, dass die katholische Kirche Deutschlands sich im Ersten Weltkrieg nicht gegen die Logik des Krieges behauptet hat. Vielmehr hat sie sich, so Ruster in systemtheoretischer Analyse, dem nationalen und militärischen System untergeordnet und war so nicht mehr als Kirche Jesu Christi zu erkennen. Ausgehend von Quellenmaterial aus den Zeitschriften Hochland und Stimmen der Zeit stellt Ruster dar, wie das Zweistockwerks-Modell von Natur und Gnade die theologische Rechtfertigung des Kriegs bedingte und eine fundamentale Kritik am Weltkrieg verunmöglichte. – Lea Herberg zeigt in ihrem Beitrag, wie der Benediktiner Odo Casel den vom Ersten Weltkrieg geprägten Geschlechterdiskurs der Zeit mit seiner Vorstellung einer erneuerten liturgischen Frömmigkeit verband. Mit einem heldischen Männerwie auch Christusbild und einem von Opferbereitschaft geprägten Frauenwie auch Marienbild konstruierte Casel ein Modell von vermeintlich vollkommener Gemeinschaft, welches er mit einer erneuerten Ekklesiologie und einer typologischen Mariologie verknüpfte. Am Beispiel Casels lassen sich die Interdependenz zwischen der Theologie der Liturgischen Bewegung und außertheologischem Denken der Zwischenkriegszeit sowie die Notwendigkeit einer kontextuellen Perspektive auf die Liturgiewissenschaft im frühen 20. Jahrhundert erweisen. – Die Kriegswahrnehmung des französischen Priesters Léon G. Dehon und der von ihm gegründeten Herz-Jesu-Kongregation untersucht David Neuhold auf Basis von dessen „Täglichen Notizen“ aus dem Krieg. Wie viele Katholiken gehen Dehon und andere Mitglieder der Herz-Jesu-Kongregation von einer theologischen Deutung des Krieges als Strafe, Buße und Sühneleistung aus und stehen zugleich unter Druck, den Vorwürfen der patriotischen Illoyalität zu entgehen. Neuhold bezieht die kulturhistorische Frage nach der Wahrnehmung des Krieges hier auf eine übernationale Gemeinschaft, deren Mitglieder auf verschiedenen Seiten am Kriegsgeschehen beteiligt sind, und fragt zugleich nach den Auswirkungen des Krieges auf die Entwicklung der Kongregation. – Christian Stoll wendet sich den Umbrüchen der Zwischenkriegszeit in der katholischen Dogmatik zu und lenkt vom Beispiel Karl Adams aus den Blick auf die Motivlagen der theologischen Erneuerung. Die kritische Würdigung der Ekklesiologie Karl Adams als „prekäres Modernisierungsphänomen“ will zum Aufweis von Ambivalenzen und Gefahren im katholischen Modernisierungsprozess der Zwischenkriegszeit beitragen.

Wir danken den Herausgebern der Erfurter Theologischen Schriften Prof. Dr. Josef Römelt und Prof. Dr. Josef Pilvousek für die Aufnahme in die Reihe. Für die Gewährung von Druckkostenzuschüssen danken wir herzlich dem Bistum Erfurt, dem Katholischen Militärbischofsamt für die Deutsche Bundeswehr sowie der Pax-Bank Erfurt.

Lea Herberg und Sebastian Holzbrecher

Erfurt im Januar 2016