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Veit Neumann (Hg.)   Unruhig ist unser Herz. Was junge Theologen über ihr Studium denken

Veit Neumann (Hg.)

Unruhig
ist unser Herz

Was junge Theologen
über ihr Studium denken

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© 2013 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter-verlag.de

Druck und Bindung: Druckerei Friedrich Pustet, Regensburg

ISBN: 978-3-429-03647-8 (Print)
978-3-429-04731-3 (PDF)
978-3-429-06145-6 (ePub)

Photos: privat

Vorwort

Aus dem Herzen, für den Verstand

Im Laufe mehrerer Monate ist der vorliegende Band entstanden. Spät – die Bearbeitung des Layouts war in vollem Gange – wurde er mit dem Titel, dem Beginn des bekannten Zitats aus den Bekenntnissen des heiligen Augustinus, versehen: „Unruhig ist unser Herz.“ Ursprünglich hatte eine andere Überschrift das Cover bestimmen sollen: „Oh Gott!? Was junge Theologen über ihr Studium denken.“ Diese Ausrufung schien zwar formal stark, inhaltlich aber undeutlich.

Zunächst war auch der Sinn des Buches nur in Umrissen erschienen. Es soll Lust machen, Theologie zu studieren. Aber manch jungem Menschen fehlt es vor allem am Mut, dies zu tun. Wiederholt begegnen mir Personen, die sagen: „Theologie würde mich schon interessieren. Aber ich traue mich nicht.“ Daher soll die Veröffentlichung motivieren, sich ernsthaft zu fragen, ob ein Theologiestudium der eigene Weg ist, und damit verbundene Möglichkeiten aufzeigen. Wie soll das gehen? Die Idee ist, statt die Theologie in deutschen Landen zu kritisieren, lieber die sprechen zu lassen, die das Wagnis vor kurzem eingegangen sind. Sie sind am nächsten dran. Sie wissen am ehesten, was es derzeit bedeutet, diese Herausforderung anzunehmen.

Meist nutzte ich spontan eine Situation, um einen angehenden Theologen mit der Frage anzusprechen, ob er zu dem Band beitragen wolle; einmal zwischen Tür und Angel des Lehrstuhls für Pastoraltheologie * im Adalberttrakt an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), einmal in der U-Bahn-Station „Universität“, einmal gleich nach einer Sitzung der Homiletischen Übungen oberhalb des Dekanats der Katholisch-Theologischen Fakultät oder einmal in der Adalbertstraße 15, München, wo sich Theologen traditionell zum Essen einladen, „da Mario“. Junge Menschen ansprechen mit dem Anliegen, dass sie persönlich gehaltene Überlegungen äußern, bedeutet eine Bitte vortragen, die demjenigen nicht einfach zugerufen werden kann, der dafür ernstlich in Frage kommt. Wer über das Studium der Theologie schreibt, um zu motivieren, sich mit einem Theologiestudium zu beschäftigen, sollte sich nicht hinter Begriffswänden theologischer Traditionen versteckt halten, sondern sich über die eigenen Motivationen, Erfahrungen und Zukunftshoffnungen in rationaler Sprache vernehmen lassen. Die Antworten waren erfreulich optimistisch. Manche Studenten waren aufrichtig dankbar für die Möglichkeit, die eigenen Ansichten zu „Sinn“ oder „Irrsinn“ des Theologiestudiums (siehe S. 59) vorzutragen.

So war ich gespannt, die ersten Texte, gerade eingelaufen, in Augenschein zu nehmen. Es berührte mich, den Ton zu finden, den ich imaginiert, zu dem ich aber nicht aufgefordert hatte, denn zu Ton oder Stil lässt sich wohl nur schwer auffordern, ja: Ton und Stil lassen sich nicht fordern. Der Ton war und ist persönlich, motivierend, kritisch, vorwärtsblickend, Theologie-Chinesisch vermeidend, readable. Die kurzweiligen Ausführungen haben Anspruch und sind vor allem interessant im Sinne des „Das geht mich an – genauso gut aber auch dich!“ Jedenfalls kreisen die Autoren nicht um sich. Vielmehr werfen sie Fragen auf, die junge Menschen betreffen, die ins Auge fassen, einem Studium der Theologie nachzugehen.

Was ist das, wenn nicht Littérature engagée? Dieses sonst eher politisch konnotierte Format kann man auch in der Theologie hervorbringen, und das, ohne in einen fortschrittsgeprägten Übereifer zu verfallen, den nicht wenige theologische Texte der 1970er Jahre atmen. Stattdessen geben die Autoren, die für die Zukunft der katholischen Theologie stehen, Schlüssel zur Antwort auf die Frage, ob das Theologiestudium sinnvoll und ratsam ist. Der Entwicklung ihrer Gedanken zu folgen, ist von Gewinn, denn sie schreiben mutig, nicht überschwenglich, überlegt, nicht entfesselt, mit Bedacht und doch die Weite suchend. Eigenständig sind die Texte und frei. Nachahmungstäter des Vorgegebenen, schlichte Reproduzenten des stets kritikbedürftigen Hauptbetriebs der Theologie finden sich darunter nicht. Davongaloppiert ist keiner, weder in inhaltlicher Hinsicht noch in formaler. Bedächtiger Betulichkeit verfallen ist ebenfalls niemand, wenn auch die Taktung der Argumentation und die innere Raschheit und Gewandtheit bei der Textentwicklung von Beitrag zu Beitrag erheblich variieren. Umso besser: Auch die verschiedenen Geschwindigkeiten tragen zur Attraktivität der Aufsatzsammlung bei.

Um den Abwechslungsreichtum durch die Entfaltung eigener Gedanken zu befördern, waren die Vorgaben an die Autoren denkbar knapp in wenige Sätze gefasst. Sie lauteten: Was war meine Motivation, das Studium der Theologie aufzunehmen? Wie hat sich das Studium konkret entwickelt? Wie möchte ich damit meine Zukunft gestalten? Angeregt wurde, geistliche Aspekte einzubringen, wenn auch behutsam. Eigentliche Zeugnisse zugunsten des katholischen Glaubens waren nicht gefragt. Vielmehr geht es ja bei allem intendierten Mutmachen um eine kritisch-rationale Auseinandersetzung mit der Frage: Warum heute noch Theologie studieren? Was die Struktur der Texte betrifft, so wurden ebenfalls keine Vorgaben gemacht. Somit war das Projekt auf dem Weg. In der folgenden Zeit der geistigen Inkubation habe ich mehrfach erfahren, dass Autoren mit ihren Gedanken wahrhaft ringen. Wie anders? Das ist Theologie, und gerade beim Blick auf die Erfahrungen mit der Königin der Wissenschaften ist ein solches Ringen unverzichtbar. Texte sind häufig zärtliche, authentische Gebilde, denen mit Respekt und Zurückhaltung zu begegnen ist. Stets galt allerdings mein Angebot, bei inhaltlichen wie formalen Fragen beratend zur Seite zu stehen. Interessante Erfahrung: Kein einziges Mal wurde dieses Angebot wirklich in Anspruch genommen. Zwei oder drei Entwürfe erhielt ich prophylaktisch zugesandt. Es dauerte nicht lange, bis ich erkannte, dass diese Beiträge, ausgereift wie sie waren, längst in sich ruhten. Schwer war es nicht, die Autoren davon zu überzeugen. Im Grunde genommen wussten sie es selbst.

Die Texte sind hauptsächlich in den Wochen vor und nach dem Jahreswechsel von 2012 auf 2013 entstanden. Per Mail sind sie dann eingelaufen. Jeder Text ist in seinen Einzelheiten geblieben. Ich wollte die wertvollen Gedanken nicht mit fremden Schichten überlagern. Gelegentlich habe ich ein Komma eingefügt oder eines entfernt, kleine grammatikalische Unklarheiten geglättet, nichts weiter. So sind denn die Gedanken echt und unverfälscht. Alle erhielten diese Version zugesandt, versehen bereits mit den kurzen Einführungen, Zitaten und Charakterisierungen, die den Einstieg in den Textkorpus erleichtern. Die Beiträge sind unterschiedlich gegliedert und auch die Überschriften sind verschiedenen Stils. Bei der Darstellung ihrer Überzeugungen bedienten sich die Nachwuchstheologen diverser Gattungen. Einer der Texte wurde als Interview gestaltet, das als solches tatsächlich hätte stattfinden können. Versammelt sind Erörterungen, eine Art Schriftsatz, nüchterne Abhandlungen, die auf den Kern zielen der Sache selbst, und bunte Schilderungen, beinahe eine Kurzgeschichte und vielerorts immer wieder biographisch geprägte Strecken.

Wer aber sind die Autoren? Die Auswahl war keine rational durchgeplante oder gar durchgesetzte Aktion. Sie vollzog sich vor allem anhand der Intuition, wer etwas mitzuteilen haben könnte. Hier lassen sich mit einigem Recht künftige Entwicklungen in der deutschsprachigen Theologie erahnen. Zehn der vierzehn Beiträge haben Studentinnen bzw. Absolventinnen, allesamt junge Theologinnen, verfasst. Womöglich wird die Theologie derzeit verstärkt das, was sie ohnehin schon dem grammatikalischen Geschlecht nach ist: weiblich. Immerhin war es sinnreich, aufgrund der inneren Raison d’être der „Gottesgelahrtheit“ bei der Autorensuche darauf bedacht zu sein, junge Männer in den Blick zu nehmen, die das Ziel des katholischen Priestertums vor Augen haben. Mehrere der Autorinnen und Autoren sind Mitglieder geistlicher Gemeinschaften oder stehen ihnen nahe. Mir war das recht. Einem Ordensmann oder einer Ordensfrau bin ich nicht begegnet. Im Sinne der Authentizität des Gesamtbildes nahm ich davon Abstand, eine Suche nach ihnen zu veranstalten. Ich wollte die Unverfälschtheit sicherstellen. Weder konnte noch wollte ich das Personentableau machen.

Alle Autoren stehen kurz vor dem oder mitten im Berufsstart und sind in einer vergleichbaren Position. Die Befürchtung, die Texte könnten sich zu sehr ähneln, war unbegründet. Bei der durchaus wünschenswerten Vergleichbarkeit der Inhalte aufgrund derselben Fragestellungen zeichnen sich unterschiedliche Charaktere ab. Zur Unterschiedenheit trägt bei, dass die Autorinnen und Autoren an fünf Stätten theologischen Studiums ihre Prägung erhalten haben: München, Eichstätt, Regensburg, St. Pölten und Wien. Potenziert wird diese Vielfalt dadurch, dass nicht wenige der Schreiber ein oder zwei Freisemester *, etwa in Rom oder Luzern, eingelegt haben. Potenziert nochmals dadurch, dass ihre Berufsziele variieren. Von der Religionslehrerin geht das Spektrum über die Journalistin und den sich forschend vertiefenden Theologen, weiter über die Pastoralreferentin * bis hin zum Priester, der in einer Diözese beheimatet sein oder in einer geistlichen Gemeinschaft leben wird. Potenziert, und damit ist die Aufzählung an ein Ende gekommen, durch die vor allem pastoralen Praktika. Mit zunehmendem Abschied von München, der sich in den Monaten seit dem Sommer 2012 abgezeichnet hatte, reifte in mir die Einsicht, dass ich als Mitglied des akademischen Mittelbaus bei allem Kontakt durch die Predigtausbildung wenig aus der Welt der Studenten, von ihren Einschätzungen der Theologie, erfahren habe. An der Theologischen Fakultät der Jesuiten-Universität Javeriana in Bogotá erlebte ich während meiner eigenen Studien ein enges Miteinander von Studenten und Professoren. Wir duzten die Professoren und sie uns, und durchaus respektvoll nannten wir uns beim Vornamen. In Deutschlands akademisch-theologischem Betrieb herrscht dagegen die altväterlich-humboldtsche Tradition einer formalen Distanz zwischen den geistigen Bewohnern einer Fakultät. Ich schätze den gegenseitigen Respekt, der sich in beiden Formen – beim Du oder beim Sie – gleichermaßen zu artikulieren vermag. Und im Sinne dieses Respekts war es wünschenswert, dass sich die Autoren auf eigene Faust auf den Weg machten, ihre Einsichten der vergangenen Jahre vorzustellen. Allerdings ist es mir um die Sprachfähigkeit der nachwachsenden Theologengeneration zu tun, die in den Beiträgen zu Wort kommt. Ihre Zahl hat in den vergangenen 15 Jahren erheblich abgenommen, ihre Beziehung zum Kern des katholischen Glaubens aber, wie es scheint, an Intensität gewonnen. Diese junge Generation wird die Verkündigung der Kirche in den kommenden Jahrzehnten prägen.

Gibt es Gemeinsamkeiten in den Beiträgen? Der klassische katholische Bildungsweg, die Jugendarbeit, das Dasein als Ministrant, die katholische Sozialisation tauchen leitmotivisch auf, wenn auch in verschiedenen Abschattungen. Die Aufsätze, teilweise auch essayartigen Schriften vereint Gemeinsames auf einer weiteren Ebene. Alle sind sie Verwirklichungen der Aufgabe, von der rationalen Durchdringung des Glaubens und dadurch von diesem Glauben ansprechend zu sprechen. Alle Verknappung, Zuspitzung und Polarisierung auf zwei oder auf eine einzige Position fehlen darin. Die dabei zu erfahrenden Blicke sind optimistisch und der Zukunft zugewandt. Auf einer weiteren Ebene fällt bei allen eine kreative Unruhe auf, die ihren Optimismus vor Oberflächlichkeit bewahrt. „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ Wiederholt haben mich E-Mails von Studenten erreicht, an deren Ende dieser Satz des Augustinus von Hippo vermerkt war. In den folgenden Beiträgen ist an keiner Stelle die Rede davon. So hat es sich angeboten, den ersten Teil des Diktums des großen Theologen als Haupttitel des Buches einzusetzen. Denn die kreativ-suchende Unruhe ihrer Herzen verbindet die Anliegen aller Autorinnen und Autoren miteinander und verschmilzt sie zu einem. Das Versehensein mit dem Titel aus den „Bekenntnissen“ macht ihre Texte ein wenig mehr zu Zeugnissen, allerdings ohne dass dies die rational-kritische Beschaffenheit der Reflexionen ernstlich in Frage stellen würde.

Bemerkenswert ist es schon, dass junge Theologinnen und Theologen bereit sind, ihre zentralen Überlegungen zur Theologie vor einer breiten und anonymen Öffentlichkeit darzulegen. Was ihnen künftig als Theologen alles widerfahren mag? Längst haben sie weitere Wege beschritten. Vielleicht würden sie einige ihrer Gedanken heute schon anders formulieren. Wir wissen es nicht. Zu danken ist ihnen auf alle Fälle für die Beschreibung ihrer Erfahrungen mit der Theologie, zu danken ist Robert Willmann, auch Absolvent der Münchner katholischen Theologie, der die Königin der Wissenschaften in Cartoons aufblitzen lässt. Zu danken ist auch Weihbischof Florian Wörner, Augsburg, für seine Überlegungen zur Einordnung des Themas im Nachwort, den Sponsoren, darunter Kardinal Reinhard Marx, München, Direktor Gerhard Pöpperl, Diözesanstelle für Berufungspastoral Regensburg, der Felix-Porsch-Johannes-Denk-Stiftung sowie Herrn Dr. Bernhard Stähler, Münster, und weiteren, ohne deren Druckkostenzuschüsse der Band nicht hätte erscheinen können, sowie Herrn Heribert Handwerk, Lektor im Echter Verlag Würzburg, und Herrn Geschäftsführer Thomas Häußner, ebenfalls Echter Verlag, die das Projekt gerne mitgetragen haben. Die Publikation soll auch ein Dankeschön an die Münchner Fakultät sein, an der ich tätig war, als wichtige Fragen und Gedanken zum Thema reiften. Vor allem ist sie ein herzlicher Dank an Prof. Andreas Wollbold, der mir an der genannten Fakultät in mehr als einem halben Jahrzehnt wertvolle Einblicke in die katholische Theologie vermittelt hat.

Pfingsten 2013

Veit Neumann

                  Inhalt

 

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Constanze Bär

 

München

Theologie ist kein Fach, das man nur für sich selbst studiert

 

Die quirlig Engagierte, die den klaren Blick behält

Philipp Werner

 

München

Den suchen, von dem ich meine, dass er mich gerufen hat

 

Der Jurist, der es wissen will und daher nach mehr strebt

Regina Maria Frey

 

München

Mein Abenteuer mit Gott ist mit dem Ende des Studiums nicht zu Ende

 

Die Journalistin, die die Hoffnung in Worte gießt

Magdalena Kittl

 

München

Sinn- und Glaubensfragen sind für viele von entscheidender Bedeutung

 

Die Seelsorgerin, die die Kunst des Zuhörens mit dem Herzen übt

Anna Röckert

 

Regensburg

Mit Gott sprechen, um über Gott sprechen zu können

 

Die Lehrerin, die den Glauben lebt und aufrichtig glaubt

Melanie Dittrich

 

Wien

Die Seele im Fegefeuer wie ein Grillhenderl im Backofen?

 

Die Offene, die nach der Verwertbarkeit der Theologie in der Pfarre fragt

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Gabriel Raum

 

München

Kontroversen haben mehr als nur ihre Daseinsberechtigung

 

Der kritisch Überzeugte, der den Glauben weiter erforschen möchte

Theodora Boruszczak

 

Eichstätt

Festigung im Glauben als menschlicher Fortschritt

 

Die Optimistin, die für die praktischen Seiten der Theologie aufgeschlossen ist

Robert Willmann

 

München

KLERiKART Cartoons

Felix Geyer

 

München

Bei aller Methodik hat das Studium einen stark personalisierten Zugang

 

Der Selbstbildner, der Anspruch und Ziel an Gott ausrichtet

Verena Kopp

 

St. Pölten

Auch wenn es nicht immer einfach ist, gibt es jemanden, der einen trägt

 

Die Glückliche, die in der Theologie ihren Weg gefunden hat

Elisabeth Lorenz

 

Regensburg

Theologie nimmt den ganzen Menschen in den Blick

 

Die Aufgeschlossene, die andere mit rationalen Mitteln überzeugen möchte

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Maria Nußrainer

 

München

Durch das Studium wird der Glaube ein reflektiertes Wagnis

 

Die Einfühlsame, die stets neue Wege zum liebenden Leben entdeckt

Raoul Rossmy

 

München

Auf den jugendlichen Turnschuhen stand „Ich bin Christ – und du?“

 

Der Künstler, der immer Theologe bleiben wird

Judith Fröhlich

 

München

Mich fasziniert der Gedanke, Teil einer neuen Evangelisierung zu sein

 

Die vertrauend Wagende, die von der Theologie existentiell berührt wird

Weihbischof
Florian Wörner

 

Augsburg

Nachwort

Register
theologischer
Begriffe

Die im Text mit * gekennzeichneten Begriffe werden im Register ab Seite 175 erläutert. Erklärungen, die die Autoren von sich aus in ihren Text eingefügt haben, sind dort verblieben.

Studienmöglichkeiten

 
Wenn Theologie, dann wo?

• München

• St. Pölten

• Eichstätt

• Regensburg

• Wien

• Kontakt zu katholisch-theologischen Ausbildungsstätten in Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz

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Theologie ist kein Fach, das man nur für sich selbst studiert

Die quirlig Engagierte, die den klaren Blick behält

Constanze Bär verbindet ihren Optimismus mit einem durchaus realistischen Blick. Die Umsetzung der christlichen Werte in der Gesellschaft hat sie schon während ihrer Schulzeit beschäftigt, in der Ministrantenarbeit der Pfarrei * lernte sie früh, Verantwortung zu übernehmen. Nun ist sie am Ende ihres Studiums der Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München angekommen: ausgestattet mit dem Staatsexamen Deutsch und Katholische Religionslehre fürs Gymnasium und dem theologischen Diplom. Sie blickt optimistisch – und realistisch – in die Zukunft.

Eine Entscheidung fürs Leben

Umwege sind wichtig, du lernst dabei die Landschaft kennen“1 Dieses Zitat sei vorausgeschickt. „Theologie? – Bist du verrückt? Wieso sollte ich ausgerechnet Theologie studieren? Ich will doch etwas für andere Menschen machen!“ So oder ähnlich hätte ich geantwortet, wenn mir jemand in den letzten Schuljahren vorgeschlagen hätte, Theologie zu studieren. Seit ich mir ernsthaft darüber Gedanken gemacht habe, welchen Beruf ich ergreifen möchte, war es immer mein Wunsch, „etwas Sinnvolles für andere Menschen zu machen, Menschen zu helfen“. Was liegt da näher, als Ärztin zu werden? In meinen Augen der perfekte Beruf, um diesem Wunsch nachzukommen. Ein Arzt kann genau sehen, was er macht, es ist sinnvoll und er hilft anderen Menschen. Der perfekte Beruf also, um meine Vorstellungen umzusetzen.

So schwer ist es doch gar nicht, einen Beruf zu wählen und das entsprechende Studium zu beginnen, dachte ich oft, wenn meine Mitschüler noch ratlos waren, was aus ihnen werden sollte. Von wegen…

Nach meinem Abitur im Sommer 2007 fiel ich mental in ein schwarzes Loch und zum ersten Mal in meinem Leben begann ich das Leben, den Sinn meines Lebens und die Existenz des einzelnen Individuums richtig intensiv zu hinterfragen. Ich ging sehr gerne in die Schule, habe mich dort wohlgefühlt und mich viel engagiert. Trotzdem hatte ich mir in der Oberstufe, verbunden mit der magischen Zahl 18 und dem Erwachsenwerden, oft gewünscht, endlich selbst über mein Leben entscheiden zu können, in der großen Freiheit wählen zu dürfen, was ich am besten finde, und meinem eigenen Leben die Richtung zu geben, die ich mir vorstelle.

Als es soweit war, stellte sich die ganze Berufs- und Lebensfindungsangelegenheit als nicht nur nicht einfach heraus, sondern sogar als eine große Herausforderung. Mir wurde auf einmal bewusst, dass ich mit der Entscheidung, was ich studieren werde, den Grundstein für einen großen und wichtigen Teil meines Lebens legen würde. Die Angst wuchs, falsch zu entscheiden und mein Leben lang unglücklich zu sein; bedeutete doch die Entscheidung für den einen Studiengang die Entscheidung gegen hundert andere.

Mit den existentiellen Fragen war auch das Problem verbunden, dass ich mir nicht mehr sicher war, ob ich tatsächlich Medizin studieren wollte. Ganz praktische Probleme kamen in diesem zunächst wunderbaren Sommer des Abiturs hinzu: frisch verliebt und hochengagiert in meiner Pfarrei und Umgebung, wollte ich nicht gerne von meiner vertrauten Heimat fort, und das stellt ein Problem dar, wenn man einen der begehrten Studienplätze für Medizin ergattern will. Letztendlich nahm mir die ZVS2 die Entscheidung ab, als sie mir den Zulassungsbescheid für das Studium der Humanmedizin an der Universität Ulm schickte. Ohne langes Nachdenken hatte ich mich im Sommer für einen Studienplatz in Medizin beworben, wohl unterbewusst damit rechnend, dass es in München schon klappen würde, und um nicht im Oktober ohne Studienplatz dazustehen.

Voller Zweifel, Nachdenklichkeit und im Gefühl des Unglücklichseins packte ich meine Sachen und zog nach Ulm, wo ich schnell viele nette Menschen kennenlernte, mich aber mit dem Medizinstudium nicht anfreunden konnte. Allerdings gab mir die Zeit dort die Möglichkeit, über mein Leben und alle Fragen drumherum nachzudenken.

Im Laufe des ersten Semesters wurde mir immer klarer, dass ich mit diesem Studium und Berufsziel nicht glücklich bin und es auch nicht werde, vor allem weil ich das Gefühl hatte, meine Fähigkeiten und Begabungen nicht richtig einzusetzen, sie zu verschwenden. Schon in der Schule waren meine besten Fächer Sprachen und Sozial-Kulturelles; Mathematik und Biologie haben eher nicht dazugehört. Bescheuert, dass man anfängt, Medizin zu studieren, wenn man Biologie nicht mag? Ja, im Grunde schon, aber ich dachte, wenn ich einen Beruf wirklich ergreifen will, dann schaffe ich jedes noch so steinige, schwierige und manchmal auch zähe Studium. Aber ganz so einfach ist es nicht, wie sich herausgestellt hat.

Gut, Medizin schon mal nicht, aber was sollte ich dann machen? Einfach nichts tun, Praktika machen, jobben oder abwarten, bis mir etwas gefällt, wollte ich nicht. Mein Wunsch, für andere Menschen etwas zu machen, bestand nach wie vor. Nur wusste ich nicht so genau wie bzw. fand es auch zu einfach, als Lehrer in die Schule zu gehen, in der ich mich selbst lange Zeit wohlgefühlt hatte. Psychologie war in meinen Augen zu nahe an der Medizin und anderen Naturwissenschaften. Für Soziale Arbeit konnte ich mich auch nicht begeistern, weil ich mein sehr gutes Abitur und mein großes Interesse an theoretischen und praktischen Fragen gerne nutzen wollte, um an einer Universität zu studieren. Außerdem fing ich auch an, die Berufsfindung etwas realistischer zu sehen: Ein Hauptziel eines Berufes ist, damit Geld verdienen zu können, um sich selbst und eventuell auch eine Familie ernähren zu können. Das ist beispielswiese für Sozialarbeiter in unserer Gesellschaft oft nur schwer möglich.

Nach langem Grübeln, vielen guten Gesprächen, diversen Berufstests, Internetrecherchen und dem Gefühl, langsam verrückt zu werden, wenn ich keine Entscheidung treffe, begann ich zu überlegen, ob ich nicht mein Hobby zum Beruf machen kann. Ich habe die klassische Pfarreikarriere hinter mir: Ministrantin, Oberministrantin, Gruppenleiterin, Pfarrjugendleiterin, Mitglied der Jugend(leiter)runde. In der Jugendarbeit habe ich mich, genauso wie in meinem Amt als Klassen- oder Schülersprecherin, stets wohlgefühlt. Es war für mich selbstverständlich, dass das, wofür ich mich einsetze, Sinn hat. Ich habe oft das Feedback bekommen, dass ich sowohl ein gutes Organisationstalent als auch soziales Einfühlungsvermögen und eine hohe Einsatzbereitschaft für andere mitbringe.

Sehr gut, aber welche Berufschancen hat man als Frau in der katholischen Kirche bzw. welche Berufsmöglichkeiten gibt es überhaupt? Da wir seit einiger Zeit eine Gemeindeassistentin * hatten, war mir dieses Berufsbild bekannt, und ich rief sie an und erzählte von meinen Überlegungen. Nachdem sie mich gut kannte und auch wusste, dass ich ein recht gutes Abitur hatte, meinte sie, „dann studiere doch gleich ganz Theologie und werde Pastoralreferentin“. Das ist ein volles Unistudium und besser bezahlt wird man auch. Gesagt, getan!

Facettenreich, vielfältig, zäh, genial, anstrengend, interessant…

Wie jedes andere Studium auch ist das Theologiestudium eine vielfältige Angelegenheit. Angefangen mit den ersten Semestern, in denen man sich in so manche langweilige Grundlagenvorlesung quälen muss, weil nicht so ganz klar ist, wofür man das „unnütze Wissen“, das in dieser Veranstaltung gelehrt wird, später einmal braucht. In anderen Veranstaltungen legen die Professoren hingegen ein unglaubliches Tempo im Reden und Durchklicken der Powerpointfolien vor, sodass es selbst schnellen Schreibern und Denkern nicht möglich ist, dem Inhalt zu folgen. Das erste Referat an der Uni, die nervigen Griechischtests – wieso muss man eine Sprache lernen, die keiner mehr spricht? – und allgemeine Probleme im ersten Semester: die Nahrungsmittelaufnahme in der Mensa, die recht gewöhnungsbedürftig erscheint, der Versuch, neue Freunde und Gleichgesinnte zu treffen, sich irgendwie auf dem riesigen Unicampus zurechtzufinden, Räume suchen, die Bibliothek kennenlernen, erste Kopiererfahrungen…

Doch schon im zweiten Semester wurde alles einfacher, die Uni wurde Alltag des eigenen Lebens, ich fand mich besser zurecht. Gleichzeitig mit dem Diplomstudiengang Theologie begann ich auch noch das Lehramtsstudium für das Gymnasium mit den Fächern Deutsch und Katholische Religionslehre, um mir mehrere Berufsoptionen zu schaffen und mich nicht schon mit 20 Jahren festlegen zu müssen, ob ich wirklich in der Kirche oder doch lieber beim Staat arbeiten will. Durch das Doppelstudium hatte ich endlich auch das Gefühl, mich nicht nur gegen viele andere Optionen, sondern vor allem für zwei Berufsfelder zu entscheiden, in denen ich mir sehr gut vorstellen kann, selbst zu arbeiten und mich dort wohlzufühlen.

Spätestens seit dem zähen Vordiplom * macht die Uni wirklich Spaß, besonders meine Lieblingsfächer in der Theologie. Auf einmal sind Zusammenhänge erkennbar, einzelne Details aus verschiedenen Fächern fügen sich wie Puzzleteile ineinander. Es ist plötzlich logisch, warum es Sinn hat, zunächst Kirchengeschichte * und Philosophie zu lernen: Erstens geben sie einen Überblick über theologisches Denken und die Entwicklung unseres Glaubens. Zweitens vermitteln sie Basiswissen, das einem wieder begegnet und hilft, komplexe Zusammenhänge sowie konkrete Details zu verstehen. Allerdings kristallisieren sich auch im facettenreichen Hauptstudium Lieblingsfächer und eher anstrengendere Fachteile heraus. Meine Lieblingsfächer sind bzw. waren Fundamentaltheologie * („Funda“), Liturgiewissenschaft *, Sozialethik *, Exegese * und Religionsdidaktik * sowie Pastoraltheologie.

Funda ist einfach genial. Den Versuch, den Glauben logisch erklärbar bzw. deutlich zu machen, dass man kein Spinner ist, wenn man glaubt, und dass es genauso wahrscheinlich ist, dass es Gott gibt wie dass es ihn nicht gibt, fand ich super. Anfangs war ich ein bisschen erschrocken, weil man in Funda erst einmal verarbeiten muss, dass viele Glaubensinhalte und -erklärungen, die man sich sicherlich teilweise noch aus dem Kinderglauben heraus überlegt hat, zunächst als falsche Annahmen wie Scherben zusammenfallen. Doch dann kann man neu anfangen, sowohl wissenschaftlich als auch persönlich-spirituell * die Glaubensgrundlagen zu legen, sodass sie auch im 21. Jahrhundert nicht unsinnig oder veraltet erscheinen.

Auch Liturgiewissenschaft begeistert mich, weil ich mich als Ministrantin in der Liturgie * zu Hause fühle und nun mein lückenhaftes Wissen mit Fachbegriffen und historischen Entwicklungen auffüllen konnte. Deshalb habe ich mich auch entschieden, meine Diplomarbeit * in diesem Fach zu schreiben, mit unmittelbarem Bezug zu meiner Heimatgemeinde St. Nikolaus Neuried.3 Außerdem ist Liturgie einerseits ein sehr wichtiges Fach, wenn man später in einer Pfarrei arbeiten möchte, und andererseits ist es der Bereich, der in unserer heutigen Gesellschaft bei vielen Menschen noch eine große Rolle spielt, auch wenn sie sonst nicht mehr regelmäßig in die Kirche gehen. Aber für die Spendung der Sakramente *, besonders für Trauungen und Taufen, sind die liturgischen Abhandlungen und Rituale wichtige Elemente, auf die gerne zurückgegriffen wird.

Sozialethik fand ich von Anfang an interessant und spannend. Die Umsetzung unserer christlichen Werte in der heutigen Welt und Gesellschaft hat mich schon während meiner Schulzeit beschäftigt. Jetzt lernte ich Argumentationslinien, Ansatzpunkte und Projekte kennen. Die Exegese des Alten und Neuen Testaments (AT, NT) war sehr vom Professor und vom Thema der jeweiligen Vorlesung abhängig. Die beste Vorlesung in NT-Exegese habe ich jetzt in meinem Auslandssemester * über die Paulusbriefe * gehört. Exegese ist der Versuch, mit verschiedenen Methoden * (biblische) Texte zu zerlegen und zu interpretieren, die tieferen Botschaften herauszufinden, Details genauer anzuschauen, herauszufiltern, wie und warum der Text entstanden ist etc. Das kann sehr spannend sein und mir ist dabei bewusst geworden, dass auch die Bibeltexte immer in einem ganz bestimmten Kontext, in besonderen Situationen und mit einer bestimmten Absicht für die Menschen geschrieben wurden.

Die Frage, warum man Latein, Griechisch bzw. Hebräisch lernen muss,4 klärt sich schnell, wenn man in den Exegese-Vorlesungen sitzt und anfängt, die Originaltexte von vorne bis hinten zu zerlegen. Häufig stellt man dabei fest, dass die Einheitsübersetzung nicht fehlerfrei ist und gängige Annahmen wie etwa, dass Eva einen Apfel gegessen hat, schlichtweg falsch sind, weil es sich im Originaltext lediglich um eine Frucht handelt, wie uns unser AT-Professor jede zweite Woche erklärte.

Pastoraltheologie ist vielfältig, umfasst sowohl Homiletik * (Predigtlehre) als auch die verschiedenen Arten von Seelsorge *. Allerdings zeigt sich hier häufig, wie konservativ oder liberal diejenigen sind, die sich am Gespräch der Vorlesung beteiligen, wenn es um die Frage von Laienmitarbeitern *, Ordinierten * und deren Verhältnis zueinander geht. Kirchenrecht * hat etwas Logisches, es ist ein bisschen wie Mathematik, auch wenn es mir manchmal etwas kleinlich erscheint. In Moraltheologie werden häufig eigene ethische Werte und Weltanschauungen mit fachlichen Argumenten unterfüttert und ein Bezug zur Bibel hergestellt. In meinem Auslandssemester habe ich erlebt, wie breit dieses Fach angelegt ist, da es keineswegs nur über Sexualmoral, Sterbehilfe oder Abtreibung handelt, sondern auch über Umwelt- und Tierethik, und die Frage nach neuen Technologien einschließt. Als Lehrämtlerin bin ich ein Fan von Religionspädagogik und -didaktik, die ich auch schon in zwei Schulpraktika5 umsetzen durfte. Dogmatik * erschließt sich mir nach wie vor noch nicht ganz, was aber auch daran liegen kann, dass meine von Rationalität geprägten Gedanken sich häufig mit den auf dem Glauben basierenden Argumenten schwertun. Hochinteressant waren die Vorlesungen über die Schaffung der Welt, die Existenz des Menschen, die Frage nach dem freien Willen und dem Zufall sowie das Theodizeeproblem * (die Frage, warum es Leid in der Welt gibt, wenn wir an einen allmächtigen und liebenden Gott glauben – es gibt dafür keine Lösung, aber gute Erklärungsmodelle, die man im Lauf des Studiums lernt).

Auch wenn vieles an der Uni anders ist als in der Schule, beispielsweise die große Freiheit, die man genießt, zu entscheiden, ob man in eine Veranstaltung geht oder nicht, welche Kurse man in welchem Semester besucht,6 ist der Lernstoff und der Grad des Interesses, das man dafür aufbringt, unmittelbar mit der Person des Professors und der Art des Vortrags verknüpft. Mit einer genialen Powerpoint-Präsentation und einem guten, freien Vortrag von einem motivierten Professor – im besten Fall ist sogar noch ein Skript vorhanden oder das Material wurde rechtzeitig im Internet hochgeladen – kann schnell ein scheinbar zähes Fach spannend und interessant werden, in das es Spaß macht zu gehen, dem Stoff zu folgen, Gedankengänge nachzuvollziehen und für die Prüfung zu lernen. Wenn hingegen nur abgelesen wird, die Technik nie funktioniert, kein Material im Internet vorhanden ist, dann hat man wenig Lust, sich mit dem Fach zu beschäftigen, weil schon die Beschaffung der Lernmaterialien sich als aufwendig und schwierig erweist. Da aber alle Fächer in der Theologie Aufmerksamkeit verdienen, ist es gut und empfehlenswert, ein Freisemester oder Auslandssemester * an einer anderen Uni zu machen.

Mijn semester aan de Katholieke Universiteit Leuven in België7

Gegründet 1914 von den Jesuiten und heute eine der besten Unis in Europa, bietet die Katholische Universität Leuven (KU) vielen internationalen Studenten die Möglichkeit, dort auf Englisch oder Niederländisch zu studieren. Dieses Angebot wird von jungen und alten, europäischen, asiatischen, afrikanischen, amerikanischen und australischen, weiblichen und männlichen Studenten, Laien und Ordinierten genutzt. Es macht Spaß, mit Menschen aus vielen verschiedenen Nationen der ganzen Welt in Kurse zu gehen, sich dort interaktiv auszutauschen und den guten Ruf der ältesten belgischen Universität zu genießen, der sich auch in der Internationalität und Qualität der Professoren niederschlägt. Eindrucksvoll war für mich das Fach Pastoraltheologie, das hier in Leuven eine besondere praktische Verknüpfung bekam. Wir machten eine Exkursion in die Seelsorgeabteilung des Krankenhauses, hörten den Gastvortrag eines Gefängnisseelsorgers und mussten selbst ein Interview führen mit jemandem, der in einem bestimmten pastoralen Bereich bzw. in der Seelsorge in Belgien arbeitet.

Mir hat das Semester gezeigt, wie unterschiedlich Theologie und gelebter Glaube in den verschiedenen Teilen dieser Erde sein können, dass wir aber doch alle an denselben Gott glauben und auch dieselben christlichen Werte teilen. Auch fachlich habe ich meinen Horizont erweitert, konnte manches vertiefen und wiederholen. Ich habe mich mit mir bisher fremden Teilbereichen beschäftigt, wie Umwelt- und Tierethik oder mit den orthodoxen Kirchen *.

Ein Semester im Ausland ist jedoch nicht nur für das Studium und die damit verbundenen Interessen gut, sondern bietet auch die Möglichkeit, internationale Freundschaften zu schließen, ein anderes Land und seine Kultur kennenzulernen, Sprachkenntnisse zu erwerben, anzuwenden und zu erneuern, Zeit für sich selbst und neue Hobbys zu haben… – für viele meiner internationalen Freunde und auch für mich selbst war das Auslandssemester eine fürs Leben prägende Zeit, die man mehr genießt und mehr „lebt“ als das normale Alltagsleben zu Hause; eine Zeit, die ich nie vergessen werde.

Zweifel und Trost im Glauben

Das Schöne am Theologiestudium ist, dass die Theologie immer mehr ist als nur eine Wissenschaft. Auch wenn an der Uni meistens streng wissenschaftlich vorgegangen wird, lässt sich der persönliche Glaube nie ganz ausblenden. Dies macht das Theologiestudium zu einem besonderen Fach. Sicherlich kann jedes Studienfach einen persönlich ansprechen, man kann sich davon besonders angezogen fühlen und eine gewisse Passion für die Materie mitbringen. Bei uns Theologen kommt jedoch dazu, dass sich auch der eigene Glaube und die Einstellung dazu im Lauf des Studiums automatisch verändert, weil man Neues erfährt, alte Überzeugungen widerlegt werden, man seine Herangehensweise und das eigene theologische Denken ändert und reflektiert.