image

Bibel [kompakt]

Bibel

[kompakt]

Dorothee Boss

image

Dorothee Boss, geboren 1961, studierte Theologie an der Universität Bonn und Mediation an der Fernuniversität Hagen, arbeitet als freie Autorin und Publizistin und lebt in Aachen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

© 2010 Echter Verlag GmbH, Würzburg

ISBN 978-3-429-03208-1

Noch ein Hinweis für alle Leserinnen und Leser:

INHALT

Einleitung

Entstehung der Bibel

Auslöser

Adressaten

Inspiration

Buch aus vielen Büchern

Name

Älteste Handschriften

Übersetzungen und Ausgaben

Kanon

Zwei Testamente – eine Bibel

Zum Verhältnis zwischen Altem und Neuem Testament

Das Alte oder Erste Testament

Die Bücher des Alten Testaments

Das Neue oder Zweite Testament

Die Bücher des Neuen Testaments

Bedeutung der Bibel

Buch der Glaubensbotschaft(en)

Geschichtsbuch

Weltliteratur

Zeitgemäßer Umgang mit der Bibel

Individuelle Bibelzugänge

Bibel in der Gemeindepraxis

Literaturverzeichnis

[Einleitung]

Sie ist das meistgedruckte Buch der Welt. Sie wird auf der ganzen Welt gelesen, in mehr als 400 Sprachen ist sie komplett und in mehr als 2400 Sprachen ist sie teilweise übersetzt. Dazu gibt es sie als Kinderbuch und sogar als Bilderbuch für Erwachsene. Sie wurde vertont und vielfach verfilmt. Die Bibel ist flexibel und passt sich trotz ihres bemerkenswerten Alters den modernen Medien immer wieder neu an.

Ihre verschiedenen kulturellen und religiösen Wurzeln machen die Bibel zum einzigartigen ‚Buch der Bücher‘. Sie ist das Ergebnis einer jahrhundertelangen Entwicklung und nicht aus einem Guß, sondern ein Bauwerk aus mehreren Stockwerken und Zugängen von Autoren, deren Leben und Wirken in den meisten Fällen verborgen bleiben. Es lohnt sich auf jeden Fall, ihre wichtigsten Bausteine und ihren Bauplan zu verstehen.

Die Bibel hat in Musik, Literatur und bildender Kunst bis in die Moderne ihre Spuren hinterlassen. Michelangelos David, Johann Sebastian Bachs Oratorien, Händels Messias oder die Dresdner Frauenkirche wären ohne die Bibel niemals geschaffen worden. Biblische Personen, Themen und Bilder findet man in Romanen, in Musikvideos oder Kinofilmen. Die Bibel inspiriert unzählige Alltagssprichwörter, verhilft manchem Werbespot zu großer Bekanntheit und selbst medizinische Begriffe gehen auf ihr Konto. Sie ist ein echter ‚Global Player‘: Weltliteratur, Geschichtsbuch, literarisches Denkmal in Einem. Schließlich ist die Bibel auch Verbindungsglied zwischen den drei abramahitischen Religionen: Juden, Christen und Muslime verehren z. B. den biblischen Patriarchen Abraham und loben sein Gottvertrauen.

In der Bibel verbergen sich viele verschiedene Texte mit unterschiedlichen Zielrichtungen: In ihr versammeln sich Gottes- und Prophetenworte, Biografien, Gesetzestexte, Kriegsdarstellungen, Reiseberichte, Erzählungen über Siege und Niederlagen, Tod und Leben, Liebe und Leidenschaft, Trennung und Wiederfinden, Treue und Verrat. In ihr finden sich Regeln und warnende Zeigefinger, Lobgesänge und Klagelieder, Flüche und Hasstiraden, Liebesgeschichten und Liebesleid, Bauanleitungen und sogar Speisepläne. Hier wird gehofft und geglaubt, geklagt und gelobt, verhandelt und gefeilscht, verflucht und gesegnet. Die Bibel versammelt alle möglichen menschlichen Erfahrungen und ist doch eindrucksvolles Buch des Glaubens an den einen und einzigen Gott. Wer sich näher mit ihr beschäftigt, findet viele Texte von prägnanter Aussagekraft, realistischer Lebenshilfe und treuer Glaubensaussagen.

Es gelang den Bibelwissenschaften, diesem einzigartigen Buch viele Geheimnisse zu entlocken. Ohne die Bibelforschung, die die Bibel mit dem Werkzeugkasten der historisch-kritischen Methode bearbeitet, wäre ihre großartige Entwicklungsgeschichte wohl kaum zutage getreten.

Alle, die die Bibel besser verstehen möchten, finden hier eine leicht zugängliche Einführung. Aber auch regelmäßig praktizierende Christen können sich mit diesem Buch eine zeitgemäße Bedeutung des ‚Buchs der Bücher‘ erschließen.

Viele Themen können hier leider nicht umfassend beantwortet werden. Wer weitere Informationen zur Bibel erhalten möchte, sei auf die weiterführende Literatur am Ende des Buches verwiesen. Basisinformationen zum christlichen Glauben, zu Bedeutung und Ablauf des katholischen Gottesdienstes, zu Taufe und Hochzeit und zur Kirche finden sich in den weiteren Bänden der Kompakt-Reihe.

[Entstehung der Bibel]

[Auslöser]

Die Bibel, wie sie heute vorliegt, ist das Ergebnis eines jahrhundertelangen Austausch- und Entwicklungsprozesses. Sie fiel nicht fertig vom Himmel, sondern hat eine enorme historische Bearbeitung erfahren. Ihre zentralen Bestandteile, die biblischen Bücher, sind in unterschiedlichen Epochen verfasst worden, sodass die Bibel keineswegs eine geschlossene Einheit darstellt: Sie ist eine Sammlung von heiligen Schriften der Christen, die wiederum die heiligen Schriften ihrer jüdischen Mutterreligion übernommen haben. Bei alledem muss bedacht werden, dass die einzelnen Autoren keinesfalls vorhatten, eine Bibel zu schreiben. Die Bibel in ihre Gesamtform ist das Ergebnis eines Auswahlprozesses, der Kanonbildung. Dieser Kanon steht am Ende der Entwicklungsgeschichte.

Die christliche Bibel besteht aus zwei großen Teilen, dem Alten und dem Neuen Testament. Es gibt Annäherungen und Hypothesen, die für beide Teile relativ gesicherte Aussagen darüber machen können, in welchem Zeitraum die einzelnen biblischen Bücher und Textstellen entstanden sind. Es ist aber darüber hinaus kaum möglich, die exakten Umstände, die zur Entstehung der einzelnen Werke führten, zu bestimmen. Über Jahrhunderte wurde an den bestehenden Büchern weitergeschrieben und neue kamen hinzu, die wiederum in schon bestehende Sammlungen heiliger Schriften eingepasst wurden.

Viele Teile in der Bibel sind schriftliche Darstellungen, Überarbeitungen und Anpassungen von mündlichen Geschichten, die schon lange vor ihrer schriftlichen Niederlegung in der Bevölkerung kursierten. Bei Menschen, bei der nur ein minimaler Prozentsatz lesen und schreiben konnte, ist dies sicherlich nichts Ungewöhnliches. Erst nach der sogenannten Kanonbildung, bei dem sich die religiösen Autoritäten entschieden, welche Schriften zum Bestand der heiligen Schriften letzten Endes gehören sollten, wurden die Überlieferungen kaum noch verändert. Die Bibel ist demnach ein Buch, das vor ca. 1800 Jahren fertiggestellt worden ist und seitdem zwar vielfach übersetzt und an moderne Sprachen angepasst, aber nicht mehr grundsätzlich verändert wurde. Ihre Entwicklungsgeschichte reicht in ihren ältesten Überlieferungen sicher in das 2. Jahrtausend vor Christus zurück. An manchen Stellen blinken noch ältere Erzählungen durch, wie z. B. bei der Sintfluterzählung.

Der hebräische Teil der heutigen Bibel entstand in einem sehr lebendigen Prozess von etwa tausend Jahren zwischen 1000 v. Chr. und 100 n. Chr. Heutige Bibelwissenschaftler (Exegeten) vermuten z. B., dass erste Teile des späteren Alten Testaments in der Zeit der Könige Israels nach 1000 v. Chr. verfasst worden sind. Die israelitischen Herrscher hatten damals endlich einen eigenen Hof in Jerusalem, sie wollten ihre Macht stabilisieren und ließen deshalb eine Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel vermutlich von Hofschreibern aufschreiben. Mündliche Traditionen gab es sicher schon lange vorher, sie fanden Eingang in die heiligen Schriften. Außerdem wurden Gesetzestexte gesammelt und erhielten eigene ‚Ausführungsbestimmungen‘. Da seit König David ein eigener Tempelkult in Jerusalem existierte, musste man Gottesdienstordnungen und Opferregeln festlegen. Für die großen Feste brauchte man außerdem gemeinsame Gebete mit einem verpflichtenden Wortlaut.