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Vitus Seibel (Hg.)
Wie betest du?
80 Jesuiten geben eine persönliche Antwort

Ignatianische Impulse
Herausgegeben von Stefan Kiechle SJ, Willi Lambert SJ und Martin Müller SJ
Band 68

Ignatianische Impulse gründen in der Spiritualität des Ignatius von Loyola. Diese wird heute von vielen Menschen neu entdeckt.

Ignatianische Impulse greifen aktuelle und existentielle Fragen wie auch umstrittene Themen auf. Weltoffen und konkret, lebensnah und nach vorne gerichtet, gut lesbar und persönlich anregend sprechen sie suchende Menschen an und helfen ihnen, das alltägliche Leben spirituell zu deuten und zu gestalten.

Ignatianische Impulse werden begleitet durch den Jesuitenorden, der von Ignatius gegründet wurde. Ihre Themen orientieren sich an dem, was Jesuiten heute als ihre Leitlinien gewählt haben: Christlicher Glaube – soziale Gerechtigkeit – interreligiöser Dialog – moderne Kultur.

Vitus Seibel (Hg.)

Wie betest du?

80 Jesuiten
geben eine persönliche Antwort

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

© 2015 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter-verlag.de
Umschlag: Peter Hellmund
Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
ISBN
978-3-429-03849-6 (Print)
978-3-429-04824-2 (PDF)
978-3-429-06241-5 (ePub)

Inhalt

Zur Einführung (Vitus Seibel)

Ich kann mich darauf verlassen (Josef Anton Aigner)

Das große Fest kann jeden Moment beginnen (Christoph Albrecht)

Nicht leicht, aber ganz einfach (Anton Altnöder)

Blickzündung (Raimund Baecker)

Ich schau einfach auf das Kreuz (Peter Balleis)

Herr, du allein weißt … (Andreas Batlogg)

Alltäglich beten (Alois Berger)

Der Mensch wird des Weges geführt, den er wählt (Michael Beschorner)

Ihn suchen und finden (Josef Bill)

Geschenkte Verlebendigung (Norbert Brieskorn)

Wie ich bete? Je nach Situation (Erwin Bücken)

still.sein (Bernhard Bürgler)

Pass mir auf den Jörg auf (Jörg Dantscher)

Im Wort bleiben (Stefan Dartmann)

»Können Sie für mich beten?« (Ludwig Dehez)

Gebet als Antwort (Robert Deinhammer)

Beten lassen (Bertram Dickerhof)

Drei-deutige Psalmen (Klaus P. Dietz)

Herunter vom hohen Ross (Georg Fischer)

Mit Körper und Geist (Benjamin Furthner)

Offizielle Texte und Variationen (Eberhard von Gemmingen)

Gott – das Du meines Lebens (Johannes Günter Gerhartz)

Beten mit dem Tagebuch oder: Er bekommt es schriftlich (Thomas Gertler)

Wie Zähneputzen (Bernhard Grom)

Vom Sprudeln der Worte zum Lassen der Verwandlung (Michael Hainz)

Mich beten lassen (Walter Heck)

In die Offenheit treten (Christian Herwartz)

Christus – der innere Lehrmeister (Johannes Herzgsell)

Beten mit Perlen (Gundikar Hock)

In seiner Liebe bleiben (Alfons Höfer)

Beten, eine Sprache für schwierige Zeiten (Markus Inama)

Meine Hoffnung vor den Herrn tragen (Clemens Kascholke)

Nimm dich selber wahr und lasse dich (Karl Kern)

Stoß-Beten (Stefan Kiechle)

Das Leben – ein Gebet (Hansruedi Kleiber)

Bete, wie du kannst, und nicht, wie du nicht kannst (Alfons Klein)

Das dreifache Kolloquium (Felix Körner)

Auf der Bettkante (Wendelin Köster)

Vom Rhabarber zum Pfarrer von Ars (Hermann Kügler)

Leere Hände – und doch erfüllt (Erhard Kunz)

Beten – »Appetit auf Gott«? (Willi Lambert)

Meine drei Gebetbücher (Severin Leitner)

Sich vom Gekreuzigten umarmen lassen (Alexander Löffler)

Beten ohne Unterlass (Werner Löser)

Regelmäßig (Sebastian Maly)

Beten am Berg (Dominik Markl)

Unsere Zukunft liegt nicht im Machen, sondern im Lassen (Timo Masar)

Begegnung (Josef Maureder)

Der Geist sehnt sich und stillt die Sehnsucht (Klaus Mertes)

Der Herr ist im Kommen (Dieter Metzler)

Fürbittgebet (Elmar Mitterstieler)

Bitten, was ich will (Christian Modemann)

Nightfever (Lutz Müller)

Tja, wie bete ich? (Franz-Anton Neyer)

Unerwartetes erleben (Jörg Nies)

Erinnerung (Felix Polten)

Etappen und Entwicklungen (Manfred Richter)

Vom Erzählen und Zuhören (Hans-Martin Rieder)

Gott in allem – durch sein Wirken, durch sein Wesen (Alois Riedlsperger)

Rhythmus und Takt (Christian Rutishauser)

Das Dankgebet ist eine Kraftquelle des Lebens (Otto I. Schabowicz)

Trost in der Sehnsucht (Hans Schaller)

Gott gibt mir Raum, indem er mich auf sich hin öffnet (Josef Schmidt)

Wort, das uns einlädt zu antworten (Klaus M. Schweiggl)

Drei Blümchen (Vitus Seibel)

Christlich mit hinduistischen Methoden (Christopher Shelke)

Touristenbusse oder Blickkontakt? (Christoph Soyer)

Drei Worte zum Gebet (Tobias Specker)

Die Kinder der Straße – meine Lehrer (Georg Sporschill)

Marianische Inspirationen (Franz-Josef Steinmetz)

Weizen im Unkraut (Josef Thorer)

Von den Gaben zur Gabe (Christian W. Troll)

Ohne geistliche Klimmzüge (Joe Übelmesser)

Wenn Gott für mich tanzt (Ansgar Wiedenhaus)

Lass mich voll Zuversicht dein Kommen erwarten (Otto Winkes)

Contemplativus in den Gassen Roms (Anton Witwer)

Beten mit dem armen Jesus (Ansgar Wucherpfennig)

Seine Seele sanft und achtsam einschwingen lassen in den Klang Gottes (Tobias Zimmermann)

Tanzen vor dem lächelnden Christus (Patrick Zoll)

Beten: mit Gott über den Alltag sprechen (Hans Zollner)

AMEN

Zur Einführung

Wer wissen will, wie Reis schmeckt, muss Reis essen. So sagt ein indonesisches Sprichwort. Wer wissen will, wie Beten geht, muss beten. Wer wissen will, wie Jesuiten beten, findet hier Zeugnisse unterschiedlichster Art.

Mein Mitbruder Michael Hainz hat mich schon vor Jahren zu diesem Unternehmen ermuntert. So habe ich Jesuiten der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizer Provinz eingeladen, auf meine Frage »Wie betest du?« eine Antwort zu versuchen. Ich hatte ihnen dazu gesagt, dass ich kurze Beiträge wolle (was manchen Mitbrüdern schwer genug fällt). Weiter: bitte keine theologischen Abhandlungen, keine gelehrten Theorien, sondern persönliche Zeugnisse. Das Originelle und Ursprüngliche ihres Betens sollte ans Licht gebracht werden.

Und was da alles kam an Selbstverständlichem, Altgewohntem oder Erstaunlichem: Entwicklungen des Betens, Reifungen, Schwerpunkte, Beispiele. Der Leser erfährt von der Not und dem Segen des Gebets, vom Ringen, vom Scheitern, von Gottesferne, von Gottesnähe, von Lieblingsgebeten und Entdeckungen, vom Hören und vom Antworten, von Hilflosigkeit und von Tapferkeit, von dem, was Martin Buber »eine Stimme verschwebenden Schweigens« nennt, und von Herzensruhe.

Die Freude, das Danken, das Bitten, der Lobpreis, die Kräftigung für den Alltag – all das zieht sich durch die Zeugnisse, ebenso das Hoffen und Klagen, das Vorläufige und das Bleibende, die Trostlosigkeit und die Tröstung, das Schwanken und die Treue.

Bei aller Unterschiedlichkeit (wie könnte es bei Jesuiten auch anders sein!), gibt es die gemeinsamen Linien des Ignatianischen, eine Art jesuitischen Stallgeruch: viele Hinweise auf das Exerzitienbuch und prägende Phasen der ordenseigenen Ausbildung, eine Art »Weltfrömmigkeit«, wie man das Suchen und Finden Gottes in allen Dingen bezeichnen könnte. Die Welt in ihrer Großartigkeit und in ihrem Elend wird betend verhandelt. Dazu natürlich die Unterscheidung der Geister, zum Beispiel in der abendlichen Gewissenserforschung. Präsent ist auch die dem Beter anvertraute Aufgabe und die Zielgerichtetheit des Handelns, die Gefährtenschaft mit Jesus und das Suchen der »Größeren Ehre Gottes«, wie ein Wahlspruch des Ordens heißt. Es ist nicht verwunderlich, dass sich dies und vieles mehr im Beten der Mitbrüder niedergeschlagen hat. Und ganz wichtig: die Feier der heiligen Eucharistie. Auch die Verehrung Marias und das Beten des Rosenkranzes werden oft betont.

Es werden immer wieder geistliche Autoren genannt, die im Beten der Einzelnen wichtig sind. Dabei nimmt die Heilige Schrift, besonders die Evangelien und die Psalmen, eine herausragende Rolle ein. Gebete, die kostbar sind, neue und alte, bekannte und weniger bekannte, zeigen, dass die Beter eingetaucht sind in die großen Traditionen der Gebetserfahrungen unserer Vorfahren und unserer Zeitgenossen. Gebetshaltungen, Gebetssorte, Gebetszeiten, Meditationsformen werden vorgestellt. Das Beten in bestimmten Situationen oder in positiven oder negativen Stimmungen, in Müdigkeit, in Arbeitsüberlastung, in Krisen oder Zweifeln wird verhandelt, und wie sich darin oder daraus entsprechende Reaktionen ergeben. Es gibt Texte über das Sprechen, aber auch über das Verstummen und Schweigen, über Lobpreis, über Anbetung, über das Aufgeben aller Absichten und über Hingabe. Hinter allem ist der Atem des Heiligen Geistes zu spüren – »wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen. Der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können« (Röm 8,26). Und auch der Atem der betenden Kirche ist in aller Vielfalt als einigendes Band zu spüren. Und auch die herrliche Freiheit der Kinder Gottes ist ausgedrückt in den Zeugnissen der Mitbrüder: Das Gebet macht frei für Gott und es macht frei für den Dienst an den Menschen. Und die Beiträge ermutigen – vielleicht unausgesprochen – zum Reisessen.

Allen Mitbrüdern, die sich an diesem Buch beteiligt haben, sage ich meinen Dank. Auch hier war ich wieder einmal erstaunt, wie die im Allgemeinen ja als kühl geltenden Jesuiten ihr Herz geöffnet haben.

Gundikar Hock SJ und Michael Koop SJ haben mir bei den Geheimnissen der Computertechnik sehr geholfen.

Vitus Seibel SJ

Ich kann mich darauf verlassen

Wie bete ich? Das »Äußere« ist schnell erzählt. Unmittelbar nach der morgendlichen Dusche und dem Ankleiden entzünde ich eine Kerze und setze mich auf einen Stuhl, 30 Minuten lang. »Vor Gott da sein (wollen)« ist das Ziel dieser halben Stunde. Hilfreich sind mir dabei einzelne Psalmverse, die ich im Rhythmus des Atems still rezitiere, oder auch die Strophen eines Liedes. Zu Weihnachten hat »Ich steh an deiner Krippen hier« den Vorrang, zu Ostern der Eröffnungsvers der Sonntagsmesse (»Deine Hand hast du auf mich gelegt«) und zu Pfingsten das »Veni Sancte Spiritus«.

Am Abend gehe ich am liebsten in unsere (Haus-)Kapelle und setze mich im Dunkel vor den Tabernakel. Ich versuche, mit Jesus zusammen einen Rückblick auf den vergangenen Tag zu werfen, nach der Methode des Examens im Exerzitienbuch. Dieses Gebet ist oft (zu) kurz, 5 bis 10 Minuten lang – aber es entfällt eigentlich nie, egal wie spät es ist. Dann gibt es noch das Stundengebet (sehr reduziert), das tägliche Gebet in der Jesuitengemeinschaft, das Tischgebet u.a.m.

Die halbstündige Meditation in der Frühe und der Tagesrückblick am Abend sind feste Eckpfeiler meines Tages. Das schweigende Gebet am Morgen ist oft ein zähes Ringen mit dem Schlaf, der mich immer wieder überfällt. Häufig ist es auch ein Ringen mit Gott, der sich mir entzieht. Ich habe darüber schon vor fast 40 Jahren meinem Instruktor im Tertiat geklagt. Seine Antwort war trocken: »Dann beten Sie eben zu diesem Gott, der sich Ihnen immer wieder entzieht.« Es war die hilfreichste Anleitung für mein Beten, die ich in meinem Leben bekommen habe. Der Wert dieser täglichen Meditation am Morgen liegt – so scheint mir – in ihrer Regelmäßigkeit; sie gehört zu meinem Leben. Man könnte sagen: »Ich kann mich darauf verlassen.« Und auch wenn diese »Verlässlichkeit« allein von meinem Wollen abhängt, schöpfe ich daraus die Gewissheit, dass ich mich auch auf Gott verlassen kann. Dieser Gedankengang mag nicht ganz logisch sein; aber so ist es.

Der Tagesrückblick am Abend leidet weniger an der einsetzenden Schläfrigkeit als an den Zerstreuungen, die aus dem bunten Haufen der Begegnungen und Ereignisse des vergangenen Tages hervorquellen. Es ist mir dabei eine Hilfe, allen Menschen, mit denen ich tagsüber einen direkten oder »virtuellen« Kontakt hatte, »einen frommen Gedanken zu schicken«, vor allem jenen, über die ich mich immer noch ärgere. Ich schließe diese kurze Gebetszeit mit dem (lateinischen) »Visita, quaesumus, Domine« aus dem kirchlichen Abendgebet. Ich habe früher viel mehr mit der Bibel gebetet. (Das tue ich jetzt immer noch, aber nur in meinen Exerzitien; hier aber mit Freude und geistlichem Gewinn.) Später habe ich die Worte und Bilder mehr und mehr weggelassen. Ich versuche, Gott in mir zu finden. In diese Richtung hin bin ich unterwegs. Irgendeinmal – es ist schon länger her – habe ich entdeckt, dass ich eigentlich vor allem zu »Gott« bete, aber nicht zu »Jesus«. Das schafft mir insofern Probleme, weil mir dieser Gott eben ein Geheimnis bleibt, freilich: ein Geheimnis, das mich fasziniert und nicht loslässt. Wenn mir Gott allzu weit wegrückt, »wechsle« ich meinen Gesprächspartner, um mit Jesus wieder mehr Nähe zu finden.

Josef Anton Aigner SJ, Wien, geb. 1938

Das große Fest kann jeden Moment beginnen

Bin ich in Verbindung mit Gott, wenn ich bete? Für mich gibt es drei Weisen, wie ich die Verbundenheit vielleicht mit dem fern-nahen Geheimnis, der ewigen Gegenwart wie auch dem Ziel der Geschichte oder dem zärtlich-großen Du bewusst lebe:

1. Wenn ich von einer Empfindung des Schönen angerührt werde – sei es in der Natur oder durch Musik oder darstellende Kunst – oder wenn Menschen mich etwas von ihrem Glauben an das Gute spüren lassen, dann verstumme ich staunend und gebe der aufsteigenden Freude und der damit einhergehenden Einheitserfahrung Raum. In solchen Momenten spüre ich eine unermessliche Dankbarkeit und Geborgenheit bei der Quelle und dem Ziel allen Seins.

2. Wenn ich in mir einen Aufschrei spüre und nicht hinnehmen möchte, was zum Himmel schreit. Ich würde dies nicht nur als eine Verletzung meines Gerechtigkeitsempfindens bezeichnen, sondern auch als einen unmittelbaren Anruf vom Vater Jesu selbst.

3. Schließlich leben in mir die Bilder zweier biblischer Geschichten, die mich sowohl in den Begegnungen mit Menschen wie auch in der Gestaltung und Erledigung meiner Arbeit wie auch in meinem regelmäßigen Still-Sitzen nach der Art des Zen eine Transparenz auf die End-Gültigkeit (oder, wie es auch genannt wurde, die eschatologische Dimension) der Wirklichkeit erahnen lassen.

Da ist zum einen der Prophet Jona, der durch Ninive schreitet und die Bedrohlichkeit der aktuellen Situation zu benennen hat. Die Antwort der gesamten Bevölkerung ist überraschend und erfreulich: Die ganze Stadt kehrt um, wird gerettet, erlöst und befreit. Nicht mit der Gleichgültigkeit des Jona, sondern mit der Zuversicht JHWHs, die durch Jonas Auftrag zum Ausdruck kommt, möchte ich an die Dinge herangehen. Das andere Bild besteht aus dem unmittelbar bevorstehenden Fest des Bräutigams, zu dem ich als dessen Freund eingeladen bin und wo ich die Ehre habe, bei den letzten Vorbereitungen mithelfen zu dürfen. Alles, was ich tue und erlebe, kann ich in dieser Vorfreude tun: Überall, wo jetzt noch Menschen – und Tiere und Leben – unterdrückt, verachtet, ausgebeutet, zerstört werden, wird es ganz anders kommen. Nicht in der sozialen Isolation des Jona, sondern in der Vorfreude des Freundes des Bräutigams gehe ich durch die große Stadt. Daran orientiere ich meine Aufmerksamkeit, denn es kann jeden Moment beginnen, das große Fest!

Christoph Albrecht SJ, Basel, geb. 1966

Nicht leicht, aber ganz einfach

Mein Gebet ist ein ganz einfaches: das Herzensgebet. Kennengelernt habe ich es seit meinem ersten kontemplativen Exerzitienkurs bei Pater Franz Jalics in Gries 1985. Seitdem begleitet es mich durch Höhen und Tiefen. Mein Gebetshocker und mein Kurzzeitwecker waren immer im Reisegepäck und haben mich durch die halbe Welt begleitet. Nur einmal gab es eine Unterbrechung für zwei Jahre. Da war mir die ständige Wiederholung des Namens zur Last geworden, ja es war sogar so, dass ich den Namen Jesus Christus nur mit Widerwillen ausgesprochen habe. Am liebsten wäre ich nur schweigend vor Gott dagewesen, ohne ein Wort, nur im Lauschen. Aber ich wusste nicht, was ich tun sollte, hatte ich doch die klare Anweisung, immer nur beim Namen zu bleiben. So bin ich zu meinen mir von Kindheit an vertrauten Gebeten wie dem Rosenkranz oder einem Vaterunser zurückgekehrt und spürte sogar etwas wie Erleichterung. Als ich dann zwei Jahre später selber einen Exerzitienkurs begleitete, dachte ich mir, dass ich nicht etwas lehren kann, was ich nicht selber praktiziere. So habe ich mich am Morgen des ersten Kurstages zum Gebet hingehockt und habe mit großer Freude die Gegenwart spüren können, die in dem Namen geschenkt wird.

Wie ich bete? Ich setze mich hin, egal wo ich bin und welche Sitzgelegenheit da ist, schließe die Augen und frage mich, ob ich da bin und anfangen kann. Diese Frage muss ich nicht beantworten, aber sie hilft mir, anzukommen. Danach spreche ich ein kurzes Hingabegebet: »Ich bin für Dich da. Diese Zeit ist mein Geschenk. Das ist meine Hingabe.« Damit schenke ich dem Herrn alles, was in der Meditationszeit passiert. Natürlich gibt es auch Ablenkungen und Gedanken. Dann ist es mir wichtig, diese nicht zu bekämpfen, sondern zu akzeptieren, dass sie da sind, und sie wieder loszulassen. Wenn eine Zeit der Stille sich auftut, verbleibe ich dort, auch ohne ein Wort zu sprechen. Inzwischen bin ich selber Exerzitienbegleiter und Hausleiter von Haus Gries. Ich staune immer wieder, wie viel Kraft und Segen im Herzensgebet geschenkt wird, und freue mich, dass dieses Gebet auch immer mehr ein Weg wird für Menschen, die einen einfachen Weg suchen, zu beten.

Anton Altnöder SJ, Wilhelmsthal, geb. 1950

Blickzündung

Als Junge im Alter von sieben Jahren bin ich in Bremen, der Heimat meiner Mutter, einem großen Beter begegnet: Franz Moschner. Er war Priester, und er war blind. Er hatte meine Eltern getraut. Nun wollte meine Mutter mich ihm vorstellen, und so besuchten wir ihn im Pfarrhaus. Wir warteten im oberen Stockwerk, als er die lange Treppe heraufkam. Sie sagte mir noch: »Du weißt, er ist blind. Du musst ihm die Hand geben.« Aber während er bedächtig die Stufen emporstieg, schaute er unverwandt mich an. Ich wunderte mich, weil er doch blind war. Doch noch mehr staunte ich, als mein Blick auf sein Gesicht fiel. Noch nie hatte ich einen Menschen gesehen, dessen Antlitz so von Freude überflutet war wie seines. Später schrieb er, wie er betete. Ich gebe es frei wieder: »Ich musste nicht lange überlegen, wo Gott ist, wie er zu mir steht, was ich ihm bedeute. Ich brauchte nur zu ihm aufzusehen und zu sagen: Du siehst mich und du liebst mich, und war sofort bei ihm.«

Später habe ich diese Art zu beten von ihm übernommen. Mein Beten wurde einfacher. Unsichtbar bin ich Jesus begegnet, sei es, dass ich ihn in meiner Seele berührt habe oder er mich. Ich fühlte seinen Blick in meiner Brust. Dieser Augen-Blick verblasste schnell, wenn ich anfing, Wünsche vorzubringen. So betete ich stattdessen mit dem Wort aus dem kirchlichen Abendgebet: »Du bist der Einzige. Dich will ich lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.« Das ist mehr als alle eigenen Wünsche. Frühmorgens musste diese »Blickzündung« in sein Antlitz geschehen, dann konnte ich tagsüber, wann immer ich wollte, so zu ihm aufschauen in Vertrauen und Freude.

Mit zunehmendem Alter wurde diese Art mein einziges Beten. Seither bleibe ich dabei. Ich sehe ihn unverwandt an, lächle, und dann schweige ich. Gelegentlich muss ich eine Weile warten, bis er meinen Blick spürbar erwidert. Aber dann springt in mir eine Freude auf. Probieren üben!

Raimund Baecker SJ, Berlin, geb. 1930

Ich schau einfach auf das Kreuz

Wenn ich bete, sitze ich da und schaue einfach auf das Kreuz. Ich suche mir in einer Kirche immer einen Platz mit Blick auf das Kreuz als Sammelpunkt inmitten der Welt. Es ist mein Verständnisschlüssel für meine Erfahrungen in meiner Arbeit mit Flüchtlingen, die mich in die Konfliktgebiete unserer Welt, nach Syrien, in den Kongo, Afghanistan und Kolumbien führt. Wo Hass und Krieg herrschen, da leiden die Unschuldigen. Das Kreuz steht für die Sünde der Welt, die in Form von Gewalt, Hass und Ungerechtigkeit Wirklichkeit ist. Der Gekreuzigte wird zum Fokus dieser Sünde und dem von ihr verursachten Leid. Er steht für all die Menschen, denen ich immer begegne, deren Leben vom Krieg zerstört wurde, die auf der Flucht sind, die alles und vor allem Menschen verloren haben, die ihnen lieb waren.

So sitze ich oft da, schaue auf das Kreuz und lasse die Gedanken und Sorgen der Arbeit zur Ruhe kommen. Täglich bin ich mit den Problemen des Jesuitenflüchtlingsdienstes konfrontiert, der in unsicheren und sich wandelnden Situationen mit begrenzten Mitteln auf die große Not von Flüchtlingen zu antworten versucht. Das äußere politische Geschehen, das man nicht kontrollieren kann, lässt einen ohnmächtig zurück. Die menschlichen Unzulänglichkeiten, mit denen man in einer Leitungsposition zu tun hat, sind wie ein Kreuz, das man zusammen mit den eigenen Schwächen zu tragen hat.

Wenn ich so dasitze und auf das Kreuz schaue, kommen mir oft sehr gute Gedanken und Lösungen für Probleme. Ich gehe dann in den Alltag mit größerem inneren Frieden und Versöhnung. Im Blick auf den Gekreuzigten sehe ich den Auferstandenen. Diese Hoffnung aus dem Glauben an den Gekreuzigten und Auferstandenen ist die Quelle, um in einer aussichtslosen Situation von Kriegen die Hoffnung nicht zu verlieren, sondern weiterzumachen, das zu tun, was in Flüchtlingen die Hoffnung nährt.

In meinem Beten unterscheide ich in der gegenwärtigen Arbeit drei Phasen. Ich bin sehr viel auf Reisen, besuche die Projekte des JRS und begegne Flüchtlingen und unseren Teams. Da bleibt manchmal nicht einmal Zeit zur täglichen Messe. Es fehlt an der Zeit zur Meditation und zum Schauen auf das Kreuz. Aber dies geschieht in der direkten Begegnung mit den Leidtragenden unserer Zeit. Die Dynamik von Internet und E-Mails bestimmt meinen Alltag auf Reisen und füllt die normal für das Gebet reservierte Zeit am Morgen oder Abend.