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Martin Wirth

Gesegnet, um Segen zu sein

Die Bedeutung von ehrenamtlichen Gemeindeleitungsteams für die Lokale Kirchenentwicklung

Martin Wirth

Gesegnet,
um Segen zu sein

Die Bedeutung von ehrenamtlichen Gemeindeleitungsteams für die Lokale Kirchenentwicklung

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Begegne dem,
was auf dich zukommt,
nicht mit Angst,
sondern mit Hoffnung
.

(Franz von Sales, 1567–1622)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

© 2015 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter-verlag.de
Umschlag: wunderlichundweigand.de (Foto: shutterstock)
Druck: CPI – Clausen & Bosse, Leck
ISBN 978-3-429-03796-3 (print)
ISBN 978-3-429-04793-1 (PDF)
ISBN 978-3-429-06209-5 (ePub)

Inhalt

Vorwort von Christian Hennecke

1. Einleitung

1.1 Zu meiner Person

1.2 Zu diesem Buch

2. Biblisch-theologische Impulse

2.1 Gott schuf – und Gott sah, dass es gut war

2.2 Der rote Faden

2.3 Die Geschichte eines Jüngers

2.4 Die Menge am See

2.5 Berufen – zum Schaf und zum Hirten

2.6 Kirche ist …

3. Gemeinde im Wandel

3.1 Gemeindebilder im Neuen Testament

3.1.1 Gemeinden müssen sich behaupten – damals und heute

3.1.2 Vielfalt und Einheit

3.1.3 Leitbilder neutestamentlichen Gemeindelebens

3.1.4 Lebensformen und Glaubensweisen

3.2 Gemeindeordnungen der Alten Kirche

3.2.1 Ausfaltung des Amtes in der Alten Kirche

3.2.2 Ausbildung territorialer Gemeindestrukturen

3.3 Weitere Entwicklung des Pfarrprinzips

3.4 Für das Gemeindeleben wichtige Aussagen des II. Vatikanums

3.5 Die Pfarrgemeinde – ein Auslaufmodell

3.5.1 Verlebendigte Pfarrei

3.5.2 Chancen und Grenzen des Pfarrprinzips

3.5.3 Fazit

3.6 Pfarrei und Gemeinde bei Papst Franziskus

3.7 Gemeinde ist …

4. Pfarrei und Gemeinde im Bistum Hildesheim

4.1 Schritte der pastoralen Neuorientierung

4.1.1 Hildesheimer Synode von 1989/90

4.1.2 Einführung von Seelsorgeeinheiten

4.1.3 Pilotprojekt „Missionarische Seelsorge in größeren pastoralen Räumen“

4.1.4 „Eckpunkte 2020“ vom 15.12.2003

4.1.5 Stellenpläne für 2020 und 2025

4.2 Lokale Kirchenentwicklung – ein Paradigmenwechsel

4.2.1 Hirtenwort zur österlichen Bußzeit 2011

4.2.2 „Lokale Kirchenentwicklung – Orientierungen“ (Januar 2013)

4.2.3 „Gemeinsame Verantwortung in lokalen Gemeinden der Pfarreien – Zwischenbericht“ (Mai 2013)

4.3 Ein Gemeindeleitungsteam ist …

5. Gremienarbeit und Leitungsstrukturen in einer Pfarrei mit mehreren Gemeinden

5.1 Strukturelemente im Überblick

5.1.1 Der Pfarreirat (PR)

5.1.2 Der Kirchenvorstand (KV)

5.1.3 Die Gemeindeleitungsteams

5.1.4 Das Pastoralteam

5.2 Schritte auf dem Weg zu einem Gemeindeleitungsteam (Werkstattarbeit)

5.2.1 Allgemeine Anmerkungen zur Durchführung der Werkstattarbeit

5.2.2 Kennenlernen

5.2.3 Gemeindeleitbild erarbeiten

5.2.4 Charismen und Fähigkeiten entdecken

5.2.5 Zuständigkeiten klären

5.2.6 Sich über Kommunikation, Sitzungskultur und Arbeitsweisen verständigen

5.2.7 Von der Frohen Botschaft leiten lassen

5.2.8 Segnung und Sendung

6. Abschließende Betrachtung

Anhang: Zur Ehre Gottes und zum Wohle der Menschen – Ehrenamtliche in Dekanat, Pfarrei und Gemeinde

Literatur

Vorwort

Unsere Kirche ist eine weltweite Inspirationsgemeinschaft. Wer nur ein wenig aus den uns (zu) gut bekannten Kirchenstrukturen – und der Diskussion um ihre Neufassung – heraustritt und Erfahrungen in Lateinamerika, Afrika und Asien wahrnimmt und aufnimmt, der wird schnell merken, dass die kirchliche Entwicklung und Erneuerung nach dem Konzil anderswo nicht zuerst Mitbestimmungsstrukturen stärkte, sondern einen geistlichen Aufbruch des Volkes Gottes: Das gemeinsame Priestertum, die königliche und prophetische Würde des Volkes Gottes zu stärken, die genuine, aus der Taufe wachsende Verantwortung aller getauften Christen für die Sendung der Kirche ins Licht zu rücken – darum ging es überall. Es führte unter anderem zu einer starken Entwicklung örtlicher Gemeinden, „comunidades de base“, „small christian communities“ – örtlicher Gemeinden, die durch die Getauften getragen und gestaltet werden. Die Pfarrei erhält so ein neues Gesicht: Sie wird die (sakramentale) Gemeinschaft von Gemeinden und anderen kirchlichen Gemeindewirklichkeiten, eine differenzierte Vielfalt von Gemeindeformen, die selbstverständlich getragen werden durch Teams verantwortlicher Christinnen und Christen.

Wer das erleben durfte – wie etwa Hildesheimer Studiengruppen in Südafrika, auf den Philippinen oder auch in Bolivien –, der kann eine selbstbewusste, aus der Schrift schöpfende und aufgabenorientierte Gemeinschaft des Volkes Gottes entdecken, die ganz selbstverständlich Verantwortung wahrnimmt – und sich doch eingebunden weiß in die Pfarrei und das Gesamt der Ortskirche.

Unmittelbarer Ausgangspunkt für die Entwicklungen im Bistum Hildesheim aber waren die Erfahrungen aus dem Erzbistum Poitiers: Bischof Albert Rouet hatte die Option der Synode aufgegriffen – und die Bildung örtlicher Gemeinden gefördert, die durch eine „equipe d’animation“ begleitet werden. Ein langer Prozess der Bewusstwerdung und der Begleitung führte schrittweise zur Bildung von Verantwortlichenteams.

Im Bistum Hildesheim wird eine solche Entwicklung seit mehreren Jahren gefördert. Dabei zeigt sich eine Reihe von Risiken und Fragen: Sind solche „ehrenamtlichen Gemeindeleitungsteams“, wie Martin Wirth sie nennt, einfach so zu installieren? Sind sie dann nicht Ersatz für fehlende Pfarrer und Hauptberufliche – oder sogar deren verlängerter Arm? Wer verhindert, dass solche „Lokalen Leitungsteams“, wie sie offiziell bezeichnet werden, örtliche Gemeinden isolieren und zu „Eigenkirchen“ (Bischof Norbert Trelle) werden lassen? Und sosehr der Begriff eines Leitungsteams die genuine Verantwortung aus der Taufe beschreiben kann – fixiert er nicht die Frage der Macht gegenüber dem sakramentalen Dienstamt?

Am 2. Juli 2014 konnte ich Martin Wirth erleben, wie er bei einem überdiözesanen Studientag sein Konzept erzählte. Vorweggegangen war ein Gespräch mit den europäischen Protagonisten dieser Entwicklung. Wir hatten Gisele Bulteau und Père André Talbot gefragt, was sie unter „équipe d’animation“ verstehen – und ob es etwas anderes sei als „Lokale Leitungsteams“. Solche Fragen sind interessant, denn sie fordern heraus, das eigene zu beschreiben. Unsere französischen Freunde versuchten es auch: Es geht bei diesen Equipen nicht darum, dirigistisch zu leiten – sondern darum, aus der innersten Mitte des Glaubens heraus zu ermöglichen, dass Menschen ihre Berufung, ihre Verantwortung, ihre Gaben wahrnehmen können und zum Wohl aller und zum Aufbau des Reiches Gottes einbringen: Eine solche Equipe leitet, indem sie diese „Seele“ einbringt und diesen Raum eröffnet.

Sofort wird klar: Ehrenamtliche Leitungsteams dürfen dieses Niveau nicht unterschreiten, wollen wir nicht Gefahr laufen, die besten Erfahrungen der Weltkirche wieder einmal strukturell zu verkürzen und so Evangelisierungsprozesse im Volk Gottes zu verhindern – dafür aber den strukturellen Status irgendwie zu erhalten … Und deswegen war es an diesem 2. Juli so begeisternd, wie Martin Wirth uns eine aus seiner Erfahrung kommende Möglichkeit eines prozesshaften Weges hin zu solchen Teams erschloss. Es wurde mehr als deutlich, dass es um einen geistlichen Weg geht. Und der beginnt mit einem partizipativen Bewusstseinsprozess in allen beteiligten Gemeinden der Pfarrei. Ja, denn ohne innere Zustimmung und Abbau der Bedenken wäre auch ein längerer Anweg zu den ehrenamtlichen Leitungsteams schlichtweg ein erneuerter Pastoralpositivismus: Dieser Pfarrer will es eben so – na gut. Ein Jahr lang, so sagt Martin Wirth, sei er in die vielen Gespräche gegangen, habe diskutiert und gerungen – aber genau das braucht es, damit dann der Prozessweg, den er beschreibt, gelingen kann.

Das vorliegende Buch versucht also, eine Antwort auf die Frage zu geben, auf welchen Wegen solche Teams wachsen können. Darüber hinaus gelingt es Martin Wirth, den ekklesiologischen Hintergrund aufzubereiten und die Ideen und lokalen Kirchenentwicklungsprozesse im Bistum zu beschreiben, die gewissermaßen Hintergrund und Seele dieser Entwicklung Lokaler Leitungsteams sind.

Hoffentlich lassen sich viele – im Bistum Hildesheim und in der deutschen Kirche – von diesen Gedanken inspirieren und ihre eigenen Überlegungen befruchten. Das wäre jedenfalls zu wünschen, denn klar ist auch: Wir sind erst am Anfang eines längeren Weges, den es noch zu gehen und zu verstehen gilt, wenn das Ziel eine Kirche der Teilhabe aller ist. Und auch die deutsche Kirche könnte eine außerordentlich fruchtbare katholische Lerngemeinschaft sein!

Christian Hennecke

1. Einleitung

1.1 Zu meiner Person: Diakon Martin Wirth (Dipl.-Biol., Dipl.-Theol.)

Mein Lebensweg begann 1972 in der Grenzstadt Helmstedt als jüngstes von fünf Kindern. Die innerdeutsche Grenze prägte meine Kindheit und Jugend und ein Teil unserer Verwandtschaft lebte in der DDR. Von Geburt an bin ich sehbehindert, was sich im Laufe der Zeit immer weiter verstärkte. Erst entdeckte ich die Flugzeuge am Himmel nicht mehr, dann konnte ich nicht mehr von der Tafel lesen und mit 13 Jahren musste ich das Fahrradfahren sein lassen. Seit 2002 bin ich voll erblindet.

Mit acht Jahren trat ich bei den Georgs-Pfadfindern ein. Das Miteinander in dieser Gruppe hat mir viel Selbstvertrauen geschenkt und hat mir gezeigt, dass gemeinsam sehr viel möglich ist. Nach der sechsten Klasse kam ich ins Internat im Landesbildungszentrum für Blinde in Hannover, wo ich meinen Realschulabschluss machte. Dann zog ich weiter nach Marburg an der Lahn, um dort an der Blindenstudienanstalt das Gymnasium zu besuchen. Nach dem Abitur 1993 nahm ich das Biologiestudium an der Technischen Universität Braunschweig auf. Hier wurde ich Mitglied der Katholischen Deutschen Studentenverbindung Niedersachsen MCV. Nach dem Biologiestudium arbeitete ich im Naturschutz, wofür ich wieder anderthalb Jahre in Helmstedt lebte.

In dieser Zeit lernte ich meine Frau Franka kennen, die als Sozialpädagogin bei der Caritas in Helmstedt arbeitete. Meine ehrenamtliche Arbeit in der Kirche als Leiter bei den Pfadfindern und als Firmkatechet ließ in mir den Wunsch immer stärker werden, Theologie zu studieren. Im Februar 2000 heirateten Franka und ich kirchlich und im April desselben Jahres zogen wir gemeinsam ins Rheinland nach Troisdorf, damit ich an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Steyler Missionare in St. Augustin das Theologiestudium aufnehmen konnte. Biologie und Theologie verbindet derselbe Betrachtungsgegenstand – das Leben. Es war für mich sehr bereichernd, durch die Internationalität der Ordenshochschule gemeinsam mit Studierenden aus China, Indonesien, Afrika und Lateinamerika im Hörsaal zu sein.

In Troisdorf kamen unsere ersten beiden Kinder zur Welt. Parallel zum Theologiestudium ließ ich mich in Hildesheim zum Diakon ausbilden. Im Jahr 2005 zogen wir nach Stade, wo ich zunächst als Diakonatsanwärter arbeitete und ab 2007, nach meiner Weihe durch Bischof Norbert, als Diakon. In Stade kam unser drittes Kind zur Welt. Seit August 2013 leben wir gemeinsam in Göttingen.

Als Diakon bin ich hier überpfarrlich eingesetzt. Ich möchte gemeinsam mit vielen Menschen gute Orte der Glaubensweitergabe und Glaubensvertiefung erschließen und gestalten. Ich möchte mit ihnen gemeinsam die Nöte der Menschen wahrnehmen und ihnen hilfreich begegnen. Ich möchte für die Menschen ein Seelsorger sein, den sie auch erreichen können und der sich Zeit für sie nimmt.

Ich bin nicht Diakon geworden, um mitzuhelfen, eine Kirche abzuwickeln, die in der Gesellschaft ihre Bedeutung verloren hat. Ich bin nicht Diakon geworden, um den notleidenden, armen und kranken Menschen sagen zu müssen: Tut mir leid, aber für euch hat bald niemand mehr Zeit. Ich bin nicht Diakon geworden, um im Sinne eines Klerikalismus eine neue Wirklichkeit einer partizipatorischen Kirche im Keim zu ersticken.

1.2 Zu diesem Buch

Mit dem Konzil von Trient (1545–63) hat die katholische Kirche das Pfarrprinzip flächendeckend und verbindlich durchgesetzt. Dazu ist die Residenzpflicht der Priester gekommen. Diese Maßnahmen sind vor dem Hintergrund eines Mangels an seelsorglicher Begleitung der Gläubigen sowie einer gewissen Willkür der Priester in der Häufigkeit der Feier der heiligen Messe durchgeführt worden.

Gemeinde wird seitdem strikt territorial definiert. Die Katholiken, die innerhalb der festen Grenzen einer Pfarrei leben, bilden die Gemeinde. Alleiniger Leiter und Hirte ist ein Priester, der Pfarrer.

Das Wort „Pfarrgemeinde“, welches im Zuge der Würzburger Synode (1971–75) geprägt worden ist, beschreibt dagegen nicht nur eine Struktureinheit, eine Verwaltungsebene der katholischen Kirche, sondern auch die Gemeinschaft von Gläubigen als lebendige Steine der Kirche.

In volkskirchlichen Zeiten hat sich das Pfarrprinzip bewährt. Die Zuständigkeit eines Priesters ist auf eine Pfarrgemeinde beschränkt, womit die eher versorgende Kirchenpraxis (Sakramentenspendung, Gottesdienste und Beerdigungen) gesichert ist.

Die Individualisierung, Pluralisierung und Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft hat auch das kirchliche Leben stark geprägt. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts sind in der Bundesrepublik Deutschland die volkskirchlichen Strukturen aufgebrochen und bisweilen gänzlich verschwunden. Der christliche Glaube, das Sinnangebot der Kirche, ist nur noch eines unter zahlreichen anderen. Viele Menschen wählen sich das aus, was ihnen persönlich am besten passt. Ein gemeinsames Glaubensbekenntnis, das sich in der Feier von Gottesdiensten und einem darüber hinausgehenden Gemeindeleben abbildet und dadurch für andere Menschen sichtbar wird, spielt für die nicht an einem solchen Gemeindeleben Teilnehmenden eine immer geringere Rolle. Es ist das personale Gottesbild, das von vielen Menschen nicht angenommen werden kann. Oft kommen Menschen damit gar nicht mehr in Berührung, was sich direkt im kirchlichen Leben niederschlägt. Die Zahl der Gottesdienstbesuchenden ist nur noch eine Minderheit unter den Katholiken, und das ehrenamtliche Engagement geht vielerorts zurück. Viele Menschen identifizieren sich nicht mehr mit ihrer Gemeinde. Sie suchen nicht den Kontakt oder haben ihn abgebrochen, häufig aufgrund enttäuschender und entmutigender Erfahrungen mit der kirchlichen Praxis oder kirchlichen Entscheidungen.

Der viel beklagte Mangel an Priestern ist eine der Folgen der hier einleitend skizzierten Entwicklungen und Prozesse in Gesellschaft und Kirche. Die Frage ist nun, wie die Kirche, wie die Gemeinden vor Ort darauf reagieren. Bei der Suche nach geeigneten pastoralen Strukturen sollte eines deutlich werden: Der Mensch ist nicht für die Strukturen da, sondern die Strukturen für den Menschen. Die Aufgabe von Pfarrstrukturen ist es, Bedingungen zu schaffen, die dem Aufbau, dem Erhalt und der Entwicklung eines lebendigen Gemeindelebens förderlich sind. Ist dies nicht mehr gewährleistet, müssen strukturelle Veränderungen durchgeführt werden. Aufgrund der Zusammenführung mehrerer einst selbstständiger Pfarrgemeinden handelt es sich bei einer Pfarrei nun um einen größeren pastoralen Raum mit mehreren Gemeinden und Kirchorten. Mit dem Prozess der Lokalen Kirchenentwicklung versucht das Bistum Hildesheim, die beiden großen Bewegungen des Christseins nicht aus dem Blick zu verlieren: die Sammlung und die Sendung. Ehrenamtlichen Gemeindeleitungsteams kommt dabei eine besondere Rolle zu.

Bei all den Herausforderungen, die wir täglich beispielsweise in Familie, Schule und Beruf zu bewältigen haben, soll das kirchliche Leben hilfreich sein und Freude machen. Gemeindeglieder und Personal dürfen die Strukturen, in denen sie sich bewegen, nicht als schwere Last und als lähmend erfahren, sondern sollten sie vielmehr als sinnvoll und gut erleben.

Da die Ressourcen des Personals begrenzt sind und ebenso die Ressourcen der Gemeindeglieder, die das Gemeindeleben mitgestalten wollen, ist es eine Pflicht, darauf zu achten, dass nur so viele Strukturelemente wie nötig und so wenige wie möglich gebildet werden.

2. Biblisch-theologische Impulse

Jede Gesellschaft, jede Gemeinschaft von Menschen braucht gute Strukturen und Ordnungen, damit das Miteinander gelingen kann. Nur durch die Zehn Gebote konnte das Volk Israel am Sinai überleben und seinen Weg nach Kanaan fortsetzen. Gute Strukturen haben durchweg dienenden Charakter. In guten Strukturen werden keine Menschen übersehen. Die persönlichen Charismen und Fähigkeiten werden erkannt, wertgeschätzt und kommen zum Einsatz. Gute Strukturen geben einen Rahmen, der einer Gemeinschaft Orientierung bietet. Sie schützen vor Überforderungen, lassen keinen Leistungsdruck entstehen und beugen Versagensängsten vor. Gute Strukturen sind transparent und werden als sinnvoll erfahren. Sie sind für die Menschen also lebensnotwendig, ja überlebensnotwendig.

Gute Strukturen eröffnen Lebensräume, in denen Beziehungen möglich werden und Gemeinschaft wachsen kann. Es sind Räume, in denen sich Menschen gut zurechtfinden können, die Sicherheit und Geborgenheit geben. Menschen brauchen Räume, in denen sie sich entfalten und die sie mitgestalten können, damit sie ihnen gerecht werden. Deshalb müssen wir uns in der Kirche im Blick auf die pastoralen Räume mit Strukturfragen befassen.

2.1 Gott schuf – und Gott sah, dass es gut war

Um gute Strukturen für das persönliche Leben und das Leben in Gemeinschaft geht es gleich am Anfang der Bibel, in der ersten Schöpfungsgeschichte (Gen 1,1–2,4a). Sie sind gut und hilfreich, weil sie von Gott kommen. Das Handeln des lebenspendenden und lebenerhaltenden Gottes wird in ihnen erfahrbar, wie die folgende kleine Strukturanalyse zeigt.

Da sind zunächst die Strukturelemente Tag und Nacht. Der Tag ist für die Aktion da, für die Aufgaben, die wir uns vornehmen und die uns gestellt werden; der Abend für das Schauen, den Rückblick und die Reflexion; die Nacht für das Ruhen und das Schöpfen neuer Kraft.

Während der ersten drei Schöpfungstage schafft Gott Räume, nämlich Lebensräume und Grundlagen: Am ersten Tag Hell und Dunkel, am zweiten Tag Himmel und Wasser, am dritten Tag Meer und Land mit grünen Pflanzen.

Während der zweiten drei Schöpfungstage füllt Gott die geschaffenen Räume mit Licht und Leben. So korrespondieren Schöpfungstag eins und vier: In den hellen Tag setzt Gott die Sonne und in die dunkle Nacht Mond und Sterne. Die Schöpfungstage zwei und fünf gehören zusammen: Gott schafft die Vögel des Himmels und die Tiere des Meeres. Und schließlich macht der sechste Schöpfungstag ohne den dritten keinen Sinn: Gott schafft alle Landtiere und den Menschen.

Die Woche zu unterteilen in sechs Werktage und einen Ruhetag, ist ein weiteres Strukturelement, welches Ressourcen schont und ein hohes Maß an Zufriedenheit ermöglicht. Es wird von Zeiten berichtet, in denen etwas beginnt, angefangen und vorbereitet wird, sowie von Zeiten, in denen etwas fertig und zu Ende geführt und seiner Bestimmung übergeben wird. Am Ende eines jeden Tages blickte Gott auf all das, was er geschaffen hatte, und sah, dass es gut war. So zu leben und zu arbeiten, hilft auch uns, nämlich Prioritäten zu setzen und eines nach dem anderen zu erledigen und abzuarbeiten.