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Fuldaer Hochschulschriften

Fuldaer Hochschulschriften

Im Auftrag der Theologischen Fakultät Fulda
herausgegeben von Jörg Disse
in Zusammenarbeit mit Richard Hartmann
und Bernd Willmes

Michael Gmelch /
Richard Hartmann (Hrsg.)

Soldatenfamilien im Stress

Kriegseinsätze als Herausforderung für die Militärseelsorge mit den Familien

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

1. Auflage 2014

© 2014 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter-verlag.de

Gestaltung : Hain-Team, Bad Zwischenahn (www.hain-team.de)

ISBN

978-3-429-03734-5 (Print)

978-3-429-04768-9 (PDF)

978-3-429-06183-8 (ePub)

Inhalt

Vorwort des Militärgeneralvikars

Reinhold Bartmann

Einführung der Herausgeber

Michael Gmelch / Richard Hartmann

1. Soldatenfamilien im Stress – Prävention, Begleitung und Nachsorge durch die Militärseelsorge : Ergebnisse einer Befragung

Michael Gmelch / Richard Hartmann

2. Dokumentation einzelner Erfahrungen

2.1 Als Familienvater im Militäreinsatz: Erfahrungen, Fragen, Impulse

Anonym

2.2 „Afghanistan – hier gibt es schon lange keinen Gott mehr“ : Wie können Feldpostbriefe zur erfahrungsgeschichtlichen Quelle für die Seelsorge an Soldaten und ihren Familien werden ?

Michael Gmelch

3. Der Umgang mit kognitiven Dissonanzen als Proprium einer praktischen Militärseelsorge – Ethik für Soldaten und deren Familien im Gesamthorizont eines Auslandseinsatzes am Beispiel Afghanistan

Michael Gmelch

4. Sorge um die „Familie“ – Frage nach tragenden Perspektiven und Pastoralen Aufgaben

Richard Hartmann

5. Netzwerke zur psychosozialen Unterstützung für SoldatInnen, VeteranInnen, deren Familien und Hinterbliebene. Exemplarische Kooperationen mit Evangelischer und Katholischer Militärseelsorge

Petra Hammann

6. Aufgaben für die Familienpastoral angesichts der Herausforderungen der Militärseelsorge

Richard Hartmann

Autorenverzeichnis

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Seite 7 :

Grafische Gestaltung und Komposition : Klein und Neumann, Iserlohn Einzelne Menschen-Silhouetten : © gst, Nevena Radonja, red nose, Nowik Sylwia und vectorgirl, 2013 lizensiert von Shutterstock.com Aufnäher mit Deutschland-Flagge : © dragunov, 2013 lizensiert von Shutterstock.com

Vorwort

Für die Militärseelsorge war und ist die Sorge für Familien, Ehen und Kinder der Soldatinnen und Soldaten eines der wichtigsten Handlungsfelder. Die von den Soldaten verlangte hohe berufliche Mobilität ist immer schon ein Belastungsfaktor für die Familien und Ehen der Soldaten. Dieser wurde durch die sicherheits- und verteidigungspolitischen Veränderungen der beiden letzten Dekaden noch verstärkt.

Unsere Militärseelsorger intensivieren deshalb kontinuierlich Bildungs- und Betreuungsmaßnahmen für Soldatenfamilien. Dies geschieht in zahlreichen jährlichen Veranstaltungen für Soldatinnen und Soldaten und ihre Familien (im Jahr 2013 nahmen z. B. an 262 Familienwochenenden bzw. Familienwerkwochen 9703 Personen teil). Seit 2001 wird im Rahmen einer Kooperation zwischen dem „Katholischen Militärbischofsamt“ und dem „Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft“ der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt die Situation von Soldatenfamilien umfassend wissenschaftlich aufgearbeitet. Zugleich werden praxistaugliche Hilfen für die konkreten Nöte und Probleme der Soldaten und ihrer Angehörigen erarbeitet. Schließlich setzt die Katholische Militärseelsorge über die „Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung“ seit Jahren einen Schwerpunkt in der praktischen Familienbetreuung.

Die vorliegende, von Dr. Richard Hartmann, Professor für Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät Fulda, und Dr. Dr. Michael Gmelch, Militärdekan beim Katholischen Militärpfarramt Flensburg, herausgegebene Publikation stellt sich in die Tradition dieser Bemühungen, den Seelsorgern kompetente Hilfestellung und praxisbezogenes Fachwissen für eine Familienseelsorge zu vermitteln, die zunehmend vom Einsatz her konzipiert ist.

Ausgangspunkt für die konzeptionellen Überlegungen ist die Auswertung einer Befragung zu Belastungen von Soldatenfamilien im Kontext der Auslandseinsätze, die in Veranstaltungen der katholischen Militärseelsorge durchgeführt wurden. Die Ursachen der besonderen Belastungen von Soldatenfamilien sind demnach nicht nur in den Mobilitätserfordernissen und längeren Abwesenheitsphasen eines Familienmitgliedes zu finden, sondern Erfahrungen fehlender gesellschaftlicher Akzeptanz sowie vermeintliche oder wirkliche Legitimationsdefizite der Einsätze stellen starke Belastungsfaktoren dar.

Der Kritik einer reduzierten Ursachenbeschreibung entspricht die Zurückweisung eines therapeutisch enggeführten Seelsorgeverständnisses als nicht sachgerecht. Dieser Publikation liegt ein multidimensionales Seelsorgekonzept zugrunde, das z. B. ethische Bildung und Beratung, die im Lebenskundlichen Unterricht ein wichtiges Aufgabengebiet der Militärseelsorger darstellen, als eines der genuinen Aspekte seelsorgerlichen Handelns begreift.

In dieser Perspektive finden sich in der vorliegenden Publikation nicht nur Hilfestellungen für eine Optimierung der Praxis der Familienseelsorge, sondern das skizzierte umfassende Seelsorgeverständnis kann kritische Impulse für die Reflexion der eigenen seelsorgerlichen Praxis – nicht nur für die Militärseelsorger/innen – geben.

Reinhold Bartmann

Militärgeneralvikar

Einführung

Seit der Errichtung eines Feldhospitals in Kambodscha im Jahre 1992 hat die Bundeswehr zahlreiche Auslandseinsätze geleistet. Ihr Engagement wurde durch ein Sonderpostwertzeichen gewürdigt. Am 6. Juni 2013 übergab Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Erstausgabe der über sechs Millionen Briefmarken an den damaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière.

Auf den ersten flüchtigen Blick sticht einem nur das bekannte grüne Flecktarn der Uniform in die Augen, zusammen mit dem Aufnäher der deutschen Nationalfarben und der Aufschrift : „Bundeswehr – Im Einsatz für Deutschland“. Erst beim genaueren Hinsehen erkennt man verschiedene Silhouetten : ein sich küssendes Paar, einen Vater mit seinem Kind, eine Frau. Es sind wohl die Menschen, die Deutschland als Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr dienen. Aber auch diejenigen, die als deren Angehörige hinter ihnen und ihrem Einsatz im Ausland stehen. Für sie bedeutet die monatelange Trennung einen schmerzlichen Einschnitt in ihr Alltagsleben, verbunden mit Ängsten und Problemen.

Es ist das Anliegen der Sondermarke „Bundeswehr – Im Einsatz für Deutschland“, für die gesellschaftliche Wertschätzung der Leistungen der Angehörigen der Bundeswehr zu werben. Dies schließt die Anerkennung der besonderen Belastungen ihrer Familien ein.

De Maizière dankte bei der Übergabe der Marke dem „Netzwerk der Hilfe“, zu dem die Militärseelsorge zählt, und appellierte daran, „den Angehörigen der Bundeswehr und ihren Familien den Platz in der Mitte unserer Gesellschaft zu sichern, den sie verdienen.“1

Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung vom 29. 1. 2014 angekündigte „Politik für die Menschen“ griff Verteidigungsministerin von der Leyen auf : „Und das wollen wir durchdeklinieren bis tief in die Bundeswehr und ihren Alltag hinein.“ Das werde sich insgesamt positiv auf die Streitkräfte auswirken, denn Attraktivität, Modernität und die Verankerung in der Gesellschaft seien zentrale Faktoren der dauerhaften Einsatzfähigkeit : „Eine familienfreundliche Bundeswehr wird nicht schwächer, sie wird stärker.“2

Unsere Veröffentlichung erscheint in einem für die deutsche Sicherheitspolitik wichtigen Jahr : Bis Ende 2014 soll der Abzug aus Afghanistan zu größten Teilen erfolgt sein. Von vielen Seiten wird gefordert, Lehren aus diesem Einsatz zu ziehen und ehrlich zu reflektieren über Sinn, Ziele, Erfolg und Effektivität der deutschen Mission. Es werden familienfreundlichere Strukturen für die Bundeswehr angemahnt und politisch angekündigt. Gleichzeitig geht die Debatte über zukünftige Mandate für die Bundeswehr z. B. in Mali weiter. Eine klare Mehrheit der Deutschen ist jedoch gegen ein stärkeres Engagement der Bundeswehr in Krisengebieten. Im Schnittpunkt dieser Gemengelage ergreifen die Beiträge dieses Buches Position für die Soldatenfamilien. So sagte Militärbischof Franz-Josef Overbeck am 31. 1. 2014 :

„Es muss sehr klar sein auf welches Ziel hin ein solcher Einsatz läuft und wie lange er währen soll. Das bedeutet vor allen Dingen, setzen wir die Soldaten so ein, dass sie dem Frieden wirklich dienen, und das auch in kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Zusammenhängen ? Oft sind uns diese Zusammenhänge nicht klar, wie wir in Afghanistan gesehen haben. Wichtig ist auf der anderen Seite auch, dass es ein Einsatz sein muss, der die Familien der Soldatinnen und Soldaten gut in den Blick nimmt. Es muss ein Einsatz sein, der die Soldaten und Soldatinnen selber und ihre Bedürfnisse nicht vergisst.“3

Auch der Wehrbeauftragte der Bundeswehr ist sich der Sorge um die Familie im Kontext zukünftiger Einsätze bewusst :

„Dabei ist übrigens die von der Ministerin aufgenommene Debatte über die Vereinbarkeit von Dienst und Familie nicht ein Nebenthema, sondern der Ausgangspunkt der Prüfung, was wir leisten können. Die im Grundgesetz eingeforderte Verantwortung vor Gott und den Menschen gilt nicht nur den Menschen in Afrika oder Afghanistan, sondern nicht zuletzt den Menschen in unseren Streitkräften, die für (sic !) viele Belastungen auf sich nehmen und dabei auch ihren Angehörigen so manche Zumutung nicht ersparen können.“4

Die Militärseelsorge war in den letzten Jahren kaum im Blick der Pastoraltheologie. Einen Einblick in die Herausforderungen dieses Dienstes mit ausdrücklichem Fokus auf die Familienarbeit leistet dieser Band, der auf eine Kooperation des Militärdekans Dr. Dr. Michael Gmelch und des Lehrstuhls für Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät Fulda mit Prof. Dr. Richard Hartmann basiert. Die Situation der Familie ist in den Blick genommen und damit ein Themenfeld, das in Politik und Kirche als besonders wichtig thematisiert wird, obgleich nur ca. 1/3 der Soldaten in Familienbeziehungen leben.5 Dass es jedoch besondere Belastungen gibt, wird schon in laufenden Maßnahmen wahrgenommen. Die für den Herbst 2014 angekündigte „Außerordentliche Bischofssynode“ und die vorausgegangene Befragung problematisierte weitere Felder. Dennoch ist die Sorge für die Familien der Soldaten keine allgemein angenommene Aufgabe.

Ausgangspunkt des Buches ist die Befragung der Soldatinnen und Soldaten (Kapitel 1). Der Einblick in Feldpostbriefe (Kapitel 2.2) reflektiert die besonderen Herausforderungen der Soldaten und ihrer Familien. Aktuelle Erfahrungen eines Soldaten im Herbst 2013 in Afghanistan (Kapitel 2.1) eröffnet individuelle Perspektiven. Diese Erfahrungen werden vertieft durch die Aufnahme familiensoziologischer Forschungen (Kapitel 4). Besonders die Folgerungen aus kognitiven Dissonanzen (Kapitel 3) werden gezogen. Alle diese Belastungen können nur durch Kooperation in Netzwerken (Kapitel 5) und eine Neuausrichtung der Militärseelsorge (Kapitel 6) getragen werden.

Flensburg, Fulda im April 2014

Michael Gmelch und Richard Hartmann

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1 Frank BÖTEL : Solidarität mit Zacken : Sondermarke „Im Einsatz für Deutschland“ – http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/!ut/p/c4/NYsxD8IgEEb_0R1YTaqbDYOuLlo3oAQvaaG5nrj444XB7yVvefnwiZVkC0UrlJOd8YGjp5P7gFtKhC1wIR_ABRK2cbPsX1Rgp3SH9_adAvicgjRLSELVka1khjWzzK28mWsBmnBU2gxKq__099ibvrvow95chxuuy3L-AQEuNdk!/ (8. 2. 2014).

2 Florian MANTHEY : Ministerin von der Leyen : „Eine familienfreundliche Bundeswehr wird stärker“, Bundestagsdebatte vom 29. 1. 2014 – http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/!ut/p/c4/NYvBCsIwEET_aDcRQfRmKII3EaSNt7QNYaVJyrqpFz_e5OAMvMM8Bp9Ym9xGwQnl5BYc0E50Gj8wxi3AKxeuK0RK9BbPVCL27TN7mHLy0ig-CVUGdpIZ1syyNFOYqwGa0SrdGaXVP_p7vDzMze4Pu-5q7rjGeP4B8bZZKQ!!/ (8. 2. 2014).

3 Hilde REGENITER : Bischof Overbeck zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr : „Deutschland trägt Verantwortung“. Interview Domradio. de vom 31. 1. 2014 – http://www.domradio.de/themen/soldaten-und-kirche/2014-01-31/bischof-overbeck-zu-auslandseinsaetzen-der-bundeswehr (8. 2. 2014).

4 Hellmut KÖNIGSHAUS : Lagefeststellung, Kolumne des Wehrbeauftragten der Bundeswehr. In : Kompass 2(2014), S. 11.

5 Dazu siehe SZ-Grafik : Familie in Uniform. In : Süddeutsche Zeitung (18./19. 1. 2014), S. 8 : 123 100 ledige, verwitwete und geschiedene SoldatInnen stehen 62 600 Verheirateten gegenüber. Dazu muss jedoch berücksichtigt werden, dass dies nicht unbedingt viel weniger sind als in der Vergleichskohorte der Bevölkerung. Nur ca. 20 % der Menschen leben als Familien mit minderjährigen Kindern ; das Heiratsalter ist im Schnitt zwischen 30 und 33 Jahren ; 40 % der Bevölkerung leben in Einpersonenhaushalten (siehe https://wwwidestatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/HaushalteFamilien/Tabellen/FamilienKindern.html [19. 1. 2014]). Dennoch wäre ja zu fragen, ob junge Männer und Frauen, die sich für den Dienst bei der Bundeswehr bewerben, ausdrücklich auf Familiengründung verzichten oder sie deutlich aufschieben.

1. Soldatenfamilien im Stress – Prävention, Begleitung und Nachsorge durch die Militärseelsorge : Ergebnisse einer Befragung

Michael Gmelch / Richard Hartmann

1. Soldatenfamilien im Stress

Das Leben der Soldaten und ihrer Familien hat sich in den letzten Jahren deutlich geändert. Soldaten sind plötzlich in gefährliche Auslandseinsätze verwickelt. Diese Dienste gehören zum selbstverständlichen Aufgabenfeld. Sie eröffnen neue Anfragen an das Selbstverständnis des Berufes, an die Identifikation mit der Aufgabe und die Herausforderungen in der Gewissensprüfung. Sie belasten psychisch, denn die Gefahrensituationen werden mehr und größer, auch die Konfrontation mit Tod und Krankheit kann traumatische Folgen zeigen. Soldaten sehen das auch im Geschick einzelner Kameraden. Die Belastungen gehen aber auch über in die Beziehungen und in die Familien der Soldaten : Manche fragen sich : Kann und will ich eine Beziehung überhaupt leben ? Die Fernbeziehungen erschweren die Vertrautheit zwischen den Partnern und ihren Kindern. Kommunikation, die in „normalen Zeiten“ noch unauffällig zu gelingen scheint, wird plötzlich schwerer, misslingt : Beziehungen scheitern. Zwar wird seitens der Bundeswehr relativ viel unternommen im Blick auf die Folgen des Posttraumatischen Belastungssyndroms, kaum ist jedoch die Situation der Familien im Vorfeld, während der Einsätze und danach im Blick.

Die Probleme werden erst langsam deutlicher : Dr. Peter Wendl hat zusammen mit dem „Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft der Katholischen Universität Eichstätt“ (fortan = ZFG) schon länger Forschungsergebnisse zur Problematik der Fernbeziehungen vorgelegt1 und unzählige Kurse mit Soldatenfamilien geleitet. Eine Studie zur Angstbelastung der Kinder ist derzeit im Gange. Auch die „Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung“ (fortan = KAS) macht entsprechende Erfahrungen und versucht mit ihren Angeboten unterstützend tätig zu werden. Etliche kleine Initiativen und Selbsthilfegruppen arbeiten mit konkreten Betroffenen.

Zu prüfen ist, ob und wie diese Thematik und die daraus wachsende Verantwortung auch bei der Militärseelsorge angekommen sind und in welcher Weise hier eine erhöhte Sensibilisierung und Professionalisierung erreichbar ist. Insbesondere die Arbeit mit den Kindern scheint noch nicht ausreichend im Blick zu sein. Auf wissenschaftlicher Ebene sind manche dieser Themenstellungen auch in Auftragsforschungen des Bundesministeriums der Verteidigung in Arbeit (vor allem im „Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr“ [fortan = Sowi]), aber nur teilweise veröffentlicht und zugänglich. In dieser Situation startete nun das hier dokumentierte Projekt eine Befragung, die im Bereich der Militärseelsorge und deren Kommunikationswege durchgeführt wurde. Diese Befragung war schon als solche ein Appell an die Militärseelsorger, das Thema aufmerksam wahrzunehmen ; sie ermöglicht einen Blick auf die Reichweite ihrer Arbeit und lässt manche Vermutung durch die Äußerungen der Betroffenen selber verifizieren.

a. Hypothesen und Ziele des Forschungsprojektes

Ausgehend von den Grunderfahrungen des Militärseelsorgers, der das Projekt initiierte, und vor dem Hintergrund einzelner Publikationen wurden in einem Seminar der Theologischen Fakultät Fulda Forschungshypothesen erstellt und der erste Entwurf einer Befragung konzipiert. An einem Seminarwochenende mit Soldaten und Familienangehörigen wurden die Fragen diskutiert. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde der Bogen modifiziert und daraus die Endfassung erarbeitet. Die Fragebögen für Soldaten und Angehörige waren in etlichen Items nach Möglichkeit parallelisiert. Ein eigener Fragebogen wurde erstellt, den Eltern mit ihren Kindern ausfüllen konnten. Ein Fragebogen für Jugendliche konnte leider nicht erstellt werden, da die dazu notwendigen Rückmeldungen aus den Soldatenfamilien ausfielen. Hier liegt ein drängendes Forschungsdesiderat vor !

b. Zeitrahmen und Weg der Verteilung

Die Durchführung der Befragung verzögerte sich aufgrund längerer Überlegungen im Bereich des Katholischen Militärbischofsamtes (fortan = KMBA), ob diese Befragung beim Bundesministerium der Verteidigung genehmigt werden müsse. Da es aber ausdrücklich eine Befragung im Rahmen der Militärseelsorge und in Vermittlung durch die Pfarrämter sein sollte, musste dann ein solches Genehmigungsverfahren nicht eingeleitet werden. Die Fragebögen wurden im Dezember 2010 zu je 20 Exemplaren an die katholischen Militärseelsorger (ca. 90 Aussendungen) versandt mit der Bitte des Generalvikars des KMBA, sie an Soldaten weiterzugeben, von denen bekannt war, dass sie im Auslandseinsatz waren. Der Rücklauf sollte bis 28. 2. 2011 an die Adresse des Militärpfarramtes in Flensburg erfolgen. Wenige Fragebögen kamen noch später.

c. Rücklauf und Reichweite der Befragung

Die Befragung leistet einen Einblick in die Lebenswirklichkeit und in die Problemsensibilität bei Soldaten, Eheund Lebenspartnern und deren Kindern. Motiv der Untersuchung war die Leitfrage, wie die Militärseelsorge ihre Tätigkeit im Blick auf diese Zielgruppe weiterentwickeln kann. Diesem Ziel allein diente die Befragung, die auch aus forschungsökonomischen Gründen nicht ökumenisch projektiert wurde, was jedoch auf die Zukunft hin zu wünschen wäre. Diese Einblicke können keinesfalls Repräsentativität beanspruchen.2 Solche wäre, wenn überhaupt, nur über die amtlichen Wege in Kooperation mit dem Bundesministerium der Verteidigung erreichbar. Auch eine vertiefte Problemwahrnehmung ist noch nicht leistbar. Dazu wären qualitative Untersuchungen mit den Familiensystemen nötig, die gegebenenfalls dieser Voruntersuchung folgen könnten.

Die Umfrage, an der über 400 Personen – 198 Soldaten, 146 Partner und 89 Kinder – teilnahmen, erreicht aufgrund der Verteilung der Fragebögen nur eine bestimmte Klientel : Erreicht wurden Soldaten, die im Kontakt mit der Militärseelsorge sind – vorrangig über Veranstaltungen der Militärseelsorge und den lebenskundlichen Unterricht. Die Beteiligung von ca. je einem Drittel katholischer, evangelischer und religiös anders bestimmter Soldaten lässt vermuten, dass die konfessionelle und religiöse Bindung in den Kontakten zur katholischen Militärseelsorge keine wesentliche Rolle spielt. Lebenspartner und Kinder haben ja die Fragebögen über die Soldaten erhalten. Darum muss angenommen werden, dass vorrangig solche sich beteiligen konnten, deren Partnerschaft zum Zeitpunkt der Befragung Bestand hatte.

Die größte Gruppe der an der Befragung Teilnehmenden waren Soldaten im Einsatz in Afghanistan (ISAF – 125 Einsätze), gefolgt von den KFOR- und EUFOR-Einsätzen (100 Einsätze) im ehemaligen Jugoslawien. Dass der Afghanistan-Einsatz als der gefährlichste gilt, kann als Banalität festgehalten werden. Insgesamt muss wahrgenommen werden, dass unterschiedliche Einsatzorte (insbesondere auch die Marineeinsätze betreffend) auch zu unterschiedlichen Herausforderungen führen.

Deutlich unterrepräsentiert bei der Teilnahme an der Befragung sind die Mannschaftsdienstgrade und die jüngeren Soldaten, besonders die Feldwebel. Warum diese Gruppe durch die Befragung nicht ausreichend erreicht wurde, wäre mit den Militärseelsorgern zu diskutieren. Sie tragen als Verantwortliche für die Mannschaften eine besondere Last, verbunden mit erhöhtem Risiko im direkten Einsatz. Insgesamt wurden vorrangig länger dienende Soldaten erreicht. Die Tätigkeit der erst kürzer dienenden Soldaten unterscheidet sich auch deshalb von den anderen, weil die Bedingungen, unter denen jemand den Dienst in der Bundeswehr angetreten hat, sich in den letzten Jahren – aufgrund der Auslandseinsätze – deutlich verändert haben. Das dürfte sich auch in der Entwicklung der Beziehungen spiegeln. Auch hier sind weitere, präzisere Erhebungen notwendig.

2. Beobachtungen

a. Beobachtungen zur Teilnahme an der Befragung – Statistische Grunddaten

Die Befragung wurde zu knapp 1/3 von Katholischen, von Evangelischen (mehr Frauen), von Konfessionslosen (mehr als 1/3 der Soldaten) und je einer Jüdin, einem Muslimen und zwei Sonstigen bearbeitet. Ein Vergleich zum Konfessionsstatus der Bundeswehr insgesamt besagt, dass die Verteilung tendenziell stimmt. Offenkundig ist die Reichweite der Militärseelsorger nicht konfessionell begrenzt.

Die Soldatinnen sind bei unserer Befragung nur mit 1,5 % vertreten, damit im Vergleich – laut Bundesministerium der Verteidigung (Stand 12. 9. 2011) weiblich : 8,64 % – unterrepräsentiert.

Durch unsere Befragung wurden deutlich stärker die älteren und länger gedienten Soldaten (62,12 % der Soldaten und 72,41 % der Angehörigen : länger als 12 Jahre) und deren Familien erreicht, damit auch die höheren Dienstgrade. Die Mannschaftsgrade und die Unteroffiziere ohne Portepee wurden bei dieser Befragung kaum erreicht.

2/3 der Soldaten, die sich an der Umfrage beteiligten, sind verheiratet, weitere 11,8 % verstehen sich zusammenlebend ohne Trauschein. Die Gruppe der getrennt Lebenden, Geschiedenen wurde entweder nicht erreicht oder war nicht bereit, sich an der Befragung zu beteiligen. Damit fehlt eine große Gruppe, der die Initiative dienen soll. Die zerrüttenden Krisen kommen in dieser Befragung kaum zur Sprache.

Dass bei den Angehörigen die Zahl der Verheirateten noch deutlich höher als bei den Soldaten selber liegt, hängt sicher daran, dass diese wohl fast ausschließlich durch ihre Partner den Fragebogen erhalten haben. Ein eigenes Netzwerk der Militärseelsorger zu den Angehörigen gibt es wohl nur in Ausnahmefällen.

– Ca. 80 % wohnen in relativer Nähe zum normalen Dienstort.

– Knapp 2/3 der Soldaten machten Angaben zu insgesamt genau 200 Kindern. In 39,5 % der Fälle gibt es ein Kind aus der Partnerschaft, in 60,5 % mehr Kinder. 39,1 % der Kinder sind unter 6 Jahren, 43,8 % in der Grundschule und Sekundarstufe I.

Bei der Befragung der Kinder konnte durch den begrenzten Fragebogen etwa 1/3 erreicht werden. 89 Kinderfragebögen wurden zurückgesandt. Dreimal war als Alter 3 Jahre angegeben. Diese Fragebogen wurden nicht in die Auswertung einbezogen, da hier erwartbar nur Elternantworten vorlagen. 14 Kinder waren bis zu 6 Jahre alt, 34 Kinder 7–9, 23 Kinder 10–12, 13 Kinder 13 Jahre alt und älter. Die Jugendlichen selber sind also auch kaum repräsentativ vertreten, was am fehlenden Jugendfragebogen liegt. Da allerdings sind etwa 3/4 der Kinder erreicht worden, für die dieser Fragebogen auch konzipiert war.3 Die Kinder haben im Schnitt 1,42 Geschwister, 15 Einzelkinder haben geantwortet.

Knapp 10 % der Angehörigen sind selber Soldaten. 28,5 % sind derzeit für Haushalt und Familie zuhause, 68,1 % berufstätig, wenige in Ausbildung, keine arbeitslos.

Die Soldaten waren im Schnitt in drei Auslandseinsätzen, einzelne in bis zu 15 (Angehörige : 16) Einsätzen. Die durchschnittliche Dauer der Einsätze betrug etwas mehr als 11 Monate, einzelne waren gar 49 Monate im Einsatz.

b. Gefahren- und Belastungseinschätzungen

Sowohl die Soldaten als auch die Angehörigen wurden gebeten, auf einer 7-teiligen Skala (1 = ungefährlich, 7 = hochgefährlich) eine Gefahreneinschätzung der Einsätze vorzunehmen. Grundsätzlich ist die Gefahreneinschätzung durch die Angehörigen um mehr als einen halben Punkt höher. Die Ergebnisse differieren nach den Einsatzprogrammen. Der Afghanistaneinsatz gilt als deutlich gefährlicher.

  ISAF4 KFOR/EUFOR5
  125 Soldaten 89 Angehörige 100 Soldaten Angehörige
Durchschnitt 4,8 5,4 3,9 4,6

Der Einsatz in Afghanistan rangiert in der Gefahreneinschätzung bei Angehörigen wie bei Soldaten vor allen anderen. Gleichzeitig fällt auf : Während 30 % der Angehörigen die Gefährdungslage des ISAF-Einsatzes für schwer einschätzbar bis hochgefährlich halten, sind es bei den Soldaten 56,8 %. Den Soldaten ist offenbar durchaus bewusst, welche Gefährdung für Leib, Seele und Leben sie eingehen, während dies bei den Angehörigen in weitaus weniger hohem Maße der Fall ist. Damit korrespondiert einerseits das Bedürfnis der Angehörigen, mehr vom Einsatzland zu erfahren, und gleichzeitig der Verdacht, dass die in den Einsatz gehenden Soldaten den Angehörigen nur die halbe Wahrheit erzählen, um sie nicht zu beunruhigen. Auch wenn die Soldaten dann im Einsatz sind, gibt nur etwa jeder zweite Angehörige an, dass er via Telefon, Mail oder Brief alles ganz genau erfährt, wie es im Ausland zugeht und wie es ihrem Partner dort tatsächlich geht !

Neben dieser allgemeinen Einschätzung wurde in 9 Items (bei den Angehörigen 8) danach die Betroffenheit mit Tod und Verwundung thematisiert :

„Der Auslandseinsatz konfrontiert Sie mit dem Risiko des Todes oder der Verwundung und bleibenden Schädigung.“ Soldaten Angehörige
Damit habe ich mich nicht auseinandergesetzt. 10,16 % 4,32 %
Das macht mir Angst. 24,60 % 71,22 %
Das nehme ich in Kauf. 33,69 % 9,35 %
Das habe ich unterschätzt. 8,56 % 6,47 %
Es wird schon gut gehen. 26,20 % 20,14 %
Seitdem ich selbst verwundet war, habe ich mich mehr damit befasst (Soldaten).
Seitdem mein Partner/meine Partnerin selbst verwundet wurde, ist das anders (Angehörige).
0,53 % 0 %
Seitdem ich einen Angriff/Anschlag miterlebt habe, befasse ich mich mehr damit (nur Soldaten). 13,37 %
Der Glaube an Gott hilft mir bei dem Thema. 14,44 % 24,46 %
Seitdem einer der Kameraden betroffen ist, mache ich mir darüber mehr Gedanken. 17,11 % 12,95 %

(Mehrfachantworten waren möglich)

Dem außenstehenden Beobachter fällt zunächst auf, dass mehr als 10 % der Soldaten sich gar nicht mit dem Risiko auseinandergesetzt haben. Mehr als 1/3 nehmen das Risiko in Kauf, mehr als 1/4 hoffen, dass alles gut geht und knapp 1/4 hat Angst. Die Angst ist bei den Angehörigen exponentiell höher ; sie können sicher die Gefahr weniger einschätzen und erleben sich selber als hilflos. Der Glaube an Gott spielt in der Bewältigung der Belastung (27 Nennungen Soldaten, 34 Frauen) für etliche eine Rolle und muss als Ressource wahrgenommen werden.

Auch die Frage nach der Belastung durch den eigenen tödlichen Waffengebrauch gegenüber anderen wurde gestellt. Für die Angehörigen ist dies weniger problematisch und wird in der Kommunikation verdrängt.

Als Soldat muss ich im Zweifel bereit sein, andere zu töten / Dass mein Partner/meine Partnerin als Soldat/in im Zweifel bereit sein muss, andere zu töten Mehrfachnennungen möglich Soldaten Angehörige
Das ist für mich/ für uns kein Thema. 17 20
Darüber kann/will ich nicht reden. 15 26
Das ist für mich eine große Belastung. 20 23
Die Schuldgefühle sind für mich bedrängend. 6 1
Das gehört zum Soldatenleben. 145 79
Ich habe selber schon töten müssen. 7

Die Angehörigen wurden nach Bewältigungsstrategien für die Belastungen gefragt : „Um die Belastungen zu bewältigen habe ich“ :

Item  
Mich in die Arbeit geflüchtet 41,3 %
Mich zurückgezogen 30,3 %
Mich mehr engagiert 21,1 %
Mehr Sport getrieben 21,1 %
Mehr am Fernsehen gesessen 19,3 %
Mir einen neuen Freundeskreis aufgebaut 11,9 %
Immer wieder Alkohol getrunken 9,2 %
Mir einen neuen Bekannten/Bekannte oder Freund/in gesucht 9,2 %
Den Frust an den Kindern ausgelassen 5,5 %

(Mehrfachnennungen möglich)

c. Beziehungswirklichkeit

Was die Befragung im Blick auf die Beziehungsthemen erheben konnte, kann sicher – aus schon ausgeführten Gründen – keine Repräsentanz abbilden. Es ist zu vermuten, dass eher Soldaten und Angehörige sich an der Befragung beteiligt haben, die – nach eigener Wahrnehmung – in unproblematischen Beziehungen leben. 8,9 % der Soldaten (2,7 % = 4 Fälle der Angehörigen) berichten vom Scheitern einer Beziehung und 11,4 % (15,8 % der Angehörigen) von einer Krise. Das bedeutet, dass fast jede fünfte Beziehung in krisenhafter Lage ist.

Durch weitere Fragen wurde die Beziehungswirklichkeit noch genauer beleuchtet. Die Angehörigen wurden befragt : „Als Partner/Partnerin einer/s Soldaten/in bin ich vor dem Hintergrund der verschiedenen Versetzungen mit einem Leben in Distanz zu meinem Ehepartner/innen/Lebensgefährt/innen und ggf. Kindern konfrontiert : Der Auslandseinsatz verschärft das.“

Ich hatte das Gefühl, dass die Themen, die für uns zu Hause wichtig waren, den Partner eher weniger interessierten. 18,69 %
Ich hatte das Gefühl, nicht richtig und wahrhaftig zu erfahren, was im Einsatz los war. 63,55 %
Ich war mir unsicher, wie ich mit meinem Partner die mir wichtigen Dinge ansprechen sollte. 29,91 %
Ich wollte mit meinem Partner/meiner Partnerin nicht über die Themen zu Hause reden. 7,48 %
Ich konnte nicht alles ansprechen, was mir wichtig war. 37,38 %
Ohne Antwort 39 Personen

(Mehrfachnennungen möglich)

Wichtig ist dabei, zur Kenntnis zu nehmen, dass von den 207 gewählten Items 45 von den Personen gewählt wurden, deren Beziehung gescheitert war, und 152 von denen, die eine Krise erlebten. Die Antworten verdeutlichen, dass vor allem ein Kommunikationsdefizit die Beziehung belastet : „Wie können wir über was während des Auslandsaufenthalts reden ?“ Fast 2/3 der Angehörigen klagen darüber, nicht richtig und wahrhaftig zu erfahren, was im Einsatz geschieht !

Eine weitere Frage lautete : „Was weiß mein Partner von meiner Lebenswirklichkeit in der Zeit des Auslandseinsatzes ?“ Während die Paare mit stabiler Beziehung zu 64,2 % wählten : „Ich erfahre via Telefon, Mail und Brief alles ganz genau und erzähle auch viel von meinem Leben“, sind es bei den 32 Angehörigen, deren Beziehung in Krise geriet, nur noch 31,3 %. Das Item „Mit etlichen Erfahrungen zu Hause will ich den Partner nicht belasten“ findet bei stabiler Beziehung 22,8 % Zustimmung, in Krise 40,6 %.

Diese Daten verdeutlichen weiter das Kommunikationsproblem, auch wenn sie keine Ursachen bezeichnen, keine Veränderungen. Es kann aus der Erhebung nicht erschlossen werden, ob erst die Krise war, die durch den Einsatz verschärft wurde, oder ob der Einsatz die Krise auslöste. Hier müssten Wiederholungsbefragungen zu verschiedenen Zeitpunkten Genaueres erheben. Seitens der Soldaten zeigt sich folgende Wirklichkeit :

– Ca. 30 % der Soldaten geben an, dass die Angehörigen zuhause alles erfahren, 34,4 % von denen, deren Beziehung keine Krise durchlebte, 27,3 % derer, die krisenerfahren sind. Zugleich sagen 40,9 % der Krisensicheren, sie wollen die Partner nicht mit allem belasten, 14,3 % trauen den Partnern auch das Verständnis nicht zu (36,4 % und 24,2 % derer, die Krisen erlebten).

– Die Einsätze verschärften offensichtlich doch die Kommunikationsblockaden.

– Die Soldaten wurden gebeten, ihren Beziehungen Noten von 1–5 zu geben ; vor, während und nach dem Einsatz. Vor dem Einsatz ergab sich ein Schnitt von 1,53, darunter 98 mit Note 1 und zwei mit den Noten 4 oder 5. Während des Einsatzes lag der Schnitt bei 1,85, darunter 72 mit 1 und zwölf mit den Noten 4 oder 5. Nach dem Einsatz lag der Schnitt bei 1,89, darunter 81 mit 1 und 18 mit 4 oder 5.

Insgesamt bilden diese Antworten das Scheitern einiger Beziehungen ab und die Belastung während des Einsatzes.

Ausdrücklich wurde auch die sexuelle Treue thematisiert : „Die Zeit der Trennung während des Auslandseinsatzes ist eine Zeit der Bewährung von Treue und Vertrauen, auch im sexuellen Bereich.“ Unter 6 Items konnte gewählt werden :

– Mich quält die Unsicherheit, ob mein Partner/meine Partner mir treu geblieben ist.

– Ich kann mit meinem Partner/meiner Partnerin nicht über Fragen bezüglich der Sexualität in dieser Zeit reden.

– Mein Partner/meine Partnerin ist mir während dieser Zeit fremder geworden.

– In dieser Zeit habe ich mich darauf eingelassen, außerhalb meiner Beziehung sexuell aktiv zu werden.

– Ich habe davon erfahren, dass mein Partner/meine Partnerin sich auf eine Beziehung eingelassen hat.

– Ich kann mir gut vorstellen, dass mein Partner so handelt.

Nur 36 % der Soldaten und 46 % der Angehörigen waren bereit, diese Fragen zu beantworten. Man kann vermuten, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema verdrängt wird, gerade auch aufgrund der hohen Unsicherheit und Entfremdung. Auch hier wurde wieder der Zusammenhang zwischen den Items und der Beziehungsbewertung beobachtet. Insgesamt sprechen 22 Soldaten davon, dass die Fremdheit gewachsen sei, 20 können sich gut vorstellen, dass ein anderer Partner gesucht worden war (darunter auch 14, deren Beziehung nicht in die Krise gekommen war). Durch die Angehörigen wird die Unsicherheit, was die Treue ihrer Partner betrifft, am stärksten bewertet. Auch hier werden Fremdheitserfahrungen gemacht und die Vorstellung, dass ein anderer Partner gesucht wurde, ist auch bei stabiler Beziehung 10-mal benannt.

In der Soldatenbefragung haben wir ausdrücklich die Bewertung der Distanzbeziehung und ihrer Folgen abgefragt : „Vor dem Hintergrund der verschiedenen Versetzungen sind Sie mit einem Leben in Distanz zu ihren Ehepartner/inn/en/Lebensgefährt/inn/en und ggf. Kindern konfrontiert : Der Auslandseinsatz verschärft das.“

65,5 % wussten sich durch ihre Beziehung gestärkt, 55,2 % fanden sie durch einen Brief von zuhause belegt, 20,7 % nahmen jedoch auch wahr, dass sie nach der Rückkehr ihren Platz neu finden mussten, 19,5 % konnten nicht alles besprechen. Dennoch wird in den möglichen Freitextantworten deutlich, dass die meisten ausführliche Gespräche geführt haben, dass aber auch einige keine Kommunikation hatten, die über das Organisatorische hinausging, sondern nur routinierte Gespräche führten und sich für Ausführlicheres keine Zeit nahmen.

In den Beurteilungen der Beziehungsstabilität zeigen sich vor allem Krisenphänomene. Sie zeigen sich in einer schlechteren Beziehung zum Partner oder in der Not, neu seinen Platz zu finden und mit dem Partner zu sprechen.

d. Vorbereitung der Einsätze

α. In den Familien

Wie bereiten sich die Familien auf den Einsatz vor, welche Formen haben sich da entwickelt ? Dies haben wir in einer offenen Frage erhoben : 129 Soldaten und 95 Angehörige haben diese Frage beantwortet. Die freien Antworten lassen sich inhaltlich auf 7 Themenbereiche verteilen.