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Studien
zur Theologie und Praxis
der Caritas und Sozialen Pastoral

Herausgegeben von
Klaus Baumann und
Ursula Nothelle-Wildfeuer

Begründet von
Heinrich Pompey und
Lothar Roos

Band 28

Eunmi Lee

Religiosität
bzw. Spiritualität
in Psychiatrie und
Psychotherapie

Ihre Bedeutung für
psychiatrisches Wirken
aus der Sicht des
psychiatrischen Personals
anhand einer bundesweiten
Personalbefragung

 

Als Dissertation eingereicht
an der Theologischen Fakultät der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.

Dekan

1. Gutachter

2. Gutachter

Prof. Dr. med. Ulrich Voderholzer
(Universitätsklinikum Freiburg;
Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee)

Tag der Disputation

Vorsitzender der Disputation

 

 

Bibliografische Information
der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

 

1. Auflage 2014
© 2014 Echter Verlag, Würzburg

 

ISBN 978-3-429-03674-4 (Print)
ISBN 978-3-429-04741-2 (PDF)
ISBN 978-3-429-06155-5 (ePub)

 

www.echter-verlag.de

Vorwort

Die vorliegende Arbeit ist eine überarbeitete Version meiner Dissertation. Die Veränderungen basieren auf den Hinweisen durch die Gutachter.

Ich möchte denjenigen von Herzen danken, die mich auf dem Weg dieser Doktorarbeit begleitet und unterstützt haben. Ohne sie wäre es mir unmöglich gewesen, meine Arbeit bzw. das Forschungsprojekt erfolgreich zu Ende zu bringen:

Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Prof. Dr. theol. Klaus Baumann, der mich in meiner Entwicklung als Wissenschaftlerin und Mensch immer gefordert und gefördert hat. Als eine ausländische Doktorandin mit einem anderen kulturellen Hintergrund möchte ich ihm vor allem für sein Verständnis und seine Geduld danken.

Bei Prof. Dr. med. Mathias Berger und Prof. Dr. med. Ulrich Voderholzer möchte ich mich herzlich bedanken. Mit ihrer großen Unterstützung konnte das gesamte Projekt über die Pilotstudie an der Uniklinik Freiburg hinaus erfolgreich durchgeführt werden.

Mein weiterer Dank geht an die interdisziplinäre Freiburger Forschungsgruppe ReS für die intensive wissenschaftliche Zusammenarbeit. Des Weiteren möchte ich meinen Kollegen/-innen des Arbeitsbereichs Caritaswissenschaft und Christliche Sozialarbeit, besonders Frau Ursula Wangler, danken, deren warme Unterstützung und Belehrungen mich immer unterstützt haben und von der ich erfahren habe, was Zusammenarbeit im Team bedeutet.

Auch nach Korea richtet sich das Wort des Dankes an Prof. Timoteo Kim und Prof. Boksoon Kwon der katholischen Universität Daegu in Korea, die mich in die Welt der Wissenschaft eingeführt und mich auf diesem Weg stets begleitet haben. Meiner Familie in Korea danke ich vom Herzen für ihre unerlässliche Unterstützung. Ohne sie hätte ich niemals die Kraft gefunden, meine Arbeit in einem fremden Land zu Ende zu bringen.

Zuletzt möchte ich meinem Freund, Sebastian Wong, danken, der allezeit zu mir steht und mich voller Liebe unterstützt hat.

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Freiburg, den 30. Januar 2013

Eunmi Lee

Zusammenfassung

Der Einfluss von Religiosität bzw. Spiritualität ist in der postmodernen Medizin, insbesondere in den Bereichen der Psychiatrie und Psychotherapie, ein intensiv diskutiertes Thema. Eine sachliche Auseinandersetzung mit der Thematik „Religiosität bzw. Spiritualität“ in diesem medizinischen Kontext verlangt wissenschaftlich qualifizierte Fakten. Bis heute bietet die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen, vor allem im deutschsprachigen Raum, diesbezüglich eine eingeschränkte Basis für umfassende Diskussionen.

Um der aktuellen Diskussion mit empirisch fundierten Argumenten zu begegnen, wurde eine bundesweite Personalstudie in Psychiatrie und Psychotherapie in Unikliniken und in ausgewählten konfessionellen Kliniken derselben Städte durchgeführt. Ihr Ziel ist es, aufzuzeigen, welche Bedeutung die eigene Spiritualität des psychiatrischen Personals für dieses selbst, für seine Patienten/-innen und für eine Integration von Religiosität bzw. Spiritualität im therapeutischen Verlauf der Psychiatrie und Psychotherapie hat. Die fünf Hauptfragestellungen sind folgende:

• Frage 1: Wie spirituell ist das psychiatrische Personal?

• Frage 2: Welche Ansicht hat das psychiatrische Personal zur Religiosität bzw. Spiritualität seitens der Patienten/-innen?

• Frage 3: Wie ist Religiosität bzw. Spiritualität in die psychiatrische Behandlung integriert?

• Frage 4: Wie kooperiert das psychiatrische Personal mit klinischen Seelsorgern/-innen in Psychiatrie und Psychotherapie?

• Frage 5: Inwiefern sind religiöse bzw. spirituelle Themen im Ausbildungs- bzw. Fortbildungsprogramm in Psychiatrie und Psychotherapie vorhanden?

In dieser Studie bezieht sich die Bezeichnung „Personal“ auf das ärztliche, therapeutische und pflegerische Personal. Sonstige Berufsgruppen, wie zum Beispiel Sozialarbeiter/-in oder Klinikseelsorger/-in, gehören jedoch auch zur Gruppe der Befragten. Der Fragebogen der vorliegenden Studie ist zum großen Teil aus den zwei vorhandenen Instrumenten, The Duke University Religion Index (DUREL) und dem Fragebogen von F. Curlin et al.: Religion and Spirituality in Medicine: Physicians’ perspectives, aufgebaut. Die Studie wurde von Ende August 2010 bis Ende Februar 2011 durchgeführt und der Rücklauf ist 24,43 % (404 von 1654 Fragebögen). Die vorliegende bundesweite Personalbefragung ergab etliche wesentliche Resultate. Die Befunde sind folgende:

image Die eigene Spiritualität ist für psychiatrisches Personal wichtig: In dieser Studie waren Probanden nicht auffallend hoch spirituell mit einem Wert von 7,01 (SD = 3,15, Höchstmöglicher Wert = 12,00) bei DUREL, aber Antworten auf die Fragen der Auswertung zu Spiritualität zeigen, dass die eigenen religiösen bzw. spirituellen Einstellungen für das Personal eine wesentliche Rolle spielen.

image Das psychiatrische Personal hält die Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität auf Patienten/-innen für positiv: Zum Beispiel ordnen gut 77 % des psychiatrischen Personals Religiosität bzw. Spiritualität als Copingstrategie ein.

image Die Integration von religiösen bzw. spirituellen Ressourcen ist noch passiv in psychiatrischen Behandlungen: Die psychiatrischen Befragten lehnen Religiosität bzw. Spiritualität in der praktischen Arbeit nicht ab und behandeln diese nicht skeptisch. Sie halten religiöse bzw. spirituelle Themen im Lauf der Therapie für relativ angemessen, aber nur solange diese Themen im Rahmen des Gespräches und seitens der Patienten/-innen angestoßen werden.

image Ein Zusammenhang besteht zwischen der eigenen Spiritualität des Personals und seinen Einstellungen bzw. Integration der religiösen bzw. spirituellen Ressourcen der Patienten/-innen in der Praxis: Die vorliegende Studie belegt einen signifikanten und hohen positiven Zusammenhang zwischen der eigenen Spiritualität und der Angemessenheit des Personals in Bezug auf Religiosität bzw. Spiritualität sowie der Reaktion des Personals auf Religiosität bzw. Spiritualität. Mit anderen signifikanten Zusammenhängen zeigen die Ergebnisse, dass Religiosität bzw. Spiritualität in Psychiatrie und Psychotherapie positiver wahrgenommen und häufiger bzw. fördernder integriert wird, wenn das psychiatrische Personal die eigene Spiritualität für wichtig hält.

image Im Klinikalltag lässt sich feststellen, dass die Zusammenarbeit mit Klinikseelsorgern/-innen sehr begrenzt ist: 80,4 % des psychiatrischen Personals haben Kontakt mit Klinikseelsorgern/-innen. Aber die Befragten hinsichtlich des Berufs haben unterschiedliche Erfahrung. Gut die Hälfte der Psycho- und anderen Therapeuten/-innen hat mit Klinikseelsorgern/-innen keine Erfahrung, während zirka 90 % des Pflegepersonals und etwa 85 % der Psychiater/-innen Erfahrung mit Seelsorgern/-innen in Kliniken bestätigen.

image Ausbildungs- bzw. Fortbildungsprogramme mit religiösen bzw. spirituellen Themen in psychiatrischen Feldern sind bisher in der Regel nicht verfügbar: Es ist auffallend, dass das psychiatrische Personal oft wegen mangelnder Kenntnisse bei religiösen bzw. spirituellen Themen diese in therapeutischen Behandlungen passiv betrachtet oder sogar ignoriert. Dieser Studie zufolge liegt der Anteil an Personal, welches Religiosität bzw. Spiritualität in einem Bildungsprogramm kennenlernte bzw. behandelte, bei nur knapp 30 %.

Basierend auf diesen Ergebnissen werden folgende Impulsfragen zur Diskussion bzw. Überlegung gestellt:

• Wie sehr beachtet das psychiatrische Personal Religiosität bzw. Spiritualität seitens der Patienten/-innen?

• Wie gut kennt das psychiatrische Personal Religiosität bzw. Spiritualität im Rahmen der Psychiatrie und Psychotherapie?

• Wie klar versteht und unterscheidet das psychiatrische Personal professionelle Neutralität und Wertoffenheit?

• Wie gut kennt das psychiatrische Personal seine eigenen Einstellungen zu Religiosität bzw. Spiritualität?

• Wie gut kennt sich das Personal in einem Team untereinander, insbesondere bezüglich Religiosität bzw. Spiritualität?

• Wie intensiv sind die Klinikseelsorger/-innen in die Teams der Psychiatrie und Psychotherapie integriert?

Die Gesundheit eines Menschen ist abhängig von einer Vielzahl verschiedener mitunter auch subjektiver Faktoren. Weitere interdisziplinäre Forschung unter Einbindung von Personal (inkl. Seelsorgern/-innen) und Patienten/-innen sollte das Ziel verfolgen, in welcher (Interventions-) Weise Religiosität bzw. Spiritualität in die therapeutische bzw. pflegerische Behandlung der Krankheitsbewältigung integriert werden kann, und wie die Bedürfnisse von religiösen bzw. spirituellen Patienten/-innen besser beachtet werden können.

Für religiöse Menschen ist ihr Gott dasjenige Wesen, das ihnen Mut und eine positive Einstellung für die Zukunft gibt, und ein Fixpunkt, auf den sie sich emotional verlassen können. Für viele christlich religiöse Menschen ist der Glaube an Gott eine verlässliche Hoffnung, mit der sie ihre Gegenwart, vor allem schwierige Momente, bewältigen können. Solch eine Hoffnung spielt vor allem für Patienten/-innen in ihrer medizinischen Behandlungszeit eine wesentliche Rolle. Hier sollten vor allem psychisch kranke Menschen nicht ausgeklammert werden. Jeder Mensch hat das Recht, zu hoffen und zu glauben.

„Alles kann, wer glaubt (Mk 9,23).

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Abstract

The influence of religiosity/ spirituality in postmodern medicine is an intensely discussed topic, particularly in the fields of psychiatry and psychotherapy. Enabling an unbiased discussion regarding “religiosity/ spirituality” within the context of medicine requires reliable scientific research on this subject. Until now, however, there have been few studies, especially in German speaking countries.

To provide well-founded evidence for the current discussion, a nationwide survey was undertaken among psychiatric staff in German university hospitals and selected confessional hospitals within the same cities. This survey aimed to investigate psychiatric staff’s own religiosity/ spirituality and its role for their patients as well as the integration of religiosity/ spirituality into therapeutic processes. The five main questions were:

• Question 1: How spiritual is psychiatric staff?

• Question 2: What attitude does psychiatric staff have toward the religiosity/ spirituality of their patients?

• Question 3: How is religiosity/ spirituality integrated into the therapeutic process?

• Question 4: How does psychiatric staff cooperate with chaplains and other clinical pastoral care workers?

• Question 5: To what extent are religious/ spiritual issues addressed in training and continuing education programs for psychiatry and psychotherapy?

In this survey, “staff” refers to physicians (i. e. psychiatrists), therapists (e. g. psycho- and physiotherapist) and nurses. Other professions, e. g. social workers, clinical pastoral care workers were also surveyed. The questionnaire used in this study was developed based on two main existing tools, the Duke University Religion Index (DUREL) and the questionnaire from F. Curlin et al. on “Religion and Spirituality in Medicine: Physicians’ perspectives”. The study took place from late August 2010 until the end of February 2011, with a response rate of 24.43 % (404 of 1654 questionnaires). The nationwide survey yielded a variety of significant findings. The main results are as follows:

image Psychiatric staff values their own spirituality: Although the mean score for spirituality on the DUREL was only 7.01 (SD = 3.15, highest possible score = 12.00), responses from staff concerning religious/ spiritual traits showed that personal religious/ spiritual attitudes play an important role for psychiatric staff.

image Psychiatric staff perceives that religiosity/ spirituality has a positive effect on patients: Approximately 77 % of psychiatric staff considered religiosity/ spirituality a viable coping strategy.

image The integration of religious and spiritual issues/ resources into psychiatric therapies is passive: Psychiatric staff neither rejects religiosity/ spirituality in their clinical practice nor views it skeptically. Staff considers religiosity/ spirituality relatively appropriate in the therapeutic setting, but these issues are only actively handled by psychiatric staff when they are brought up in a conversation and typically addressed by the patients.

image A correlation exists between staff members’ own spirituality, their attitude toward religiosity/ spirituality, and the integration of patients’ religious or spiritual resources into their practice: This study showed a significant, highly positive correlation between the staff’s own spirituality and their acceptance of and manner of dealing with religiosity/ spirituality in their clinical practice. As shown by other significant correlations, results revealed that religiosity/ spirituality in the therapeutic setting is perceived more positively, is integrated and even encouraged more often when psychiatric staff also considers spirituality important.

image In day-to-day clinical practice, cooperation with pastoral care workers is very limited: 80.4 % of psychiatric staff have contact to professionals working in clinical pastoral care. Participants’ experiences, however, greatly varied depending on their profession. Ca. 50 % of psychotherapists and other therapists have contact to clinical pastoral care workers, whereas, ca. 90 % of nursing staff and 85 % of psychiatrists interact with clinical pastoral care workers.

image Training and continuing education programs that address religious/ spiritual issues are not commonly available for psychiatric staff: It is remarkable that psychiatric staff often acts passively or even ignores religious/ spiritual topics because of a lack of knowledge regarding religiosity/ spirituality. According to the results of this study, approximately 30 % of the respondents had taken part in training or continuing education programs addressing religiosity/ spirituality. Based on these results, it appears meaningful to consider the following questions in their respective order:

• To what extent does psychiatric staff perceive religiosity/ spirituality among their patients?

• How much does psychiatric staff know about religiosity/ spirituality in the context of psychiatry and psychotherapy?

• To what extent does psychiatric staff understand and differentiate between professional neutrality and value-openness?

• How well does psychiatric staff understand their own attitudes toward religiosity/ spirituality?

• How well do team members know each other, especially in regard to religiosity/ spirituality?

• To what extent are clinical pastoral care workers integrated into psychiatric and psychotherapeutic teams?

The health of a person depends on a variety of factors; some of which are highly subjective. Future interdisciplinary research together with staff (e. g. clinical pastoral care workers) and patients should focus on finding a way to optimize the integration of patients’ religious/ spiritual needs into care giving services and strategies for coping with illness. Furthermore, more attention must be focused on patients’ religious/ spiritual needs.

Religious people see God as their supreme source of strength, which also gives them a positive outlook on the future. God symbolizes an “emotional anchor” on which they can rely, and for many religious persons, faith in God is a reliable source of hope, especially in difficult times such as illness. Having hope is particularly important for persons dealing with an illness and undergoing medical treatment. In particular spiritual/ religious support for persons with a mental illness should not be disregarded. Every human has the right to hope and to believe.

“Everything is possible for one who believes (Mk 9:23).

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image Inhaltsverzeichnis:

Vorwort

Zusammenfassung

Abstract

Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

I.

Hinführung

II.

Einführung: Saluto- wie pathogene Effekte von Religiosität bzw. Spiritualität

1.

Religiosität bzw. Spiritualität und Gesundheit

1.1.

Begriffsdefinition von Religion(en), Religiosität und Spiritualität

1.1.1.

Religionen in postmodernen Gesellschaften

1.1.2.

Religiosität und Spiritualität

1.2.

Begriffsdefinition von Gesundheit und Krankheit

1.2.1.

Gesundheit und Krankheit

1.2.2.

Verständnis von Heilung

2.

Wissenschaft in Teamarbeit: Kooperation mehrerer Disziplinen

2.1.

Überblick über Teamarbeit

2.1.1.

Begriffsdefinition der Teamarbeit

2.1.2.

Beispielsfelder Teamarbeit

2.2.

Interdisziplinäre Arbeit zu Theologie und Medizin

2.2.1.

Ansätze zur interdisziplinären Zusammenarbeit von Theologie und Medizin

2.2.2.

Beispielfelder interdisziplinärer Zusammenarbeit von Theologie und Medizin: Palliative Care und Spiritual Care

3.

Religiosität bzw. Spiritualität in Psychiatrie und Psychotherapie

3.1.

Historischer Überblick über Religiosität bzw. Spiritualität in Psychiatrie und Psychotherapie

3.2.

Aktuelle Tendenzen in Bezug auf Religiosität bzw. Spiritualität in Psychiatrie und Psychotherapie

3.2.1.

Religion(en) als sozialer bzw. kultureller Faktor

3.2.2.

Betonung der Personal-Patient-Beziehung

3.2.3.

Religiöse bzw. spirituelle Bedürfnisse seitens der Patienten/-innen

3.3.

Integration von Religiosität bzw. Spiritualität

3.4.

Kritische Ansichten zu Religiosität bzw. Spiritualität in Psychiatrie und Psychotherapie

3.4.1.

Neutralität: Passt Religiosität bzw. Spiritualität zur professionellen Neutralität?

3.4.2.

Tabuthema: Hat Religiosität bzw. Spiritualität überhaupt Einfluss auf die Gesundheit?

3.4.3.

Messbarkeit: Wie wird Religiosität bzw. Spiritualität gemessen?

3.4.4.

Regionale Unterschiede: Ist Religiosität bzw. Spiritualität nur in den USA ein Thema?

4.

Stand der Forschung: Religiosität bzw. Spiritualität in Psychiatrie und Psychotherapie

4.1.

Religiosität bzw. Spiritualität in Bezug auf Gesundheit

4.2.

Stand der empirischen Forschung

4.2.1.

Empirische Forschungen zu körperlicher Gesundheit

4.2.2.

Empirische Forschungen zu psychischer Gesundheit

4.2.3.

Empirische Forschungen zu Einstellungen von Patienten/-innen, Angehörigen und Personal in psychiatrischen Einrichtungen

4.2.3.1.

Religiosität bzw. Spiritualität aus der Sicht von psychiatrischen Patienten/-innen

4.2.3.2.

Religiosität bzw. Spiritualität aus der Sicht von Angehörigen von psychiatrischen Patienten/-innen

4.2.3.3.

Religiosität bzw. Spiritualität aus der Sicht des psychiatrischen Personals

4.2.3.3.1.

Eigene religiöse bzw. spirituelle Einstellungen des Personals in Psychiatrie und Psychotherapie

4.2.3.3.2.

Ansichten des Personals zu Religiosität bzw. Spiritualität der Patienten/-innen in Psychiatrie und Psychotherapie

4.2.3.3.3.

Ansichten des Personals zur Integration von Religiosität bzw. Spiritualität in Psychiatrie und Psychotherapie

4.2.4.

Empirische Forschungen zu Ausbildungs- bzw. Fortbildungsprogrammen

4.3.

Probleme der bisherigen Studien

5.

Zusammenfassung

III.

Empirische Studie: Bundesweite Personalbefragung in Psychiatrie und Psychotherapie

1.

Zusammenfassung der Pilotstudie in Freiburg 2009

2.

Ablauf der bundesweiten Personalbefragung

2.1.

Fragestellungen

2.2.

Stichprobe

2.3.

Beschreibung der Daten

2.3.1.

Hauptgegenstände

2.3.1.1.

Personal

2.3.1.2.

Spiritualität

2.3.2.

Bearbeitung des Erhebungsinstruments

2.3.2.1.

DUREL

2.3.2.2.

Fragebogen von F. Curlin et al.

2.3.2.3.

Ergänzte Fragen

2.3.3.

Struktur des Fragebogens

2.4.

Statistische Analyse

3.

Ergebnisse

3.1.

Demografische Angaben

3.2.

Erster Teil: Bedeutung der Religiosität bzw. Spiritualität für das Personal

3.2.1.

Bezeichnung als gläubiger Mensch

3.2.2.

Organisierte Religiosität

3.2.3.

Nichtorganisierte Religiosität

3.2.4.

Spiritualität

3.2.4.1.

Mittelwert der Spiritualität: Einzelitems

3.2.4.2.

Mittelwert der Spiritualität: Gesamtpunktzahl

3.3.

Zweiter Teil: Erfahrung mit Religiosität bzw. Spiritualität seitens der Patienten/-innen

3.3.1.

Erwähnung religiöser bzw. spiritueller Themen seitens der Patienten/-innen

3.3.1.1.

Mittelwert der Erwähnung religiöser bzw. spiritueller Themen seitens der Patienten/-innen

3.3.1.2.

Korrelation mit Spiritualität

3.3.2.

Positive Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität

3.3.2.1.

Mittelwert der Annahme einer positiven Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität: Einzelitems

3.3.2.2.

Mittelwert der Annahme einer positiven Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität: Gesamtpunktzahl

3.3.2.3.

Korrelation mit Spiritualität

3.3.3.

Negative Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität

3.3.3.1.

Mittelwert der Annahme einer negativen Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität: Einzelitems

3.3.3.2.

Mittelwert der Annahme einer negativen Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität: Gesamtpunktzahl

3.3.3.3.

Korrelation mit Spiritualität

3.3.4.

Verhältnis zwischen den Items des zweiten Teils

3.4.

Dritter Teil: Umgang mit Religiosität bzw. Spiritualität

3.4.1.

Angemessenheit

3.4.1.1.

Mittelwert der Angemessenheit: Einzelitems

3.4.1.2.

Mittelwert der Angemessenheit: Gesamtpunktzahl

3.4.1.3.

Korrelation mit Spiritualität

3.4.2.

Gesprächszeit

3.4.2.1.

Gruppenvergleich der Gesprächszeit

3.4.2.2.

Korrelation mit Spiritualität

3.4.3.

Psychische Erkrankungen

3.4.3.1.

Gespräche über Religiosität bzw. Spiritualität bei ethischem Dilemma

3.4.3.1.1.

Mittelwert des Gesprächs über Religiosität bzw. Spiritualität bei ethischem Dilemma

3.4.3.1.2.

Korrelation mit Spiritualität

3.4.3.2.

Gespräche über Religiosität bzw. Spiritualität bei psychischen Erkrankungen

3.4.3.2.1.

Mittelwert der Gespräche über Religiosität bzw. Spiritualität bei psychischen Erkrankungen: Einzelitems

3.4.3.2.2.

Mittelwert der Gespräche über Religiosität bzw. Spiritualität bei psychischen Erkrankungen: Gesamtpunktzahl

3.4.3.3.

Korrelation mit Spiritualität

3.4.4.

Akzeptanzreaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität

3.4.4.1.

Mittelwert der Akzeptanzreaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität: Einzelitems

3.4.4.2.

Mittelwert der Akzeptanzreaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität: Gesamtpunktzahl

3.4.4.3.

Korrelation mit Spiritualität

3.4.5.

Fördernde Reaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität

3.4.5.1.

Mittelwert der fördernden Reaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität: Einzelitems

3.4.5.2.

Mittelwert der fördernden Reaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität: Gesamtpunktzahl

3.4.5.3.

Korrelation mit Spiritualität

3.4.6.

Hindernisse für die Integration der Religiosität bzw. Spiritualität

3.4.7.

Verhältnis zwischen den Items des dritten Teils

3.5.

Vierter Teil: Religiosität bzw. Spiritualität als Copingstrategie

3.5.1.

Mittelwert der Copingstrategie

3.5.2.

Korrelation mit Spiritualität

3.5.3.

Verhältnis zwischen den Items des vierten Teils

3.6.

Fünfter Teil: Interdisziplinärer Dialog

3.6.1.

Erfahrung mit Seelsorge

3.6.1.1.

Häufigkeit der Erfahrung mit Seelsorge

3.6.1.2.

Zusammenhang mit Spiritualität

3.6.2.

Ausbildungs- bzw. Fortbildungsprogramme mit religiösen bzw. spirituellen Themen

3.6.2.1.

Erfahrung mit Ausbildungs- bzw. Fortbildungsprogrammen mit religiösen bzw. spirituellen Themen

3.6.2.2.

Kontext der Ausbildungs- bzw. Fortbildungsprogramme

3.6.2.3.

Teilnahmewünsche an Ausbildungs- bzw. Fortbildungsprogrammen mit religiösen bzw. spirituellen Themen

3.6.2.4.

Zusammenhang mit Spiritualität

3.6.3.

Verhältnis zwischen den Items des fünften Teils

IV.

Diskussion

1.

Befunde der Studie

2.

Diskurs bzw. Argumentation

3.

Grenzen der Studie

4.

Implikation der Studie

5.

Fazit

V.

Literaturverzeichnis

VI.

Anhang

Lebenslauf

ANMERKUNGEN

image Tabellenverzeichnis:

• Tab. 1:

Demografische Merkmale des Personals

• Tab. 2:

Zusammenhang zwischen demografischen Hauptmerkmalen

• Tab. 3:

Selbstbezeichnung als gläubiger Mensch

• Tab. 4:

Organisierte Religiosität

• Tab. 5:

Nichtorganisierte Religiosität

• Tab. 6:

Mittelwertunterschied der Spiritualität: Einzelitems

• Tab. 7:

Mittelwertunterschied der Spiritualität: Gesamtpunktzahl

• Tab. 8:

Mittelwertunterschied der Annahme einer positiven Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität: Einzelitems -1

• Tab. 9:

Mittelwertunterschied der Annahme einer positiven Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität: Einzelitems -2

• Tab. 10:

Mittelwertunterschied der Annahme einer positiven Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität: Gesamtpunktzahl

• Tab. 11:

Mittelwertunterschied der Annahme einer negativen Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität: Einzelitems

• Tab. 12:

Mittelwertunterschied der Annahme einer negativen Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität: Gesamtpunktzahl

• Tab. 13:

Zusammenhang zum zweiten Teil „Erfahrung mit Religiosität bzw. Spiritualität seitens der Patienten/-innen“

• Tab. 14:

Mittelwertunterschied der Angemessenheit: Einzelitems

• Tab. 15:

Mittelwertunterschied der Angemessenheit: Gesamtpunktzahl

• Tab. 16:

Mittelwertunterschied des Gesprächs bei psychischen Erkrankungen: Einzelitems-1

• Tab. 17:

Mittelwertunterschied des Gesprächs bei psychischen Erkrankungen: Einzelitems-2

• Tab. 18:

Mittelwertunterschied des Gesprächs bei psychischen Erkrankungen: Gesamtpunktzahl

• Tab. 19:

Mittelwertunterschied der Akzeptanzreaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität: Einzelitems

• Tab. 20:

Mittelwertunterschied der Akzeptanzreaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität: Gesamtpunktzahl

• Tab. 21:

Mittelwertunterschied der fördernden Reaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität: Einzelitems

• Tab. 22:

Mittelwertunterschied der fördernden Reaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität: Gesamtpunktzahl

• Tab. 23:

Hindernisse für die Integration der Religiosität bzw. Spiritualität-1

• Tab. 24:

Hindernisse für die Integration der Religiosität bzw. Spiritualität-2

• Tab. 25:

Zusammenhang zum dritten Teil „Umgang mit Religiosität bzw. Spiritualität“

• Tab. 26:

Religiosität bzw. Spiritualität als Copingstrategie

• Tab. 27:

Zusammenhang zum vierten Teil „Religiosität bzw. Spiritualität als Copingstrategie“

• Tab. 28:

Erfahrung mit Klinikseelsorge

• Tab. 29:

Erfahrung mit Ausbildungs- bzw. Fortbildungsprogramm

• Tab. 30:

Kontext des Programms mit Religiosität bzw. Spiritualität

image Abbildungsverzeichnis:

• Abb. 1:

Publikationen mit religiösen bzw. spirituellen Themen-1

• Abb. 2:

Publikationen mit religiösen bzw. spirituellen Themen-2

• Abb. 3:

Häufigkeit der organisierten und nichtorganisierten Religiosität

• Abb. 4:

Häufigkeit der Spiritualität

• Abb. 5:

Mittelwertunterschied der Spiritualität

• Abb. 6:

Häufigkeit der Annahme einer positiven Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität

• Abb. 7:

Mittelwertunterschied der Annahme einer positiven Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität

• Abb. 8:

Häufigkeit der Annahme einer negativen Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität

• Abb. 9:

Mittelwertunterschied der Annahme einer negativen Wirkung von Religiosität bzw. Spiritualität

• Abb. 10:

Korrelation zum zweiten Teil „Erfahrung mit Religiosität bzw. Spiritualität seitens der Patienten“

• Abb. 11:

Häufigkeit der Angemessenheit

• Abb. 12:

Mittelwertunterschied der Angemessenheit

• Abb. 13:

Gesprächszeit über Religiosität bzw. Spiritualität

• Abb. 14:

Mittelwertunterschied des Gesprächs über Religiosität bzw. Spiritualität bei ethischem Dilemma

• Abb. 15:

Häufigkeit des Gesprächs über Religiosität bzw. Spiritualität bei psychischen Erkrankungen

• Abb. 16:

Mittelwertunterschied des Gesprächs über Religiosität bzw. Spiritualität bei psychischen Erkrankungen

• Abb. 17:

Häufigkeit der Akzeptanzreaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität

• Abb. 18:

Mittelwertunterschied der Akzeptanzreaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität: Gesamtpunktzahl

• Abb. 19:

Häufigkeit der fördernden Reaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität: Einzelitems

• Abb. 20:

Mittelwertunterschied der fördernden Reaktion auf Religiosität bzw. Spiritualität

• Abb. 21:

Hindernisse für die Integration der Religiosität bzw. Spiritualität

• Abb. 22:

Korrelation zum dritten Teil „Umgang mit Religiosität bzw. Spiritualität“-1

• Abb. 23:

Korrelation zum dritten Teil „Umgang mit Religiosität bzw. Spiritualität“-2

• Abb. 24:

Häufigkeit der Copingstrategie

• Abb. 25:

Religiosität bzw. Spiritualität als Copingstrategie

• Abb. 26:

Korrelation zum vierten Teil „Religiosität bzw. Spiritualität als Copingstrategie“

• Abb. 27:

Zufriedenheit mit Klinikseelsorge

• Abb. 28:

Kontext des Programms

• Abb. 29:

Zusammenhang zwischen der Spiritualität und Erfahrung des Programms

image Abkürzungsverzeichnis:

• A.

Arzt

• Abb.

Abbildung

• Ath.

Agnostisch/ Atheistisch

• Bd.

Buddhistisch

• DUREL

The Duke University Religion Index

• Ef.

Freikirchlich-evangelisch

• Eh.

Ehemalig

• Ev.

Evangelisch

• Grp.

Gruppe

• IR

Intrinsische Religiosität

• Ka.

Katholisch

• Max.

Maximal

• Mind.

Mindestens

• Ml.

Muslimisch

• N.

Neu

• NOR

Nichtorganisierte Religiosität

• Ob.

Ohne Bekenntnis

• o.J.

Ohne Jahreszahl

• OR

Organisierte Religiosität

• OV

Originalversion

• Pf.

Pflege

• Psy.

Psychologe/ Psychotherapeut

• ReS

Religiosität bzw. Spiritualität

• Sonst.

Sonstig

• Tab.

Tabelle

• Th.

Sonstiger Therapeut

I. Hinführung

Die ersten Versuche der Eltern, ihren Kindern Fahrradfahren beizubringen, sind eine Situation, mit der fast jeder direkt oder indirekt vertraut ist. Anfangs halten die Eltern noch den Gepäckträger, um ihren Kindern bei der Balance zu helfen, um später dann unbemerkt loszulassen und die Kinder selbstständig fahren zu lassen. In solch einer Alltagsszene lässt sich mehr erkennen als allein das Radfahren lernen. Das Verhalten der Kinder ist bemerkenswert gelassen, solange sie glauben, dass ihre Eltern immer noch ihr Fahrrad halten. Sobald sie jedoch bemerken, dass ihre Eltern nicht mehr bei ihnen sind, bekommen die Kinder gleich Angst und fallen hin. Mit der Zeit lernen Kinder aber ebenso, dass, obwohl ihre Eltern das Fahrrad nicht mehr direkt halten, sie immer noch zur Stelle sind, wenn ein Sturz mit dem Fahrrad droht. Mit diesem Vertrauen lernen Kinder letztendlich, allein Fahrrad zu fahren. Das Vertrauen, dass ihre Eltern für sie da sind, ist allein eine große Unterstützung.

Im Laufe des Lebens erlebt jeder Mensch, freiwillig oder zwangsläufig, verschiedenste Herausforderungen, deren Ausgang sowohl positiv als auch negativ ausfallen kann. Solche Herausforderungen bzw. Schwierigkeiten können allein bewältigt werden, aber meistens mit der Unterstützung von Eltern, Freunden/-innen, ansässigen Gemeinden oder einem „höheren Wesen“. Welche Rolle spielt Gott bzw. das „höhere Wesen“ in diesem Kontext? Welche Rolle spielen Religionen im Leben von Menschen?

Für gläubige Menschen hat ihr Gott (oder etwas Göttliches) eine ähnliche Bedeutung wie Eltern für ihre Kinder, die gerade lernen, allein Fahrrad zu fahren. Eltern können nicht statt der Kinder fahren lernen. Hilfe und Unterstützung, bis ihre Kinder alleine Fahrradfahren können, sind jedoch möglich. Religiöse Menschen glauben, dass ihr Gott bzw. das göttliche Wesen zu jeder Zeit bei ihnen ist und sie unterstützt, schwierige Zeiten zu überstehen. Für religiöse Menschen ist ihr Gott dasjenige Wesen, das ihnen Mut und eine positive Einstellung für die Zukunft gibt, und ein Fixpunkt, auf den sie sich emotional verlassen können.

„SPE SALVI facti sumus“ - Auf Hoffnung hin sind wir gerettet (Röm 8,24): In der Enzyklika SPE SALVI betonte Papst Benedikt XVI., dass Hoffnung ein Hauptmerkmal des biblischen Glaubens ist.1 Für viele christlich religiöse Menschen ist der Glaube an Gott eine verlässliche Hoffnung, mit der sie ihre Gegenwart, vor allem schwierige Momente, bewältigen können.2 Sie glauben an ein ewiges Leben, das nicht einfach ein unsterbliches Leben, sondern ein „wahres“ und „glückliches“ Leben bedeutet, das ihnen von Gott geschenkt wird und raumzeitlich nicht abgeschätzt werden kann. Oft können religiöse Menschen darum leichter eine Bedeutung in ihrem Leiden finden und besser damit umgehen.

„Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht (Psalm 23,1;4).“

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Hoffnung spielt vor allem für Patienten/-innen in ihrer medizinischen Behandlungszeit eine wesentliche Rolle. Kranke Menschen suchen sämtliche Möglichkeiten bzw. Auswege, um ihre Krankheit zu besiegen, klammern sich auch an den letzten Strohhalm in der Hoffnung, ihre Krankheit zu überwinden. Für religiöse Menschen, die an einer Krankheit leiden, hat Gott bzw. ihr Gottesglaube eine ausgeprägte Bedeutung. Mit der Hoffnung, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, gehen gläubige Menschen in die Kirche, besuchen den Gottesdienst oder beten häufiger. In Krankenhäusern ist es nicht selten zu sehen, dass sich Mitglieder von Religionsgemeinschaften zusammenfinden, um für einen Kranken gemeinsam zu beten oder kranke Menschen und ihre Angehörigen zu unterstützen bzw. zu trösten.

Demgegenüber ist es weniger üblich, dass ein religiöses bzw. spirituelles Zusammenfinden in psychiatrischen Kliniken stattfindet. Psychisch kranke Menschen sind einer schwierigen Situation ausgesetzt, wenn sie die Hilfe von Religiosität bzw. Spiritualität suchen. Dies wird von Außenstehenden häufig als weiteres Indiz für eine psychische Erkrankung angesehen. Darin werden sie maßgeblich beeinflusst durch die weltweit geachteten Religionskritiken von Sigmund Freud, der einen Zusammenhang zwischen den Zwangsneurosen und rituellen Handlungen bei Religiösen sah und „Neurose als eine individuelle Religion, die Religion als eine universelle Zwangsneurose“ beschrieb3, oder Albert Ellis, der die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) begründete und Religiosität nur als eine irrationale Denkweise musterte.4

In den vergangenen Jahren erfuhr die Orientierung in Psychiatrie und Psychotherapie einen gewissen Wandel, insofern sie stärker eine ganzheitliche und patientenzentrierte Medizin betont. Sie nimmt ernst, dass psychische Erkrankungen verschiedene Ursachen bzw. Rahmenbedingungen haben. Dementsprechend wird die Lebensweise der Patienten/-innen, z. B. Beruf, Hobbys oder Freundeskreis vom psychiatrischen Personal selbstverständlich berücksichtigt. Auch Sexualität wird mittlerweile meist im Therapieprozess zur Sprache gebracht.5 Religiosität bzw. Spiritualität wird auch nicht mehr als ein grundsätzlich pathologischer Faktor beachtet. Es ist aber wohl noch zu früh zu sagen, dass Religiosität bzw. Spiritualität in psychotherapeutischen Behandlungen wie andere Lebensthemen integriert ist. Dem Vernehmen nach werden diese Themen „immer noch“ vorsichtig bzw. skeptisch behandelt.6 Worin liegt die Ursache dafür, dass Religiosität bzw. Spiritualität in psychiatrischen Einrichtungen besonders vorsichtig behandelt wird? Liegt es am historischen Einfluss von Virtuosen, wie z. B. Sigmund Freud, oder an der Annahme, dass der Einfluss von Religiosität bzw. Spiritualität als salutogenetischer Faktor so gering ist, dass es sich nicht lohnt, darauf zu achten? Oder hält psychiatrisches Personal diese Themen für irrelevant und ignoriert sie daher?

Im Folgenden wird zunächst erläutert, wie Religiosität bzw. Spiritualität im Rahmen der Gesundheitsforschung, besonders bezüglich psychischer Gesundheit, aufgenommen wird. Außerdem werden relevante Studien dargestellt, welche die Funktionen von Religiosität bzw. Spiritualität basierend auf empirischen Forschungen darlegen (Kapitel II). Danach werden die Ergebnisse einer eigens durchgeführten Personalstudie vorgestellt, um anzuzeigen, welche Ansichten zu Religiosität bzw. Spiritualität das psychiatrische Personal aktuell hat (Kapitel III). Diese Ergebnisse ermöglichen eine Diskussion darüber, ob und weswegen Religiosität bzw. Spiritualität in Bezug auf Psychiatrie und Psychotherapie „immer noch“ skeptisch oder nur passiv thematisiert wird und wie Religiosität bzw. Spiritualität ferner aufgefasst werden sollte (Kapitel IV).

II. Einführung: Saluto- wie pathogene Effekte von Religiosität bzw. Spiritualität

Das Untersuchungsergebnis einer amerikanischen Studie im Jahr 1999, in deren Konklusion ein positiver Zusammenhang zwischen regelmäßigem Kirchgang und einer höheren Lebenserwartung festgestellt wurde, glich einer Sensation. Laut der Studie von Hummer et al.7 besteht etwa sieben Jahre Unterschied in der Lebenserwartung zwischen Personen, die mindestens einmal pro Woche in die Kirche bzw. zum Gottesdienst gehen, und Personen, die keinerlei solche Aktivitäten wahrnehmen. Kritisch hinterfragt könnte folgende Aussage formuliert werden: „Müssen wir dann alle einfach zur Kirche gehen, um länger zu leben?“ Ähnlich wie diese kritische oder eher sarkastische Frage impliziert Religiosität bzw. Spiritualität in Bezug auf Gesundheit, im Besonderen auf die salutogenetische Wirkung, viele Fragestellungen und Überlegungen, die kritisch analysiert und bewertet werden müssen.

Trotz kritischer Stimmen gelang es der oben genannten Studie, ein hohes Interesse in heutigen Gesellschaften zu erzeugen, trotz der sinkenden Präsenz und Bedeutung von Religionen in postmodernen8 Gesellschaften. Gesundheit zählt heutzutage für viele Menschen zu den höchsten Gütern.9 Auch eine hohe Lebenserwartung zählt ohne Zweifel zu den wichtigsten Aspekten postmoderner Lebensplanungen, ergänzt durch die Erwartungen, glücklich und zufrieden zu leben. In diesem Kontext ergänzte die Weltgesundheitsorganisation (WHO: World Health Organization) im Jahr 2002 ihren Fragebogen der Gesundheitsforschung, „World Health Organization Quality of Life Questionnaire (WHOQOL; 1995)“, um weitere Fragen nach religiösen bzw. spirituellen Bedürfnissen.10 Diese Betonung der WHO von religiösen bzw. spirituellen Bedürfnissen lässt sowohl Patienten/-innen als auch Gesundheitsforscher/-innen (inkl. medizinisches Personal) sich auf die religiösen bzw. spirituellen Dimensionen der Erkrankten fokussieren.11

1. Religiosität bzw. Spiritualität und Gesundheit

Mit dem wachsenden Interesse für die Thematik „Religiosität bzw. Spiritualität in Bezug auf Gesundheit“ ist eine Bestimmung nötig, was Religiös bzw. Spirituell begrifflich darstellt und wie solche verwandten Begriffe von Religion in der säkularisierten Gesellschaft behandelt werden. In den folgenden Abschnitten werden die Hauptbegriffe „Religion, Religiosität und Spiritualität“ beleuchtet, vor allem, welche Bedeutungen sie in Europa, besonders in Deutschland, haben. Darüber hinaus werden die Begriffe „Gesund- und Kranksein“ definiert, damit diese im Zusammenhang mit Religiosität bzw. Spiritualität richtig verstanden werden können.

1.1. Begriffsdefinition von Religion(en), Religiosität und Spiritualität

„Haben Sie eine Religion?“, „Glauben Sie an einen Gott?“ oder „Sind Sie gläubig?“: In Europa ist eine derartige Frage üblich, wenn nach dem demografischen Merkmal einer Person gefragt wird. Noch in den 60er Jahren war solch eine Frage nicht üblich, denn eine Religion, die sich wesentlich auf die Kirche bzw. das Christentum bezog, war eine Bestandsbedingung.12 In der postmodernen Zeit wird Religion jedoch anders wahrgenommen, und sie ist zu einer Option geworden. So erfolgt z. B. die Übernahme einer Religion innerhalb der Familie nicht mehr zwangsläufig, und innerhalb der wenigsten Staaten gibt es noch obligatorische Landesreligionen. Überdies bezieht sich Religion nicht mehr nur grundsätzlich auf das Christentum. Durch die Industrialisierung und Globalisierung und die daraus resultierenden Migrationen sind multireligiöse Gesellschaften entstanden. Verschiedene, teilweise neue Religionen, Glaubensgemeinschaften und Ideologien sind neu entstanden, wie beispielsweise der „Neue Atheismus“.13 Der „Neue Atheismus“ ist ein Begriff einer Ideologie, in der Gott bewusst und begründet abgelehnt wird.14