Inhalt

Editorial

Gotthard Fuchs

Zur Einführung

Johannes Lieder

Über 7 Milliardenmal »Mein Gott«

Thomas Ruster

Unverständliche Fürbitten – ein ungelöstes theologisches Problem.

Zu welchem Gott kann man beten?

Georg Steins, Universität Osnabrück

Eine gefüllte Leerstelle

Der biblische Ort des göttlichen Namens

Irene Leicht und Katharina Martin

Von »Gott« reden?

Ein psycho-theologisches Schreibgespräch

Gotthard Fuchs

Gottes Begehren.

Eine vergessene Dimension (nicht nur) christlicher Spiritualität.

Volker Hassenpflug

Mechthild von Magdeburg.

Die Erfahrbarkeit Gottes

Von Adina Wilcke

Der Weg

Armin Münch und Marco A. Sorace

Duchamps gläserne Theologie

Darüber, wie wir Gott nur begehren können

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

während ich dieses Editorial, mein erstes wohlgemerkt, verfasse, zieht der Frühling zieht langsam aber sicher in meinem Garten ein – ein Aufbruch und Neubeginn liegt in der Luft. Auch hier, bei der Zeitschrift Inspiration, bemerken Sie ab dem Jahrgang 2019 einige Veränderungen, etwa durch das etwas anders gesetzte Appetithäppchen zu Beginn der Beiträge.

Wir beschränken uns nicht auf die optischen Anpassungen, dies sind eher die äußeren Sichtbarkeiten. Wir versuchen uns auch an dem Format des Gesprächs, in dem wir unterschiedliche Sichtweisen und kontroverse Gedanken zum Heftthema in einen anregenden Dialog bringen. Mit kurzen lyrischen, Gebets- oder Impulstexten schaffen wir Freiräume für Ihre eigenen Gedanken, damit – in diesem Fall – »mein Gott« auch über die Lektüre hinaus nachklingt und inspiriert. Diese Mischung macht Inspiration für Sie in neuem Maß lebendig und greifbar und nimmt Sie mit in den geistlichen Prozess wachsenden Lebens.

Besondere Aspekte oder kurze Impulse finden Sie durch solche optischen Hervorhebungen

In der Redaktion hat ebenfalls ein Wechsel stattgefunden. Seit diesem Jahr habe ich die Ehre, die Zeitschrift für Sie zu gestalten. Dies ist für mich eine neue Herausforderung, auf deren Annahme ich mich tüchtig freue. Damit Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben, stelle ich mich gerne kurz vor. Ich bin Maria Gondolf und von Hause aus Rheinländerin, Diplom-Theologin und Musikerin. Für mein Studium verweilte ich zu Beginn des Jahrtausends an der Universität zu Bonn und habe mit dem Schwerpunkt Liturgiewissenschaft und praktische Theologie besonders viel Spaß daran gehabt, theologische Themen an ihrer Alltagsrelevanz zu überprüfen. Nun hat es mich nach einiger Zeit auf Bistums- und Bundesebene zu einem freien Berufsleben verschlagen und auch zu Ihnen, liebe Leser*in. In diesem Sinne freue ich mich auf gemeinsame inspirierende Erlebnisse.

Ihre Maria Gondolf

Gotthard Fuchs

Zur Einführung

Das Wort Gott mit all seinen Fassetten ist vielen fremd geworden oder es ist für sie gänzlich überflüssig. Zu verjenseitigt und personal(istisch) den einen, zu verklebt mit Angst- und Gewaltgeschichten und zudem mit Kirchengeruch anderen. Wieder anderen Inbegriff größter Hoffnung und Adressat aufrichtigen Betens. Schon das eigene Leben nötigt hier zur Klärung. So galt es auch für dieses Heft, Eingrenzungen vorzunehmen und einen einzigen Blickpunkt in den Blick zu nehmen: Mein Gott.

Natürlich ist jede Mehrdeutigkeit gewollt, die Vielfalt der Leserschaft und den Reichtum unterschiedlicher Erfahrungen im Blick. Schon das Wort »Gott« ist vielen abhandengekommen oder wird ausdrücklich abgelehnt: »o Gott«, jetzt doch wieder ein Heft mit diesem Thema. Aber gehen wir mutig davon aus, dass dieses umstrittene Wort selbst als Leerstelle noch sinnvoll bleiben und werden kann. »Das ist das Verderbliche an diesem Wort, das so oft als Antwort gebraucht wird. Er hätte einen Namen haben müssen, der wie eine Frage klingt.« So eine Figur im Roman »Rituale« von C. Nooteboom.

»Mein Gott« – diese Formulierung hat denselben Status wie »mein Mann« oder »meine Wohnung«. Sie signalisiert Zugehörigkeit, Verbundensein und Beziehung, ja Intimität. Das Possessivpronomen hat im Raum zwischenmenschlicher Beziehungen mindestens zwei Lesarten. Symbiotisch ist es ein Besitzverhältnis verwickelter (wörtlich: verwachsener) Art: Partner oder Partnerin werden als Eigenbesitz betrachtet, als Verlängerung des Ego zwecks Lebenserhalt. Entsprechend war und ist es die Gefahr aller Religionen und Kirchen, Gott als Privatbesitz zu betrachten und, gegen andere für sich behalten zu wollen. Von Liebe dagegen im Unterschied zu solcher Symbiose ist erwachsen(d) erst dann zu sprechen, wenn Freiheit und die Lust am Unterschied im Spiel ist, am Bejahen der Anderen als Anderen: ich brauche dich nicht, aber ich will dich brauchen, und so bist Du mein und Ich dein.

So beziehungsstark lernen und lehren Bibel und Mystik von und mit Gott zu reden. Der biblische Gott gewinnt Name und Gesicht in Beziehungen und aufgrund von Geschichte(n). Er ist der Gott Abrahams und Saras, der Gott Israels und Rebekkas, der Gott Jesu Christi. Die originelle Gottesrede, die Jesus praktiziert und empfiehlt, verstärkt diese Intimität der Beziehung: »Abba, mein Vater« – und das direkt neben der Überlebensfrage: »Mein Gott, mein Gott, warum hast mich verlassen«. Gottesbeziehung und Selbstwerdung gehören untrennbar zusammen. So mögen die Beiträge dieses Heftes anregend sein für die Frage: »Was tue ich, wenn ich – bejahend oder bestreitend – Gott sage?«