Bernhard Kohl

Die Anerkennung
des Verletzbaren

ERFURTER THEOLOGISCHE STUDIEN

im Auftrag

der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt

herausgegeben

von Josef Römelt und Josef Pilvousek

BAND 110

Bernhard Kohl

Die Anerkennung des Verletzbaren

Eine Rekonstruktion der negativen Hermeneutik der Gottebenbildlichkeit aus den Anerkennungstheorien Judith Butlers und Axel Honneths und der Theologie Edward Schillebeeckx’

echter

INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Literaturverzeichnis

Einleitung

Erstes Kapitel: Der Widerstreit inhaltlich-materialer und dynamischer Grundlegung eines Verständnisses der Gottebenbildlichkeit des Menschen im philosophischen und theologischen Diskurs

1.  Ethik unter pluralen Voraussetzungen

1.1  Pluralität, Widerstreit und Kompromiss

1.2  Bedingungen einer (post)modernen Ethik

1.2.1  Prinzipien moderner (theologischer) Ethik

1.2.2  Sprachphilosophie: Dynamische Vagheit und Kohärenz des Diskurses

1.3  Fazit: Eine hermeneutisch orientierte Lebenswelttheorie

2.  Anerkennungstheoretische Ansätze als gangbarer Weg: Formales Konzept posttraditionaler Sittlichkeit

2.1  Anerkennung als (motivationale) Ressource formal-prozeduraler Ethikkonzeptionen

2.2  Axel Honneths Programm einer (intersubjektivistischen) Anerkennungstheorie

2.2.1  Der Vater des Gedankens: Begierde, Negation, Kampf und Anerkennung bei Hegel

2.2.2  Systematische Aktualisierung: Kampf um Anerkennung als historischer Prozess

2.2.3  Intersubjektive Anerkennungsbeziehungen

2.2.3.1  Primärbeziehungen: Emotionale Zuwendung und Selbstvertrauen

2.2.3.2  Recht: Rechtliche Anerkennung und Selbstachtung

2.2.3.3  Wertegemeinschaft: Solidarität und Selbstschätzung

2.2.4  Anerkennung als Haltung

2.2.5  Fazit

3.  Das Problem der inhaltlichen Bestimmung des Theologumenons „Ebenbild Gottes“: Die Dissoziation der Bildbegriffe zaelaem (צלם) und demut (דמות) in der Tradition

3.1  Die Septuaginta

3.1.1  Der Textbefund

3.1.2  Aufgabe und Würde des Menschen aus Sicht der LXX

3.1.3  Ausblick auf das Neue Testament

3.2  Schritte der Dissoziation bei den Kirchenvätern

3.2.1  Philo von Alexandrien

3.2.2  Irenäus von Lyon

3.2.3  Tertullian

3.3  Folge für das Verständnis der Gottebenbildlichkeit des Menschen: imago und similitudo. Spekulative Weiterentwicklung der Gottebenbildlichkeitsaussage

3.4  Folge für das Verständnis der Gottebenbildlichkeit in der systematischen Theologie

Zweites Kapitel: Die Gottebenbildlichkeit des Menschen als anthropologische Offenheitsaussage des Alten Testaments und biblische Erzählung davon, was der Mensch nicht ist

1.  Einleitung

2.  Der Textbefund des Alten Testament

2.1  Gen 1,26.27

2.1.1  Die beiden Substantive zaelaem (צלם) und demut (דמות)

2.1.1.1  zaelaem | צלם

2.1.1.2  demut | דמות

2.1.1.3  Fazit

2.1.2  Die Präpositionen: beth normae oder beth essentiae?

2.1.2.1  Die Präposition b= | ב

2.1.2.2  Die Partikel k= | ב

2.1.2.3  Fazit

2.2  Ps 8: Die Bedeutung der Königsideologie für die Gottebenbildlichkeit

2.3  Die Rede von der Gottebenbildlichkeit in der Weisheitsliteratur

2.3.1  Sir 17,3-4

2.3.2  Weish 2,23

2.4  Ebenbildlichkeit und Bilderpolemik (Jes / Ez)

2.5  Tell Fekheriye

2.5.1  Funktionale Bedeutung der Rede von der Gottebenbildlichkeit

2.5.2  Prädikative Bedeutung der Rede von der Gottebenbildlichkeit

2.6  Fazit

3.  Imago Dei-Aussagen im Altorientalischen Umfeld Israels

3.1  Ägypten

3.1.1  Einführung

3.1.2  Ägyptische Termini zur Gottebenbildlichkeit

3.1.2.1  twt.w / hn. (Abbild)

3.1.2.2  šzp (Empfängerstatue)

3.1.2.3  sšm.w (Prozessionsbild)

3.1.2.4  znn (Nachahmer)

3.1.2.5  m. / m.tt / m.tw (gleichen, Gleichheit)

3.1.2.6  ͗.t (Bild)

3.1.3  Zusammenfassung: Funktionale Auffassung der Gottebenbildlichkeit in Ägypten

3.2  Mesopotamien

3.3  Assyrien

3.4  Fazit

4.  Bild- und Herrschaftsverständnis der Priesterschrift

4.1  Inhaltliche Konzepte in der Literatur

4.1.1  Die äußere Gestalt als Ausdruck der Gottebenbildlichkeit: Der aufrechte Gang

4.1.2  Der Mensch als sprachfähiges Geschöpf: Gottebenbildlichkeit als Antwortverpflichtung

4.1.3  Der Mensch als vernunftbegabtes Geschöpf: Gottebenbildlichkeit als geistige Fähigkeit

4.1.4  Der Mensch als kultisch verpflichtetes Geschöpf

4.2  Der Mensch als Statue und Repräsentant Gottes: Die beiden Verben rdh (רדה) und kbs (כבש)

4.2.1  Die Herrschaft des Menschen über die Schöpfung

4.2.2  Die Herrschaft des Menschen über die Tiere

4.3  Fazit

5.  Zwischenergebnis I | Inhaltliche Bedeutung eines funktionalen Verständnisses der Ebenbildlichkeit – Kritischer Anthropozentrismus

5.1  Aspekte des Kulturauftrags des Menschen

5.2  Kritischer Anthropozentrismus

6.  Die Gottebenbildlichkeit im Neuen Testament

6.1  Die jesuanische Sicht des Menschen

6.2  Die Menschensohn-Christologie

6.3  Gottebenbildlichkeit in den paulinischen Schriften

6.3.1  Textstellen / Wortbedeutung

6.3.1.1  Christus als das Ebenbild Gottes

6.3.1.2  Die Adam-Christus-Typologie

6.3.1.3  Die Neuschöpfung der Gläubigen als Gottes Ebenbild

6.3.1.4  Die Gleichgestaltung der Christen mit der eikon Christi: εκών und δόξα bei Paulus

6.3.2  Aufgabe und Würde des Menschen nach diesem Verständnis

7.  Zwischenergebnis II | Geschichtlich-relationaler Aspekt der Imago Dei

7.1  Extraneität: Zugeeignet-relationaler Charakter der Gottebenbildlichkeit

7.2  Geschichtlichkeit: Riskante Kontextualität der Gottebenbildlichkeit

7.3  Mittlerschaft: Verortung der Gottebenbildlichkeit in Raum und Zeit

7.4  Entgrenzung: Perspektivische Weitung der Gottebenbildlichkeit

Drittes Kapitel: Anerkennungstheorien als negative Rekonstruktionen dessen, was Menschen positiv sein können

1.  Missachtete Anerkennung bei Axel Honneth

1.1  Physische Misshandlung und Vergewaltigung: Verlust von Selbstvertrauen

1.2  Entrechtung und Ausschließung: Absprache von moralischer Autonomie und Verlust an Selbstachtung

1.3  Entwürdigung und Entehrung: Verlust der persönlichen Selbstschätzung

2.  Probleme der honnethschen Anerkennungskonzeption

2.1  Eine Theorie des Guten?

2.2  Sonderfall wirtschaftliche Ungerechtigkeit: Das Statusmodell

2.3  Soziale Wertschätzung: Eingeschränkte Anerkennung oder uneingeschränkt normativistischen Sichtweise?

3.  Judith Butlers Programm einer (subjektivierenden) Anerkennungstheorie

3.1  Subjektivierende Anerkennungsbeziehungen

3.1.1  Anerkennung | Macht, Sprache, Diskurs, Genealogie und Dekonstruktion

3.1.2  Anrufung | Das postsouveräne Subjekt

3.1.3  Name | Anerkennung, Körper und Macht

3.1.4  Subjektivation | Paradoxie der Unterwerfung, Reiteration und Verschiebung

3.2  Missachtete Anerkennung bei Judith Butler

3.2.1  Grundlegende Verletzbarkeit | Sprache

3.2.2  Prägung | Inaugurale Unterwerfung

3.2.3  AnVerkennung | De- und Rekontextualisierung

3.2.4  Ausschluss | Nicht-autorisierte Vorsubjekte

4.  Kritik an der butlerschen Anerkennungskonzeption

4.1  „Bad Writer“

4.2  Mangelnde historisch-gesellschaftliche Fundierung

4.3  Moralischer Nihilismus

5.  Zwischenergebnis III | Prozesshafte Anerkennung

5.1  Anerkennung bei Honneth und Butler

5.2  Verletzte Anerkennung bei Honneth und Butler

5.3  Akzentuierung: Prozesshafte Identität

5.3.1  Intersubjektive Responsivität

5.3.2  Ursprungskontingenz

5.3.3  Nicht-Identität der Identität

5.4  Anerkennen statt Anerkennung: Anerkennung als offener Prozess

6.  Verletzbarkeit

6.1  Prinzip der Verletzbarkeit

6.2  Negative Anthropologie

6.2.1  Anthropologie von unten

6.2.2  Eine Stufe weiter: Demütigung und Erniedrigung

6.3  Negativistische Ethik und (immanente) Kritik

6.4  Kritik am Prinzip der Verletzbarkeit

6.5  Konsequenzen aus Verletzbarkeit: Abschaffung, Akzeptanz oder Option?

6.5.1  Abschaffung und Enhancement

6.5.2  Mehrdimensionaler Umgang

7.  Umgang mit verletzter Anerkennung

7.1  Umgang mit Missachtung in der Konzeption Axel Honneths: Kämpfe um Anerkennung

7.1.1  Kampf um Anerkennung

7.1.2  Lähmende Scham

7.1.3  Rückgewinnung von Handlungsfähigkeit

7.1.4  Motivationale Ressourcen für den Kampf um Anerkennung

7.1.5  Verwilderung des Kampfes um Anerkennung

7.1.6  Fazit: Strukturwandel der Anerkennung

7.2  Umgang mit Missachtungserfahrungen in der Konzeption Judith Butlers: Die Frage nach den Grenzen von Lebbarkeit

7.2.1  Gefährdetsein des Menschen

7.2.2  Die andere Seite der Verletzbarkeit als conditio humana: Verletzungsmacht als eine Grundform menschlicher Machtausübung

7.2.3  Melancholie und Trauer

7.2.4  Trauer als politische Kraft

7.2.5  Derealisierung, Raster des Menschlichen und Anerkennung von Verletzbarkeit

7.2.6  Resignifizierung: Widerstand gegen Verletzungen

7.2.7  Gewalt und Sprache

7.2.7.1  Die doppelte Dimension von Sprache

7.2.7.2  Die physische Kraft von Sprache

7.2.7.3  Illokutionäre und perlokutionäre Sprechakte

7.2.7.4  Subjektproduktion

7.2.8  Ethik der radikalen Gewaltlosigkeit

7.2.8.1  Raster der Intelligibilität

7.2.8.2  Kritik der ethischen Gewalt

7.2.8.3  Übersetzung ethischer Traditionen

7.2.8.4  Selbstkonstituierung und Intransparenz

7.2.8.5  Identitätsgrenzen, Verantwortung und radikale Gewaltlosigkeit

7.2.8.6  Das postsouveräne Subjekt: Anerkennung der precariousness

7.3  Fazit

8.  Fortschritt aus misslingender Anerkennung

Exkurs | Empirie und die „Zeichen der Zeit“

8.1  Eine Konzeption des Fortschritts bei Honneth

8.1.1  Reflexivität und Differenzierung

8.1.2  Egalitäre Inklusion

8.1.3  Autonomisierung, Individualisierung und Selbstverwirklichung

8.1.4  Das Recht auf Freiheit

8.1.5  Probleme der honnethschen Fortschrittskonzeption

8.2  Eine Konzeption des Fortschritts bei Butler: Messianismus

8.2.1  Die frames des Fortschritts

8.2.2  Entmenschlichung als Modernisierungstechnik

8.2.3  Die Performativität des Messianischen

8.2.4  Die göttliche Gewalt des Gebots

8.2.5  Die Verwandlung der Gegenwart in Jetztzeit

8.3  Fazit

Viertes Kapitel: Ein negativ theologisch-ethisches Verständnis: Die notwendige Offenheit der Konzeption der Gottebenbildlichkeit aufgrund der Unabgeschlossenheit ihrer Anerkennung in der Spur ihrer Verletzlichkeit

1.  Zwischenergebnis IV | Anerkennungsbedürfnis, Verletzung und Kampf um Anerkennung im Dialog der Konzepte von Axel Honneth und Judith Butler

1.1  Verletzbarkeit

1.2  Anerkennung als Selbstbeziehung und Erlangung von Dasein

1.3  Anerkennung als radikale Autonomie

1.4  Der Zeitpunkt der Anerkennung

1.5  Anerkennung als Minimalvorstellung des guten Lebens

1.6  Die ethisch-ontologische Doppelrolle der Anerkennung

1.7  Anerkennung als moralischer Wert und Realisierung einer Norm

1.8  Zeitlichkeit und Unabgeschlossenheit der Anerkennung

2.  Das biblische Verständnis der Gottebenbildlichkeit und seine Konvergenz zum anerkennungstheoretischen Paradigma

2.1  Vorrang der funktionalen Aussage

2.2  Offenheit des Imago-Begriffs für inhaltliche Konzepte

2.3  Via negativa

2.4  Erachtung und Anerkennung als Ebenbild

2.5  Dynamisierung durch zunehmenden Inklusivismus

2.6  Transzendenz als prozesshafte Entgrenzung von Identität

2.7  Noch einmal Zeitlichkeit: Messianische oder eschatologische Praxis?

2.8  Gottebenbildliche Herrschaft und postsouveräne Handlungsfähigkeit

3.  Edward Schillebeeckx OP: Negative Kontrasterfahrungen als Triebfeder der Geschichte

3.1  Prägendes

3.2  In der Spur: Imago Dei als ethische Verantwortung der Imitatio Dei

3.3  Schöpfungstheologie: Extra mundum nulla salus

3.3.1  Erfahrung und bewusste Unwissenheit: Kritische Theologie

3.3.2  Kontrasterfahrungen als kritisch-negative Orientierung

3.4  Zeitgenössische theologische Ethik: Ethiklose Ethik und Weltverbesserung über die via negativa

3.5  Anthropologische Konstanten als Richtungsindizes für eine kontextuelle Interpretation des Humanums

3.6  Fazit

3.7  Fortschritt: Prophetische Eschatologie

3.7.1  Autonomie

3.7.2  Pluralität und Diskurs

3.7.3  Glaube und Handeln: Eschatologische Hoffnung

3.8  Fazit: Vertrauen ins Dasein und Hoffnung im Dasein

4.  Resümee: Orientierung im Verletzten finden. „Negative theologische Anthropologie“ und „negative theologische Ethik“

4.1  „Negative Anthropologie“: Gottebenbildlichkeit als Negation in erhoffter geschichtlicher Praxis

4.2  „Negative Ethik“: Handeln als Ebenbild Gottes

4.2.1  Das Nichtseinsollende

4.2.2  Die vage Idee des Positiven

4.2.3  Das Wollen des Sollens

4.2.4  Das konkrete Allgemeine

4.3  Fortschritt: Grundlosigkeit und eschatologische Hoffnung

VORWORT

Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2016/2017 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt als Dissertationsschrift angenommen.

Bedanken möchte ich mich in besonderer Weise bei Prof. Dr. Josef Römelt, der den Gang meines Dissertationsprojektes persönlich, geduldig-kritisch und fachlich immer weiterführend begleitet hat – nicht zuletzt durch die hilfreiche Differenzierung von Sinn- und Materialhubern. Ein ganz besonderer Dank gilt auch Prof. DDr. Antonio Autiero (Münster) für die sehr freundliche und unkomplizierte Übernahme des Zweitgutachtens der Arbeit.

Der Katholischen Studierendengemeinde Edith Stein (Berlin) sei für die Rückbindung von theologisch-philosophischer Arbeit an die Lebenswelt und für eine menschliche Gemeinschaft gedankt, die ihrem Sehen, Urteilen, Handeln und Glauben in wohltuender Weise Offenheit bewahrt.

Ganz herzlich danke ich Frau Ursula Fischer, M. Sc. für ihre Geduld mit der Arbeit, deren Formatvorlage und ihrer endgültigen Formatierung für die Drucklegung.

Danken möchte ich meinen Freundinnen und Freunden für ihre Warmherzigkeit, ihre Begleitung und für ihr Verständnis für die mit einem Promotionsprojekt verbundenen Begleitumstände.

Darüber hinaus gilt mein Dank dem Dominikanerorden, insbesondere den Verantwortlichen der Dominikanerprovinz Teutonia – meinem ehemaligen Provinzial Dr. Johannes Bunnenberg OP und meinem ehemaligen Regens Prof. Dr. Thomas Eggensperger OP für die Ermöglichung des Dissertationsstudiums –, den Mitgliedern der Gemeinschaft des Instituts M.-Dominique Chenu (Berlin) für eine lebendige und kontinuierliche Theologie am Küchentisch, der Dominikanerkommunität in Toronto und dem Dominican Institute of Toronto für Raum und Zeit zur Fertigstellung der Druckfassung dieser Arbeit und für inspirierende Horizonte.

Gewidmet sei diese Arbeit meinen Eltern. Für ihre Anerkennung im Primärbereich und für alles.

Toronto, im Mai 2017

Bernhard Kohl